Die Buchmesse steht vor der Tür. Unter all den Literaturevents fällt eine Veranstaltung aus dem Rahmen. Denn am 27. März widmen bei „Sex, Death & Magic“ im Theaterhaus Schille drei ungewöhnliche Autor/-innen einen ganzen Abend der Liebe und der Intimität in all ihren erstaunlichen Facetten. Tantramasseurin und Kulturwissenschaftlerin Eva Hanson hatte die Idee zu „Sex, Death & Magic“. Auf ihrer Webseite behauptet sie von sich „Ich habe ständig Sex im Kopf -aber anders als du denkst“. Neben ihrer Arbeit als Tantramasseurin schreibt sie Bücher und Blogtexte und betreibt das Webportal „Sexuelle Kultur“.

Natürlich stellt sich dabei die Frage, wie frau dazu kam, ausgerechnet „Sex, Death & Magic“ in einem Veranstaltungskonzept zu verbinden, denn normal ist das ja nicht.

„Das sind ja drei Dinge, über die man selten in der Öffentlichkeit spricht, aber die dennoch unseren Alltag bestimmen, anders als zum Beispiel Kekse zu backen, Synchronschwimmen oder Trockenbau“, sagt Eva Hanson über ihre Idee. „Ich wollte einfach versuchen, ein Gespräch darüber in Gang zu bringen, was uns als Menschen wirklich wichtig ist. Wobei ich vielleicht noch erwähnen sollte, dass Magie hier nichts mit Harry Potter und Zauberstäben zu tun hat, sondern sich auf Begehren, Sinnlichkeit und jene magischen Momente des Lebens bezieht, die wir alle zwar kennen, aber uns nicht immer vollständig erklären können.“

Nur passend also, dass Eva Hanson in ihrem Vortrag darlegen wird, dass Sex angeblich schon mal interessanter war.

„Not giving a Fuck“

Doch bevor Eva Hanson das Publikum in ihrem Vortrag darüber informiert, was blutrünstige Göttinnen oder der „Keks des Lichts“ mit Sexualität und Magie zu tun haben, wird zunächst Beate Absalon aus ihrem aufsehenerregenden Sachbuch „Not giving a Fuck“ lesen.

Die Berliner Kulturwissenschaftlerin plädiert darin für Sex und Intimität ohne Leistungsdruck und findet überraschende Erklärungen, weshalb in deutschen Betten gerade eher Sexflaute herrscht. Zitat Beate Absalon: „Wir müssen nicht behaupten, dass Sex so lebensnotwendig sei wie Ernährung. Aber wir können sagen, dass er so lebensbereichernd sein kann wie kochen. Für manche jedenfalls. Andere tanzen lieber.“

Nach Beate Absalons überraschenden und amüsanten Einsichten in sexuelle Intimität, berichtet Deutschlands bekanntester Palliativmediziner Dr. Matthias Gockel seinen Auftritt im Schille Theater von berührenden und erstaunlichen Erlebnissen aus seinem Alltag als Palliativmediziner.

„Sex, Death & Magic“ am 27. März im Theaterhaus Schille. Grafik: Eva Hanson
„Sex, Death & Magic“ am 27. März im Theaterhaus Schille. Grafik: Eva Hanson

Palliativmediziner im Interview

Wir konnten im Vorfeld der Veranstaltung Dr. Matthias Gockel Fragen stellen.

Hallo Matthias, du bist Palliativmediziner, ich bin sicher, die meiste Leute haben irgendeine Vorstellung davon, was das ist. Aber die werden schwer unterschiedlich sein. Kannst du deinen Beruf in ein paar Sätzen erklären?

Es gibt zwar seit 2002 eine Definition der WHO, was Palliativmedizin ist. Aber stimmt, was jeder darunter versteht, innerhalb wie außerhalb der Medizin, ist sehr unterschiedlich. Als ich vor 25 Jahren in diesem Bereich angefangen habe, wurden wir oft erst in den letzten Lebenstagen oder Wochen dazu gerufen. Das schlug sich auch bis in die Regeln der Krankenversicherung nieder, bis vor wenigen Jahren dürfte die Palliativmedizin erst dazu kommen, wenn keine Behandlung der lebensbedrohlichen Grunderkrankungen stattfand, das hat sich zum Glück inzwischen geändert.

