Seit Dienstag müssen sich elf Männer zwischen 19 und 25 Jahren vor dem Leipziger Landgericht verantworten. Sie sollen am 23. Mai 2009 am Rande des Tauchaer Stadtfestes gegen 0:05 Uhr einen Libanesen gejagt und misshandelt haben. Als zwei Polizisten dem Geschädigten zu Hilfe eilten, ließen die jungen Männer, teils unter wüsten Beschimpfungen, ihren Ärger an den Beamten und deren Einsatzfahrzeug ab. Die traurige Bilanz: Zwei Verletzte und rund 2.000 Euro Sachschaden.

Weil das Opfer seine Peiniger noch am Tatort identifizieren konnte, scheint der Fall klar. Das Amtsgericht verurteilte die Angreifer zu Haftstrafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren und einem Monat. Bei sieben Tätern setzten die Richter die Strafen zur Bewährung aus. Außerdem sollten sie Hussein A. (26) rund 1.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Die Angreifer dachten aber nicht im Geringsten daran, Wiedergutmachung zu leisten. Sie legten Berufung ein. Wenngleich der Angriff schon über drei Jahre zurückliegt, wartet der Betroffene noch immer auf eine angemessene Entschädigung. “Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist bisher nicht erfolgt”, bestätigt seine Anwältin Sabine Seidler.
Der Gang vor’s Landgericht glich für die Beschuldigten am Vormittag einer Spaßpartie. Während ihre Verteidiger über zwei Stunden mit Gericht und Staatsanwalt um ihre Zukunft rangen, spielten die Heranwachsenden wie kleine Kinder mit ihren Smartphones, rissen Witze und spielten mit den Saalmikros. Augenscheinlich war ihnen der Ernst der Lage ebenso entgangen wie die Tragweite ihrer Tat. Ein Polizist litt nach dem Vorfall an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Von Empathie bei den Angeklagten keine Spur.

Nach Unterredung mit ihren Verteidigern gestanden immerhin neun von elf Angeklagten ihre Schuld ein. Einer zog seine Berufung ganz zurück. Acht reduzierten das Rechtsmittel auf das Strafmaß. Attila R. (19) beteuerte dagegen seine Unschuld. “Herr R. hat Herrn A. weder geschlagen noch verfolgt”, erklärte Rechtsanwalt Malte Heise. “Es gibt nach Aktenlage überhaupt keinen Hinweis darauf, dass Herr R. gegen die Polizeibeamten oder das Fahrzeug gehandelt hat.” Auf Nachfrage von Richter Norbert Göbel gab der Tauchaer an, er sei festgenommen worden, als er sich von seinen Freunden verabschieden wollte.

Das Motiv der Angreifer liegt noch im Dunkeln. Nach dem Vorfall war in diversen Medien von rassistischen Beleidigungen die Rede. Attila R. ließ leise anklingen, dass seine Clique bereits auf dem Stadtfest Stress mit Migranten gehabt habe. Zufall oder nicht: Ein Angeklagter trug eine Hose der Marke “Thor Steinar”. Das Label erfreut sich unter Neonazis großer Beliebtheit. Der Prozess wird fortgesetzt.

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