Chemie-Fans gerieten nach eigenen Angaben am Samstag unfreiwillig ins Visier der Polizei. 150 Anhänger waren ihrer Mannschaft zum Testspiel gegen die U23 von Erzgebirge Aue hinterher gereist. Auf dem Rückweg gerieten sie in Markkleeberg mit den Ordnungshütern aneinander. Der Einsatz gibt Rätsel auf.

Der Verein bestreitet in einer Pressemitteilung, dass seine Fans in Aue unangenehm aufgefallen wären. Die Fahrt sei ebenso wie der Fußweg vom Bahnhof Aue zum Erzgebirgsstadion, ohne die Begleitung durch Polizeibeamte absolviert worden. Das Spiel selbst verlief ohne besondere Vorkommnisse: Die Fans verfolgten friedlich die 0:3-Schlappe gegen technisch überlegene Auer. Nach dem Abpfiff wurden die Fans von Polizisten auf dem Weg zum Bahnhof und im Zug auf der Strecke von Aue nach Zwickau begleitet.

Dort stieg eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) zu. Die Spezialkräfte gelten gemeinhin als Jungs für’s Grobe. Man trifft sie bei Demos, Fußball-Krawallen oder besonders gefährlichen Festnahmen. Die Chemiker durften jetzt ihre Sitzplätze nicht mehr selbst wählen. Die Ordnungshüter gaben den Ton an. Als die BSG-Freunde den Zug in Markkleeberg verlassen wollten, setzte die Sondereinheit zur Blutgrätsche an. Wäre schließlich abnormal, dass plötzlich Fans, die teils als gewaltbereit gelten, entscheiden könnten, wo sie eine Regionalbahn verlassen. “Das war ein regulärer Haltepunkt”, betont Vereinssprecher Remo Hoffmann.

In der nun aufkommenden Panik verlor manch Chemiker offenbar die Nerven. Einer griff zur Notbremse, andere entfernten ein Notausstiegsfenster. An den Türen lieferten sich Beamte und Grün-Weiße Schubsereien. Begründung der laut BSG etwas überzogen agierenden Polizisten: Fehlende Fahrausweise und andere Straftaten, die jedoch nicht näher bezeichnet wurden. Dabei hatten die Chemiker vor der Hinfahrt Gruppentickets gelöst. Dass die Sicherheitskräfte die angeblich begangenen Straftaten den Fans nicht nannten, wundert zudem. “Unseren Fans war der Sinn und Zweck dieser Maßnahme nicht erklärt worden”, resümiert Hoffmann, der vor Ort nicht zugegen war und sich somit auf Angaben seiner Vereinsmitglieder berufen muss.

Haben die Beamten mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Oder sollte penibel erfasst werden, wer alles zum harten Kern der Chemie-Szene gehört? Was nach dem kurzen bis hier Beschriebenen passiert ist, spräche dafür. Die Polizisten setzten die Fußballfans am Bahnhof fest, fesselten sie mit Kabelbindern und nahmen von allen die Personalien auf. Eineinhalb Stunden durften die Chemiker bei Minusgraden ausharren, bis ihnen schließlich Platzverweise erteilt wurden.

Die Bundespolizei, die für den Schutz des Schienenverkehrs zuständig ist, hält sich auf Nachfrage bedeckt. “Nach ersten vorliegenden Informationen kann ich Ihnen mitteilen, dass sich die Ereignisse teilweise anders, als in der Pressemitteilung der BSG Chemie Leipzig dargestellt, ereignet haben”, teilt Pressesprecher Sascha Reichelt mit. “Ich kann versichern, dass wir an einer lückenlosen Aufklärung der Ereignisse interessiert sind.”

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