Wie ist das, wirst du schon mal ein bisschen distanziert von deinen Kolleg/-innen angeschaut? Halten die dich, scherzhaft formuliert, für einen Master of Death und wünschen sich einige vielleicht sogar, dass du in einem schwarzen statt weißen Arztkittel herumläufst?

Da findet sich eine große Bandbreite, von Kolleg/-innen, die nicht glauben, dass es dafür Spezialisten braucht, bis zu solchen, die uns für jedes Gespräch, das auch nur ansatzweise mit dem Lebensende zu tun hat, dabei haben wollen.

Ich glaube, es hilft in diesem Bereich, wenn man sich über seine eigenen Gefühle und Ängste mit dem Thema Tod und Sterblichkeit auseinandergesetzt hat, und das ist nicht automatisch durch die Entscheidung in die Medizin zu gehen bei jedem gegeben.

Wie wird man Palliativmediziner? War das ein Jugendtraum von dir?

Das ist bei uns in Deutschland sogar von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und hat sich über die letzten Jahre immer wieder geändert. Grundsätzlich braucht man eine Facharztbezeichnung in einem „patientennahen Bereich“, und Labormediziner/-innen haben es da also schwieriger. Bis vor paar Jahren musste man dann ein Jahr in einer spezialisierten Einrichtung, also zum Beispiel einer Palliativstation arbeiten und ausgebildet werden. Inzwischen reichen da zum Teil auch rein theoretische Kurse für die Qualifikation aus.

Ob das eine gute Entwicklung ist, darüber kann man sich sehr gut streiten. Bei mir persönlich war es so, dass ich gegen Ende des Studiums nicht sicher war, ob die Humanmedizin in der Form, wie ich sie im Krankenhaus kennengelernt hatte, das Richtige für mich ist, und ich stand kurz davor, das Studium abzubrechen und einen anderen Beruf zu finden.

Diese intensive Fokussierung auf den einzelnen kranken Menschen, die Arbeit im Team mit vielen verschiedenen Berufsgruppen, die sehr intensive und ehrliche Kommunikation und das Akzeptieren von Emotionen bei den Betroffenen wie den Behandlern haben mich sofort begeistert.

Existiert denn deiner Meinung nach überhaupt ein „guter Tod”? Was ist dafür wichtig? Ist denn Tod nicht so persönlich individuell wie die Vorlieben zum Beispiel beim Essen?

Ich glaube, die Frage, was ein „guter Tod“ ist, ist ebenso wie die Frage, was ein „gutes Leben“ ist, hochindividuell. Der Traum der einen kann der Albtraum des anderen sein. Von daher ist es vielleicht umgekehrt einfacher: Ein Tod mit Schmerzen, Luftnot, Angst und vielen unerledigten Dingen ist vermutlich eher kein guter.

Um diese körperlichen Symptome zu behandeln, was oft genug gut möglich ist, braucht es entsprechendes Fachwissen. Die Frage, wie für den einzelnen Menschen sein ganz persönlicher guter Tod aussieht, das lässt sich nur im gemeinsamen Gespräch klären, aber dafür braucht es Gesprächspartner, die keine Angst vor diesen Gesprächen haben und die richtigen Fragen stellen können.

***

Als ganz praktische Handreichung hat Dr. Matthias Gockel auch eine Patientenverfügung erstellt, die er kostenlos herausgibt und von der er sagt, dass sie sowohl rechtssicher wie arztsicher sei.

Nach den Vorträgen und Lesungen stehen Eva Hanson, Beate Absalon und Palliativmediziner Dr. Gockel dem Publikum Rede und Antwort.

„Sex, Death & Magic“, 27. März, 20 Uhr, Theaterhaus Schille, Otto Schill Straße 7.

Karten gibt es an der Abendkasse oder im Vorverkauf unter: https://www.tixforgigs.com/Event/62607

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