Damit hätte auch Joachim Borgschulze nicht gerechnet, dass er mit seinem Marktschreier-Treck im August nach Leipzig kommt und die Marktschreier dürfen als Allererste im Jahr 2013 wieder auf der Straße des 18. Oktober am Völkerschlachtdenkmal stehen. Vom 7. bis 11. August gastiert die Gilde der Marktschreier wieder in Leipzig. Zum 24. Mal.

Gleich 1990 machte sie erstmals den Abstecher nach Leipzig, nachdem sie schon seit 20 Jahren in Berlin (West) und auf Werbefahrten in der (alten) Bundesrepublik für Stimmung gesorgt hatte. Sie gehört zum Sommer am Völkerschlachtdenkmal wie das Badewannenrennen und die Bier… nein, die Bierbörse durfte/wollte diesmal nicht. Denn der Stadtrat hatte – auf Vorlage des Verwaltungsdezernats – mal wieder die Sondernutzungssatzung der Stadt Leipzig geändert. Da wollte jemand ganz gründlich sein und hat gleich mal die Kategorien für die Sondernutzungen geändert. Eigentlich ging es die ganze Zeit, praktisch seit den Änderungen von 2005, immer nur um Freisitze und die Frage: Wie berechnet man das? Nach Straßenklasse? Nach zentraler Lage? Nach beanspruchter Fläche?

Bei Kneipenfreisitzen ist das simpel: Jeder zusätzliche Stuhl, jeder zusätzliche Tisch auf dem Bürgersteig ist bares Geld wert. In den ausgewiesenen “Kneipenmeilen” machen Wirte damit in der schönen Jahreszeit (die ohne so einen Winter wie 2012/2013 in Leipzig in der Regel von März bis Oktober dauert) richtig Geld. Aber in einem Abwasch erhöhte man da beiläufig auch die Sondernutzungsentgelte für Veranstalter, die solche Orte wie die Straße des 18. Oktober bespielen. Da kommt viel Fläche zusammen. Aber es sind keine Freisitze.

Im Ergebnis gab es mit einigen Veranstaltern richtig Zoff. Die Alternative hieß auch für die Marktschreier einige Zeit Kleinmesse. “Sie hätten mal Wurst Achim erleben sollen, als er gehört hat, dass wir am Völkerschlachtdenkmal bleiben dürfen”, sagt Joachim Borgschulze, dessen Agentur die Rundreise der Gilde der Marktschreier organisiert. “Der hat mir in den Armen gelegen vor Freude.” Mit der Stadt Leipzig habe man sich geeinigt. Jetzt sei wieder alles gut. Die 12 großen Verkaufswagen der Marktschreier werden fünf Tage lang wieder da stehen, wo sie jeden Sommer standen. Und Leipzig geht als echter Höhepunkt in der 44-Stationen-Tour der Marktschreier nicht verloren.

“Wenn man nicht immer 1A-Qualitätsware zu einem Klassepreis anbietet, dann funktioniert die Sache nicht”, betont Borgschulze, der fürs Foto mal selbst als Marktschreier posiert, im Leben jenseits seines “Hobbys” aber Rechtsanwalt ist. Das Unternehmen, das sein Vater 1970 aus der Taufe hob, um die erfolgreichen Schreihälse vom Hamburger Fischmarkt auch mal ins ummauerte Westberlin zu holen, wollte er nicht einfach “den Bach runtergehen lassen”. Vor zwölf Jahren übernahm er die Leitung und geht auch mit den Männern, die ihre Trucks in Eigenregie bewirtschaften, immer wieder auf Tour. “Das ist wie eine große Familie”, sagt er.
Und freut sich auch, wenn alte Mitstreiter – wie Käse-Rudi – Nachfolger finden, die weiter mit auf Tour gehen. Käse-Rudi ist vor drei Jahren gestorben. Seine Frau und seine Tochter übernahmen das Geschäft. Und so können die Leipziger in diesem Jahr das 50-jährige Firmenjubiläum von Käse-Rudi mitfeiern. Auch wenn statt Rudi seine Tochter Nicole auf de Ladefläche steht und als Jubiläums-Dreingabe eine Kühltasche spendiert. Natürlich nur, wenn die Leipziger zuvor einen ganzen Eimer voll Käse ordern.

