Am Dienstag, 18. März, stellte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Kriminalitätsstatistik für 2013 vor. Und fast hätte man den Eindruck bekommen können, alles sei Paletti im Land der unerbittlichen Polizeireform. "Verbesserungen im Bereich Kfz-Diebstahl und bei Wohnungseinbrüchen machen Mut", sagte Ulbig. "Diese Entwicklung verdanken wir unseren Polizeibeamtinnen und -beamten, die tagtäglich gute Arbeit leisten."

Aber von welchem Mut spricht er da? Die Zahl der von der Polizei registrierten Fälle hat sich nicht verringert. Im Gegenteil. Sie ist sogar leicht gestiegen – von 312.406 im Vorjahr auf 312.500 Fälle. Und das in einem Bundesland, das eigentlich schrumpft. Sollte da nicht auch die Kriminalitätsfallzahl sinken? – Tut sie nicht.

Entsprechend widersprüchlich waren dann folglich auch die Interpretationen der Politik.

Den Ton seines Ministers nahm Christian Hartmann, amtierender Vorsitzender des Arbeitskreises Innenpolitik der CDU-Landtagsfraktion, auf: “Die Zahl der Delikte bewegt sich insgesamt betrachtet auf dem Niveau der Vorjahre. Der Freistaat Sachsen ist damit weiterhin ein sicheres Bundesland. Das ist der sehr guten Arbeit der sächsischen Polizeibeamten zu verdanken. Es ist erfreulich, dass die identifizierten Kriminalitätsschwerpunkte der Vorjahres-Statistik rückläufig sind: Das sind insbesondere die Kraftwagen-Diebstähle in Sachsens Großstädten sowie die Zahl der Wohnungseinbrüche.”

Auch er schreibt, wie Ulbig, die gestiegene Fallzahl in der Beschaffungskriminalität der gestiegenen Rauschgiftkriminalität zu. Ein scheinbar logischer Schluss. Hartmann: “Die leicht rückläufige Aufklärungsquote begründet sich aus der angestiegenen Beschaffungskriminalität wie Fahrraddiebstählen und Kellereinbrüche, die naturgemäß seltener aufgeklärt werden können. Nichtsdestotrotz werden wir als CDU-Landtagsfraktion unser Bemühen um die Kriminalitätsbekämpfung und die Innere Sicherheit im Freistaat weiter fortführen. Dazu gehört auch die Evaluation der Reform ?Polizei.Sachsen.2020? sowie die verstärkte Einstellung von Spezialisten wie IT-Experten zur Bekämpfung der Internetkriminalität.”

Das klingt nicht gut. Man will also weitermachen mit einer Kürzung des Polizeibestandes, obwohl man nicht einmal evaluiert hat, inwieweit sich das überhaupt auf die Kriminalitätszahlen auswirkt.

Das kritisiert auch Sabine Friedel, innen- und rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag: “Besonders zwei Entwicklungen stimmen uns bedenklich. Zum einen die fortwährend hohe Zahl von Einbrüchen, insbesondere in Keller und Dachböden.”

Sie sagt nicht einfach, das seien dann wohl die Drogenabhängigen. Sie sieht einen anderen Grund für die steigenden Fallzahlen: “Einbruchsstraftaten werden vor allem dann verübt, wenn die Gefahr der Entdeckung sehr gering ist. Je länger der Stellenabbau der Polizei vorangetrieben wird, desto weniger wird sich in diesem Bereich etwas ändern. Denn uns fehlt eindeutig die Präsenz der Polizei auf der Straße.”

Und sie hinterfragt auch, ob die Polizei die richtige Organisation ist, die Rauschgiftkriminalität in den Griff zu bekommen: “Zum anderen ist die Rauschgiftkriminalität, vor allem in Bezug auf Crystal, erneut gestiegen und in Dresden nahezu explodiert. Nach wie vor muss sich Sachsen fragen: Was läuft in unserer Politik schief, dass wir den Drogenkonsum nicht eindämmen können? Unterfinanzierte Beratungs- und Hilfestrukturen sind hier ein wesentlicher Punkt. Sachsen braucht eine bessere Drogen- und Suchtberatung, damit auf diesem Gebiet mehr Prävention betrieben werden kann.”

