Das Jahr ist noch lange nicht herum, der Festkreis des Jahres auch nicht. Aber die Organisatoren des Bachfestes sind gedanklich schon längst im Juni 2013. Und das Weihnachtsoratorium mitsamt der Geburt Christi haben sie gleich mitgenommen. Sie wollen 2013 ein ganz besonders Bachfest abliefern und haben es unter das Motto "Vita Christi" gestellt.

Am Montag, 15. Oktober, um 9 Uhr startet der öffentliche Vorverkauf für das Bachfest Leipzig 2013. 114 Veranstaltungen an über 30 Orten werden vom 14. bis 23. Juni 2013 in und um die sächsische Musikstadt Leipzig realisiert. Höhepunkt des unter dem Motto “Vita Christi” stehenden Festivals sind hochkarätig besetzte Aufführungen des Weihnachts-Oratoriums, der Johannes-Passion sowie des Oster- und Himmelfahrts-Oratoriums. Im Jubiläumsjahr der Thomana wurden 2012 zuletzt über 75.000 Besucher im Bachfest Leipzig gezählt. Privater Hauptförderer des Festivals ist die Sparkasse Leipzig.

Dabei weiß Dr. Andreas Glöckner, Bach-Forscher und Dramaturg des Bachfestes Leipzig, nicht so recht, ob das besonders mutig oder aber gar nicht überraschend ist, was 2013 mit dem Bachfest probiert wird. Ursprünglich wollte man sich mit der Idee, das “Leben Christi” in einer Woche kompakt in hochkarätiger Musik aus vier Jahrhunderten erklingen zu lassen, auch deutlich absetzen von einem der großen Leipziger Jubiläen, die 2013 gefeiert werden: dem 200. Geburtstag von Richard Wagner.

Als die Planungen für das Bachfest 2013 vor zwei Jahren begannen, war man sich keineswegs sicher, was die Oper Leipzig zum Bach-Jubiläum auf die Beine stellen würde. Der Intendant Henri Maier war beurlaubt, Alexander von Maravic führte das Haus eher interimistisch, Ulf Schirmer als neuer Mann am Opernhaus war noch nicht gekürt. Damit fehlten ausgerechnet in der Wagnerstadt Leipzig für das Wagnerjahr die großen Linien und Visionen. Und Opernfreunde durften zu recht schon vorab enttäuscht sein, dass Leipzig im Jubiläumsjahr keinen ordentlichen neuen “Ring des Nibelungen” würde auf die Beine stellen.

Schirmer hat mit seinem Amtsantritt gerettet, was noch zu retten war. Aber so ein rechtes Stück, an dem sich ein Bachfest im Wagner-Reigen würde messen können, konnte es nicht mehr werden. Künstlich aufbauschen kann man das nicht. Denn Wagner hat – wie eigentlich alle wichtigen Komponisten seiner Zeit – Bach als großen Meister der Vergangenheit akzeptiert. Anders als an Mendelssohn hat er sich am Werk des begnadeten Thomaskantors nicht gerieben.

Spannender wird – so schätzt es die Bachfest-Organisation ein – wenn auch die Bachkompositionen, die sonst fest in den kirchlichen Jahreskreis eingebunden sind und sonst auch nur zu den entsprechenden Feierzeiten in der Kirche aufgeführt werden, jetzt im dicht gepackten Juni-Programm auftauchen. Allen voran das auch bei den Leipzigern ungemein beliebte “Weihnachtsoratorium”. Darüber debattierten Dr. Dettloff Schwerdtfeger, Geschäftsführer des Bach-Archivs Leipzig, Christian Lehnert, Pfarrer, Dichter und Religionswissenschaftler, und Dr. Andreas Glöckner am Freitag zum Pressetermin im “Café Gloria” doch recht intensiv. Kann man das machen, Bachs große Oratorien einfach aus dem Festkreis herauslösen und das Weihnachtsoratorium im Juni spielen? – Kann man, stellten sie dann doch einhellig fest. Denn dergleichen ist seit dem 19. Jahrhundert, seit Bachs Kompositionen auch in profanen Konzertsälen aufgeführt werden, schon mehrfach passiert. Die Künstler stört es nicht.

Und für Lehnert ist es sogar eine Chance, das Weihnachtsoratorium auch in Leipzig einmal wieder aus dem “üblichen Rahmen von Pfefferkuchen und Glühwein” herauszulösen und außerhalb der weihnachtlichen Grundstimmung zu erleben. Denn das Thema, so Lehnert, ist im christlichen Alltag ja nicht auf das Weihnachtfest beschränkt. Die Geburt, die hier gefeiert wird, wird ja im Grunde das ganze Jahr gefeiert – zu unterschiedlichsten Gelegenheiten. Sie steht ja symbolisch für jede Geburt.

“Und man darf ja auch nicht vergessen, dass ja auch das Weihnachtsfest eine Konstruktion des 5. Jahrhunderts ist”, sagt Lehnert. “Damals wurde das alte römische Fest des Sol Invictus quasi besetzt mit dem Fest der Geburt Jesu.” Und so faszinierend und aufregend die Lebensgeschichte von Jesus Christus sei – auch sie sei ja Interpretation. “Eine echte Lebensgeschichte von Christus haben wir ja nicht”, so Lehnert.

Trotzdem – oder gerade deswegen – hat diese Geschichte wohl über die Jahrhunderte die Künstler fasziniert. Und Johann Sebastian Bach hat sich als Thomaskantor schon von Amts wegen jedes Jahr aufs Neue damit beschäftigt. Fünf Kantatenzyklen hat er komponiert, die den vollen Jahreslauf des Kirchenjahres und damit auch die jährlich neu erzählte Geschichte von Jesu Geburt, Passion, Tod und Auferstehung umfassen.

1734 startete der Leipziger Thomaskantor dann sein Großprojekt und komponierte seine berühmten Oratorien, die extra für die Höhepunkte des Kirchenjahre gedacht waren.Und erstmals sind diese großen oratorischen Kompositionen Bachs innerhalb eines Bach-Festes in eine enge Beziehung gesetzt – Weihnachts-Oratorium, Johannes-Passion, Oster- und Himmelfahrts-Oratorium fügen sich zu einem musikalischen Großprojekt zusammen. Bereichert wird das Programm durch einen gottesdienstlichen Aufführungszyklus aller sechzehn Bachkantaten, die vom Leben und den Wundern Jesu Christi berichten. Rezitals, Orgel- und Konzertfahrten, wissenschaftliche Seminare und Vorträge vertiefen das Repertoire.

Und dazu kommen noch Dutzende Kompositionen anderer Komponisten, die sich auf ihre Weise mit dem Leben Christi beschäftigt haben, von Palestrina über Schubert und Beethoven bis zu Schönberg. Das alles gibt es im Juni 2013 dicht gepackt. Manche Liebhaber des Bachfestes werden wieder versuchen, alle Konzerte mitzunehmen. Aber auch die Einzelkonzerte werden ihre Faszination entfalten, denn es werden auch diesmal namhafte und international renommierte Interpreten zu erleben sein wie Trevor Pinnock, The Monteverdi Choir, The Englisch Baroque Soloists und Sir John Eliot Gardiner, der Kammerchor Stuttgart und Frieder Bernius, das Helsinki Baroque Orchestra und Reinhard Goebel, Hana Bla?íková, Matthias Eisenberg, Isabelle Faust, Matthias Rexroth, Rudolf Lutz, Hermann Max, Maria Riccarda Wesseling, Carolin Widmann sowie die Bach-Preisträger Daniel Johannsen, Johannes Lang, Davíd Szigetvári und Matthias Vieweg…

Bachs “Weihnachtsoratorium” wird übrigens am 16. Juni im Gewandhaus aufgeführt – mit dem Gewandhausorchester unter Leitung von Trevor Pinnock.

Ein nicht-kirchlicher Raum, der natürlich auch neue Erfahrungen mit diesem Stück ermöglicht. Vielleicht ist es da selbst eingefleischten Liebhabern der Leipziger Weihnachtsoratorien einmal gar nicht heimelig ums Herz. Eher ganz menschlich berührt. Kann ja sein.

Christian Lehnert meint, der Festkreis des Kirchenjahres spiele wohl im Leben der meisten Menschen keine Rolle mehr. Aber selbst darüber kann man diskutieren. Und das wird wohl im Vorfeld des Bachfests 2013 auch passieren: Wie stark ist das Leben der Mitteleuropäer tatsächlich noch durchdrungen von den Rhythmen des Kirchenjahres? Hat der angeheizte Konsumrausch am Ende den Sinn der Weihnachtsfeier längst davongespült? Sind Ostern und Pfingsten zu Feiertagen ohne Inhalt geworden?

Oder haben sich nur Gewichte geschoben? Auch in der Kirche? – Es könnte ein interessantes Bachfest werden, bei dem es vielleicht – für die ganz Ausdauernden tatsächlich um den vollen Lebenskreis Christi geht. Für die meisten aber eher um die Frage: Welche Anker hat das eigene Leben in der Welt? Ist nicht Bachs Musik selbst längst so ein Anker? Jederzeit abspielbar auf CD? Selbst im Auto, wenn man das Gedudel der Radiosender satt hat und die Welt, durch die man fährt, wieder groß und emotional erleben möchte? – Ein weites Feld.

Auch für alle, die es wieder nicht schaffen, sich Karten zu sichern. Es gibt auch wieder Bach unter freiem Himmel mit “BACHmosphäre” und Konzerten auf dem Leipziger Markt und dem Wandelkonzert in den Passagen der Leipziger Innenstadt.

Und auch die Reihe “b@ch für uns!” bezieht im Jahr 2013 wieder mit einen umfangreichen Programm speziell Familien, Kinder und Jugendliche in das Festival ein. Im Zentrum des Programms stehen zwei Konzerte einer vom Festival ausgerichteten Chor-Akademie unter Leitung von Hermann Max. Der Chor setzt sich zusammen aus begabten Schülerinnen und Schülern sächsischer Musikgymnasien.

Tickets für das Bachfest Leipzig sind telefonisch unter Tel. (0 18 05) 56 20 30 (14 Cent/Min. aus dem dt. Festnetz, ggf. abweichende Mobilfunktarife) und an allen bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich. Bestellungen im Internet unter www.bachfestleipzig.de sind ebenfalls möglich. Zudem bietet der Veranstalter den Service eines print@home-Tickets an, das bei Online-Bestellungen bequem zu Hause ausgedruckt werden kann. Eine kostenlose Konzertübersicht kann unter der angegebenen Telefonnummer sowie auf den Internetseiten des Bachfestes angefordert werden.

www.bachfestleipzig.de

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