Klare Linien. Gerade Häuserfassaden. Dann wieder Menschenmengen. Und immer die Frage danach, ob die Fotografie vor einem die Wirklichkeit zeigt. Oft wirken Andreas Gurskys Werke surreal und können in ihrer Gänze gar nicht auf den ersten Blick erfasst werden. Umso mehr zeigen sie die entschleunigende Wirkung von Museen und laden zum Verweilen und Staunen ein.

Nach langer Schließung des Museums der bildenden Künste (MdbK) im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie und Verschiebung der Ausstellung, hat das Museum seit nun einer Woche wieder für Besuchende geöffnet. Neben der Sammlung und der Ausstellung „1950–1980 Fotografie aus Leipzig“ können Kunsthungrige nun eine weitere Ausstellung genießen. Vom 25. März bis zum 22. August 2021 wird die Werkschau von Andreas Gursky im MdbK zu sehen sein. Gezeigt werden rund 60 Werke aus seinem 35-jährigen Schaffen, davon hauptsächlich Fotografien. Kuratiert hat der Künstler die Ausstellung selbst.

Bei der Pressekonferenz hebt Gursky hervor, dass es für ihn ein emotionaler Moment ist, diese Ausstellung zu eröffnen. Er ist in Leipzig geboren, seine Eltern sind jedoch in seinem Geburtsjahr 1955 in den Westen gegangen. Seitdem wirkt Andreas Gursky in Düsseldorf, studierte bei Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie und arbeitet mittlerweile international als erfolgreicher Fotokünstler.

Der Impuls zur Ausstellung im MdbK ging vor dreieinhalb Jahren vom damaligen Direktor Alfred Weidinger aus, wurde aber durch Gurskys Sabbatical und die Coronapandemie nach hinten verschoben. Nun fügt sich die Werkschau gut zur Ausstellung „1950-1980 Fotografie aus Leipzig“ ein, dort hängen unter anderem auch Fotos von Andreas Gurskys Vater Willy Gursky.

Durch die Ausstellungseröffnung zieht sich ganz klar ein Thema: die Wichtigkeit von Museen und des physischen Erlebens von Ausstellungen. So sagt Direktor Stefan Weppelmann, dass wir im Museum „physisch an einen Ort kommen und uns Welten aneignen. Wir leben neue Perspektiven mit anderen Menschen zusammen.“

Für ihn ist es die erste Ausstellungseröffnung mit Publikum am Leipziger MdbK und auch die erste Zeit mit Besuchenden im Museum, denn seit seinem Amtsantritt im Januar war das Haus für die Außenwelt geschlossen. Auch an diesem Event merkt man die Pandemie: reduzierte Zahl der Teilnehmenden, alle tragen Masken und es musste ein negativer Coronatest nachgewiesen werden.

Weppelmann weiter: „Wir brauchen gute Nachrichten, vor allen in diesen Tagen. Deshalb ist es nicht egal ob Museen geöffnet sind oder nicht.“ Einen ähnlichen Tonus trifft Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke, die die Ausstellung als „großes Geschenk“ beschreibt. Mitfinanziert wurde die Werkschau von der Ostdeutschen und von der Leipziger Sparkasse.

Die Stellvertretende Geschäftsführerin der Ostdeutschen Sparkassenstiftung Patricia Werner hebt bei dem Pressetermin hervor: „Mit dieser Ausstellung kehrt Leipzig zurück und markiert einen Paukenschlag. So kehrt die Kultur deutlich in die Öffentlichkeit zurück und vor allem nach Leipzig als Standort für Fotografie in Ostdeutschland.“ Des Weiteren vergleicht sie die „opulente Show“ mit einem ausgiebigen Mahl nach einer langen Fastenzeit und zieht so die Parallele der langen Schließungen der Museen.

Die Themen, die die Ausstellung behandelt, fasst Jeannette Stoschek, Chefkuratorin Graphische Sammlung und stellvertretende Direktorin des MdbK, zusammen: Architektur, Landschaft, Politik, Kultur im Gegensatz zur Natur. Sie und das Team haben zehn Tage lang mit Gursky die Bilder gehängt und ausprobiert, wie die Ausstellung kombiniert werden soll. Denn die Bilder hängen nicht chronologisch, das findet Gursky langweilig. Nun sei er aber 100 Prozent zufrieden mit der Hängung und der Auswahl an Bildern.

Diese fehlende Chronologie macht die Ausstellung erfrischend. Die meist mehrere Meter großen Fotos nehmen Raum ein und wechseln sich mit kleineren ab. Auch gibt es Familienfotos der Fotografenfamilie Gursky zu sehen und Relikte früherer Ausstellungen. Beim Wechseln der Ausstellungsräume weiß man nie, was einen erwarten wird und oft lohnt sich ein genaues Hinblicken.

Jeannette Stoschek spricht, während sie vor ihr steht, über die Fotografie „Katar“ (2012). Auf den ersten Blick scheint es ein goldener Raum zu sein, vielleicht ist auch erstmal gänzlich unklar, was überhaupt zu sehen ist. Doch Stoschek führt aus, dass es sich dabei um einen arbeitenden Menschen handelt, man müsse nur genau hinsehen.

Zur Ausstellung gibt es einen Audioguide auf Deutsch und Englisch. Zudem gab das MdbK bekannt, dass es Sonderöffnungszeiten geben wird, um die Ausstellung für mehr Menschen zugängig zu machen. Vor dem Museumsbesuch muss online oder telefonisch ein Zeitslot gebucht werden.

Die zusätzlichen Öffnungszeiten betreffen die Abendstunden vom Donnerstag, 25. März 2021, bis Sonntag, 28. März 2021 und den Dienstag, 30. März 2021. Dort gibt es von 18 bis 20.30 Uhr vier zusätzliche Zeitslots. Außerdem gibt es einen Sonderöffnungstag der Ausstellung am kommenden Montag, den 29. März 2021, von 10 bis 20:30 Uhr.

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