Während Riccardo Chailly das Gewandhausorchester lieber heute als morgen verlassen möchte, ist sein Vorgänger Herbert Blomstedt nach wie vor regelmäßig in Leipzig zu Gast. Am Donnerstag dirigierte der 88-Jährige die 2. Sinfonien von Beethoven und Sibelius.

An jenem Tag hätte Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) seinen 245. Geburtstag gefeiert. Keine Frage. An solch einem Jubiläum muss im Großen Concert ein Werk des Meisters auf dem Programm stehen. Das Programm war allerdings auch einem anderen Jubilar gewidmet. Jean Sibelius (1865 – 1957) wäre am 8. Dezember 150 Jahre alt geworden.

Blomstedt setzte aus diesem Anlass die zweiten Sinfonien der beiden Ausnahmekomponisten auf den Spielplan. Die Werke weisen gewisse Parallelen auf. Beethoven komponierte seine “Zweite” 1801/02 mitten in einer Lebensphase, in der er seine beginnende Ertaubung bemerkte. Sibelius’ 2. Sinfonie, die 100 Jahre später entstand, wird in Finnland mit dem Kampf des Landes um die Unabhängigkeit von Russland assoziiert.

Der Altkapellmeister bot dem konservativen Gewandhauspublikum am Pult eine formvollendete Darbietung. Blomstedts Leipziger Beethoven-Zyklus, der pünktlich zum 90. Geburtstag des Dirigenten in Gestalt einer Gesamteinspielung aller neun Sinfonien den Weg auf CD finden soll, idealisiert das harmonische Klangbild der Wiener Klassik.

Dirigent Herbert Blomstedt. Foto: Alexander Böhm
Dirigent Herbert Blomstedt. Foto: Alexander Böhm

Blomstedt wagt null Experimente. Für eine revolutionäre, neue Beethoven-Deutung ist der Schwede wohl nicht mehr zu begeistern. Ab dem ersten Satz umgarnt der dunkelromantische Streicherklang die Zuhörer. Klingt gut, ist gut. Blomstedt verzichtet auf jede Effekthascherei. Die zündenden Paukenschläge und sich laut aufbäumende Streicher-Tutti im Scherzo sind in dieser Hinsicht das Höchste der Gefühle. Das Publikum ist begeistert und spendet frenetischen Applaus.

Sibelius’ “Zweite” gerät in den Händen Blomstedts zu einem epischen Hörgenuss. Der Altstar formt aus den schicksalhaften Melodien ein sakrales Meisterwerk, dem man gerne eine Dreiviertelstunde lang lauscht. Auch bei diesem Werk verzichtet Blomstedt auf waghalsige Neudeutungen, sondern liefert seinen Fans die Harmonien, die sie hören wollen. Die Zuhörer danken es ihm mit tosenden Beifallsstürmen. In eineinhalb Wochen wird der Altkapellmeister erneut am Pult des Gewandhausorchesters stehen. Ihm kommt in diesem Jahr die Ehre zuteil, zum Jahresausklang Beethovens “Neunte” zu dirigieren.

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