Als Richterin Ines Walther am Mittwoch das Urteil verkündete, trug Mike K. seinen Fremdenhass plakativ zur Schau. Zur Feier des Tages hatte sich der Skinhead ein T-Shirt der Neonazi-Band "Skrewdriver" angezogen. Weil er am 16. Juni 2011 in der Straßenbahn einen Migranten beleidigte und niederschlug, soll er ein halbes Jahr hinter Gitter.

Ersen B. (24) war auf dem Weg zu einer Freundin, als ihn zwei Leipziger gegen 22:15 Uhr am Friedrich-List-Platz grundlos angriffen. Zunächst beschimpfte ihn Mike K. als “Taliban”. Dann zog er über die Familie seines Opfers her. Der Holzebearbeiter konnte den angetrunkenen Glatzkopf nicht verstehen. Er leidet an einer Hörbehinderung. “Die Beleidigungen habe ich ihm von den Lippen abgelesen”, berichtete er dem Gericht. Als B. die Bahn nicht verlassen wollte, schlug der Neonazi zu.
Für die Justiz ist K. ein Altbekannter. Schon neun Mal beschäftigten sich Staatsanwälte und Richter mit dem Skinhead. Häufig wegen Gewaltdelikten. Eine Jugendstrafe hat er bereits verbüßt. Zur Tatzeit stand er unter laufender Bewährung. Sein aggressives Verhalten sei “vergangenheitsbedingt”, versuchte er sich am Mittwoch zu erklären. Sein Stiefvater habe seine Mutter und ihn häufig geschlagen. “Irgendwann muss man mal erwachsen werden”, entgegnete Walther. Davon scheint K. weit entfernt. Nach seinem Hauptschulabschluss absolvierter er Ausbildungen zum Holzbaufacharbeiter und, in der Haft, zum Teilezurichter. Seit seiner Entlassung im Dezember 2010 sucht er Arbeit. Bislang erfolglos.

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“Sie haben die Probleme, die Sie in Ihrem Leben haben, noch nicht gelöst”, resümierte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und beantragte 9 Monate Haft. Verteidiger Thomas Großmann forderte dagegen 5 Monate auf Bewährung. Bei seinem Mandanten habe “ein gewisses Umdenken” eingesetzt. So plane er den Besuch eines Anti-Gewalt-Kurses. Richterin Walther suchte den Mittelweg: 6 Monate Haft. Mike K. sei schon vielfach wegen Gewaltdelikten vorbestraft. “Sie haben die Chance der Bewährung nicht genutzt”, begründete sie dem Angeklagten ihre Entscheidung. Das Verfahren gegen einen Mitangeklagten wurde eingestellt. Er wird sich demnächst wegen Eigentumsdelikten verantworten müssen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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