Nadine Maria Schmidt holt zum ganz großen Schlag aus. Ihr neues - mit ihrer Band Frühmorgens am Meer - erspieltes Album "Lieder aus Herbst" ist bei einem richtigen Label gesignt, die Lieder sind Perlen und ihre Stimme mittlerweile so einzigartig wie die ganze Frau höchstselber. Volly Tanner traf sie kurz vor der Record Release Show am Samstag im Plan b zum Austausch der Gedanken.

Hossa, Nadine Maria Schmidt. Es wird Zeit über das neue Album von Deiner Begleitcombo Frühmorgens am Meer und Dir – Lieder aus Herbst – zu sprechen. Ein wahrhaft dichtes, rundes Stück Musik. Das Album klingt wie eine Reise, weg aus der Großstadt. Wo kommt das alles her? Die ganze Kraft, die Schwermut, die Tiefe?

Oh danke Dir, lieber Volly. Das freut mich und die Band sehr! Knifflige Frage: Zum einen versuche ich keine modernen Worte wie Handy o.ä. zu benutzen. Ich kann Dir nicht sagen warum, aber solche Wörter gehen mir in den Texten, die ich schreibe einfach nicht über die Lippen. Bei anderen Künstlern stört mich das wiederum nicht. Ich kann es nur einfach nicht singen. Ich versuche alles so natürlich und zeitlos wie möglich zu halten. Ich mag das Bild einer bescheidenen Herbstwiese. Und ich denke daher kommt auch die Kraft. Die Kraft liegt in den Dingen, die uns alle angehen und die über unsere Zeit schon da waren und da sein werden.

Zum anderen versuche ich Texte offen zu lassen für die Geschichten und Erfahrungen der HörerInnen. So, hoffe ich zumindest, dass jeder die Texte mit seiner eigenen Tiefe erschließt, so weit er eben gehen mag. Tiefe wiederum denke ich entsteht durch erlebtes aber überlebtes Leid. Die einen schaffen es aus ihren Schicksalen herauszutreten, sich frei zu machen und zu erstarken und aufzublühen, die anderen zerbrechen daran oder verbittern gar. Schafft man es herauszutreten entsteht eine tiefe Dankbarkeit für jeden Tag ohne Leid. So werden “Kleinigkeiten” die großen Freuden des Alltags und Mitgefühl für alles was lebt eine Selbstverständlichkeit. Der Schwermut der Lebensgeschichten die mir begegnen und die Schönheit der Menschen in ihrer Befreiung davon ist eines meiner größten Themen. Was die Musik angeht, habe ich das riesige Glück mit wunderbaren Musikern arbeiten zu dürfen, die mit mir zusammen aus meinen “Gitarrenliederchen” richtige Stücke bis hin zum Großarrangement erarbeiten. Ich bin sehr dankbar für diese Menschen, ihr Einfühlungsvermögen und ihre Kreativität.

Am Samstag, den 20. September gibt es die Record Release im Plan b in ganz großer Besetzung. Wer macht denn an dem Abend alles mit?

Oh, das wird schön! Mit dabei ist die Stammbesetzung – Till Kratschmer am Flügel, Chris Turrak am Bass, Karl Blütchen am Schlagzeug und die Gastmusiker Ralf Bauer an der Posaune, Moritz Bümmer am Cello, Johannes Plank an Bansuri & Klangschale, Tanja Haberland & Susann Großmann an den Backvocals und Miriam Bohse am Glockenspiel & Gesang. An den Soundreglern steht Charles Mathieu von Roy de Rats. Sie haben neben André Gensicke auch das Album aufgenommen und zusammen mit Alexis Bouvier aus Frankreich für den tollen Sound gesorgt. Und an der Videokamera steht Philip Drangmeister & Team, die das einfühlsame Musikvideo zu “Und keiner hat’s gemerkt” gedreht haben. Christoph Schenker am Cello und Arne Assmann am Akkordeon, die beim Album ebenso charismatisch mitwirkten, können leider nicht kommen. Allen sei an dieser Stelle von Herzen gedankt! Es ist mir eine große Freude mit Euch allen!

Deine Stimme hat eine extreme Vielfalt zwischen Wucht und filigraner Emotionalität. Hast Du das irgendwo gelernt? So etwas geht doch nicht durch Training, da musst Du doch schon aufgrund der Gesundhaltung dieses Instruments ganz vorsichtig agieren – wie machst Du das?

