Woher kommen eigentlich die Sammlungsstücke im Fundus des Museums? Das will auch das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig gern genauer wissen. Denn manches davon ist auf unrechtmäßigem Weg ins Depot gekommen. Knapp 4.500 Objekte der Sammlung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig werden in den nächsten zwei Jahren im Rahmen eines Forschungsprojektes auf ihre Herkunftsgeschichte geprüft, umfänglich erforscht und auf unrechtmäßige Erwerbungsumstände untersucht, teilt das Museum mit.

Im vorausgegangenen Projekt rückten Erwerbungen ins Blickfeld, die eindeutige Verdachtsmomente im Zusammenhang mit einem NS-verfolgungsbedingten Kulturgutentzug zwischen 1933 und 1945 aufwiesen. Seit Dezember 2022 führt die Provenienzforscherin Lina Frubrich ein zweites Forschungsprojekt zur Herkunftsgeschichte von ausgewählten Einlieferungen am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig durch. In den entsprechenden Beständen der Sammlung wird vertieft überprüft, ob es sich ebenfalls um unrechtmäßige Ankäufe oder Schenkungen aus der Zeit des Nationalsozialismus handeln könnte.

Sechs Forschungsschwerpunkte sind hierzu gebildet worden, um von 43 Einlieferungen – bestehend aus 146 Kunstwerken und kunsthandwerklichen Gegenständen, 42 Objekten aus dem Sammlungsbereich „Alltagskultur und Volkskunde“, zwei Autografen, 11 Büchern und 4.001 Fotografien – die Provenienzen zu untersuchen. Teils sind die Erwerbungen auch in der Zeit nach 1945 getätigt worden, weswegen auch die Strukturen des Museums und der Stadtverwaltung sowie die Erwerbungspolitik zu DDR-Zeiten näher betrachtet werden sollen.

Wer profitierte von Enteignungen?

Zu den betreffenden Erwerbungen zählen die Glasnegativplatten von Hermann Walter, die das Museum 1935 über das Fürsorgeamt erhielt. Auch Einlieferungen von Kunstwerken des Künstlers Eduard Einschlag, der aufgrund seines jüdischen Glaubens verfolgt wurde und eine Erwerbung, die im Zusammenhang mit dem Künstler Eduard Bendemann steht, der ebenfalls Jude war, sollen untersucht werden. Ein Ankauf aus dem Jahr 1970 aus dem Nachlass von der Familie Wach und Mendelssohn Bartholdy wird ebenso in den Fokus gerückt.

Neben den Einlieferungen von Kulturgütern aus dem Umfeld von Menschen, die aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation oder jüdischen Herkunft verfolgt wurden, soll in diesem Projekt auch ein Schwerpunkt auf Personen und Unternehmen liegen, die sich an den Enteignungen bereichern konnten und auch später noch durch Verkäufe profitierten. So werden die Einlieferungen eines ehemaligen Käufers von jüdischem Hausrat beim Versteigerungshaus Klemm ebenso kritisch betrachtet wie mehrere Ankäufe bei dessen Nachfolgeinstitutionen Versteigerungshaus der Stadt Leipzig und später VEB Versteigerung- und Gebrauchtwarenhaus.

Das Projekt wird erneut vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert.

Das erste Projekt zur Provenienzforschung

Im August 2022 wurde das erste Forschungsprojekt, gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, zur Untersuchung des Sammlungsbereichs „Kunst und Kunsthandwerk“ abgeschlossen. Hier wurde bestätigt, dass tatsächlich eine Erwerbung – es handelt sich um zwei Fotografien und sieben Grafiken, – als „sehr bedenklich“ eingestuft werden muss. Zwei Aquarelle und zwei Gemälde wurden als „bedenklich“ kategorisiert, da es Hinweise auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug gibt.

Die 64 „offenen“ Provenienzen gelte es in Zukunft im Blick zu behalten, betont das Museum, um mögliche neue Erkenntnisse zur Schließung von Provenienzlücken zu berücksichtigen. Wie sich in dem Forschungsprojekt erfreulicherweise herausstellte, bilden 248 nunmehr als unbedenklich einzustufende Provenienzen aus den Erwerbungsjahren zwischen 1933 und 1945 den mit Abstand größten Anteil am untersuchten Kulturgut.

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