Wurst-Achim, mittlerweile der Star unter den reisenden Marktschreiern, ist natürlich auch wieder da. Diesmal freilich nicht mehr als Favorit. Schon im Vorjahr schnappte ihm ein anderer den Preis des besten Marktschreiers in Leipzig weg: Aal-Axel. Und auch auf der Tour 2013 liegt Wurst-Achim derzeit nicht in Führung. “Die hat momentan der Nudel-Micha inne” sagt Borgschulze. “Knapp dahinter kommt dann Käse-Rudi.” Wahrscheinlich zählt beim Publikum, das am Wettkampf-Tag seine Stimmen abgibt, der Bonus des Lokal-Matadors eher wenig. Dieser Wettkampftag ist diesmal der Donnerstag, der 8. August. Von 16 bis 18 Uhr läuft der Wettbewerb, bis 18 Uhr können die Besucher ihre Stimmen abgeben. Sie können auch wieder was gewinnen. Die Tafel mit den Gewinnen wird am Freitag, ab 11 Uhr aufgestellt.

Der Lokal-Matador könnte in diesem Jahr Bananen-Detlev sein. Er ist zum ersten Mal dabei. Er ist der Nachrücker auf dem Obstwagen des Marktschreier-Trains. “Von jedem Sortiment haben wir immer nur einen Wagen dabei”, so Borgschulze. “Anders macht das keinen Sinn. Entweder hat man erstklassige Ware und einen guten Preis – oder man hat keine.” Bananen-Detlev kommt aus Halle an der Saale, also quasi gleich von nebenan.

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Eröffnet werden die Leipziger Marktschreier-Tage am 7. August um 11 Uhr mit Fassanstich und Freibier und Steffen Poser, dem Leiter des Völkerschlachtdenkmals. Ein Schwerpunktthema hat das Gastspiel der Marktschreier in diesem Jahr auch: “Alles rund um den Fisch”. Aber ganz so schlimm wird es nicht. Es legt aber den Fokus wieder ein bisschen auf ein paar Spezialitäten des Auftritts – die “Happy Hour” für Matjesbrötchen zum Beispiel. Die ist jeden Tag von 10 bis 11 Uhr. Da gibt es das traditionelle Matjesbrötchen für 1 Euro. Zubereitet werden sie vom Holländischen Fischpalast, den die Leipziger auch schon kennen, und der vor allem holländische Fischspezialitäten mitbringt. Und das beliebte Krabbenpulen fällt auch nicht aus. “Da gibt es eine Handvoll Leute, die sind schon richtig kribbelig auf den Wettbewerb”, erzählt Borgschulze aus seiner Leipzig-Erfahrung. “Die warten schon richtig darauf, dass sie wieder Krabben pulen dürfen.” Diese Leipziger Stadtmeisterschaft im Krabbenpulen findet am Freitag, 9. August, um 14 Uhr statt. Borgschulze: “Dabei ist nun gerade dieser Wettbewerb mal reineweg auch Jux und Tollerei geboren.” Aber das sind am Ende die schönsten Wettbewerbe.

Geöffnet ist der Markt der Marktschreier am Völkerschlachtdenkmal von Mittwoch bis Samstag, 7. bis 10. August, von 10 bis 20 Uhr, am Sonntag, 11. August, von 11 bis 19 Uhr.

Wer was erleben will, muss schon selbst hingehen. “Haben die Leipziger Kinder noch Ferien”, fragt Borgschulze noch. Haben sie. Für Kinder sei das natürlich bester Anschauungsunterricht, wie Verkaufen geht. Und Spaß hätten sie auch.

Und im nächsten Jahr, wenn Leipzig 25 Jahre Friedliche Revolution feiert, haben auch die Marktschreier was zu feiern: ihr 25. Gastspiel in Leipzig. Wie wird das gefeiert? – “Feucht natürlich”, sagt Joachim Borgschulze. Mehr verrät er noch nicht. Das muss er erst mit “seinen Jungs” beraten.

www.gilde-der-marktschreier.de

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