Nein, ich habe das nicht gelernt. Ich bin Autodidaktin. Ebenso holprig war auch mein Weg zur Stimme. Aber ich versuche einfach nicht zu sehr auf meine Stimme zu achten. Manchmal kann zu viel Vorsicht die Stimme erst krank machen. Wenn jedoch wichtige Dinge anstehen wie Aufnahmen oder eben jetzt das Releasekonzert, dann treffe ich schon ein paar Vorsichtsmaßnahmen, die sich aber zumeist auf Hals warm halten sowie viel Tee und Wasser trinken beschränken. Und sollte meine Stimme irgendwann mal nicht mehr wollen oder können, dann ist es wohl an der Zeit sich eine neue Aufgabe zu suchen. Ich glaube man sollte nicht versuchen etwas festzuhalten, was nicht festzuhalten ist.

Das Album erscheint bei BSC MUSIC/Rough Trade. Die sind ja nun nicht unbedingt die Kleinsten im Genre. Wie kam es zur Zusammenarbeit?

Das kam damals über die Nominierung für den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Wir wurden BSC empfohlen und schon nach den ersten Telefonaten war klar, dass das nicht nur musikalisch, sondern auch auch menschlich super zusammenpasst. Die Zusammenarbeit macht große Freude und gibt Rückenwind.

Ich erfreue mich ja auch an der Vielfalt der Instrumente. Du begibst Dich da ja auch in spirituelle Gewässer. Gibt es da Überschneidungen in Dein Privatleben? Erzähl mal bitte.

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Ich kann jetzt nur mutmaßen: Du meinst wegen der Bansuri und der Klangschale auf dem Album? Das hat sich unspektakulärerweise einfach so ergeben. Die Lieder kommen wie sie möchten und ich lasse sie einfach. Wenn sie den Hauch einer anderen Kultur mit sich bringen, dann ist das nicht bewusst gewählt. Es ist einfach passiert. Ich bin zwar schon immer ein gläubiger Mensch, aber als spirituell würde ich mich selbst nicht bezeichnen. Ich verfolge auch keine bestimmte Glaubensrichtung, da ich der Meinung bin, dass alle das selbe meinen, wenn man es aufs Wesentliche herunterbricht. Aber jeder sollte so glauben wie es für ihn am besten ist, solange es keinem anderen Schaden zufügt. Ich glaube daran, dass wir irgendwann alle begreifen werden, dass es nur den einen Weg gibt, den Weg des Respekts und der Liebe jedem Lebewesen gegenüber.

Das Album hast Du über Crowdfunding im Vorfeld finanzieren können. Hebelt dieses System den Plattenmarkt aus oder ist das eher eine Alternative zum altgewohnten Verfahren: Scout sucht Band, Label bucht Band, Band macht Platten.

Als wir Anfang/Mitte 2011 versuchten, das erste Mal unser Album mit der Hilfe unserer Fans zu finanzieren, da stellte Vision Bakery auch gerade ihre ersten Projekte online. Damals haben die Leute noch fragend geschaut: Crowdfunding? Was ist das? Und heute ist es ja in aller Munde und die meisten wissen wie das funktioniert. So denke ich, dass es eine sehr gute Alternative ist, um autonom zu bleiben. Wer nimmt schon gern einen Kredit bei einer Bank auf oder macht sich abhängig von großen Labels, die im schlimmsten Falle musikalisches Mitspracherecht einfordern. Ob es das System aushebelt ist meiner Meinung nach unerheblich. Es ist eine spannende Entwicklung des Musikmarktes, die man einfach weiter beobachten muss.

Wir haben das ja nun zum zweiten Mal komplett über unsere Homepage initiiert, weil mir der Zeitdruck auf den gängigen Crowdfundingplattformen zu Schaffen macht und zugegeben hatte ich auch Angst, dass es nicht nochmal klappen könnte, aber es hat geklappt. Über 7.000 Euro haben unsere besten Fans der ganzen Welt zusammengetragen. Wahnsinn! Das Geld ist aber nur das eine. Es ist so wunderbar, wie viel emotionale Unterstützung durch Mails oder Anrufe zurückkommt oder Hilfsangebote aus verschiedensten Richtungen. Das könnte kein Label der Welt! Wir sagen von Herzen Danke an unsere großartigen Fans! Und zudem noch ein herzliches Dankeschön an unseren Neuen im Team: Roger Beleffi aus der Schweiz, der uns auch in Folgeprojekten unterstützte und auch langfristig unterstützen möchte. Ohne unsere Fans wäre das alles nicht möglich!

Danke, liebe Nadine Maria Schmidt.

Record Release Konzert im Plan b am 20. September, 20 Uhr.

www.plan-b-leipzig.de

www.fraumitgitarre.de

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