Seit 2009 ist die Zahl der registrierten Rauschgiftdelikte von 6.123 auf 9.408 angestiegen. Ein Anstieg, der zu einem großen Teil auf den Anstieg der Fälle mit Amphetamin und Metamphetamin zurückzuführen ist. Was aber die Polizeistatistik nicht aussagt, ob der Rauschgiftkonsum in Sachsen tatsächlich angestiegen ist, oder ob die Fallzahlen vor allem auf erhöhten Fahndungsdruck der Polizei zurückgehen. Zu Beispiel in Dresden. Aber auch aus Leipzig kennt man das ja. Wenn sich der Ermittlungsdruck aber auf bestimmte Kriminalitätsfelder konzentriert, kommt es zwangsläufig zu einem deutlichen Anstieg der angezeigten Fälle. Und so steht es auch im Handout des Innenministeriums: “Rauschgiftkriminalität ist ein Kontrolldelikt. Der Anstieg zeigt die intensive polizeiliche Arbeit.”

Der Fahndungsdruck sorgt aber auch dafür, dass die Ware knapp und teurer wird. Die Süchtigen müssen also mehr Geld ranschaffen, um ihre Suchtmittel zu finanzieren. Das könnte den deutlichen Anstieg bei einigen Diebstahlsarten erklären. Das Innenministerium dazu: “Der Anstieg von Einbrüchen in Keller- und Bodenräume hängt nach kriminalistischer Erfahrung auch mit der gestiegenen Rauschgiftkriminalität zusammen und ist als Beschaffungskriminalität zu sehen.”

Während Diebstähle aus besser gesicherten Räumen (Wohnungen, Büros, Werkstätten, Autos) 2013 leicht zurückgingen, legten die Diebstähle insgesamt deutlich zu – von 131.939 auf 137.382 angezeigte Fälle, ein Plus von 4,1 Prozent. Besonders stark stiegen die Diebstahlszahlen aus Boden- und Kellerräumen – von 15.174 auf 19.231, ein Plus von 26,7 Prozent. Taschendiebstähle legten um 13,8 Prozent zu, Ladendiebstähle um 5,4 Prozent und Fahrraddiebstähle um 2,6 Prozent. Das muss nicht nur auf drogenabhängige Täter deuten, das kann auch auf schlichte Armut hindeuten.

“Die Zahlen zeigen, dass wir Verbesserungen für die Menschen im Land erreichen können. Das Thema Innere Sicherheit ist weiterhin Schwerpunkt der Regierungsarbeit”, meint Markus Ulbig. Aber das zeigen die Zahlen eben nicht. Selbst bei den rückläufigen Zahlen bei Diebstählen aus Wohnungen, Autos, Büros hatte er ja nicht die bessere Arbeit der Polizei als Ursache benannt, sondern die verstärkte Investition der Bürger in Sicherheitstechnik. Der Bürger selbst muss mehr in Sicherheit investieren. Das ist kein Lorbeer für die sächsische Sicherheitspolitik.

Das Innenministerium selbst zu diesem Rückgang: “Als Gründe dafür können stärkere Investitionen in Sicherheitstechnik und eine erfolgreiche Prävention gesehen werden. Wohnungen sind besser gesichert, sodass Täter vermehrt auf weniger gesicherte Objekte – wie beispielsweise Keller – ausweichen.”

Innenminister Markus Ulbig: “Es ist gut, dass die Menschen stärker in den Schutz ihres Eigentums investieren. Daher setze ich mich dafür ein, wohnungspolitische Förderinstrumente auch nach Sicherheitsaspekten zu steuern. Der Eigenschutz von Wohnungen, Häusern und Gebäuden ist zwingend notwendig.”

Der Aspekt Sicherheit wird in Sachsen also immer mehr in den Privatbereich verschoben. Das senkt dann zwar die Zahl der Einbrüche, die Zahl der Diebstähle aber steigt weiter an. Es kommt zu Verschiebungen in der Statistik, aber nicht zu einer Senkung der Fallzahlen.

Das Handout des Innenministeriums als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar