Vier junge Leute, die es an normalen Wochenenden in Leipzigs Multiplex-Kinos oder Großraumdiskotheken zieht. Zwei Männer. Zwei Frauen. Am 29. August trifft das Quartett einen gefährlichen Entschluss. Sie wollen dem Ex-Freund von einem der Mädels ein Handy stehlen. Oder nach Darstellung der Angeklagten: Das Telefon der angeblichen Eigentümerin wiederbeschaffen. Die Tat fällt brutaler aus als geplant. Vor dem Landgericht belasten sich die Angeklagten am 8. September dann gegenseitig.

Juliane T. (27) spricht am Montag nur in ganz leisen Tonlagen. Dabei war sie die Rädelsführerin hinter einem perfiden Plan. Ihr Ex-Freund Dirk N., so erzählte sie die Story ihrer Freundin Jaqueline G. (17), sei noch im Besitz eines Luxus-Handys, welches sie käuflich erworben habe. Um wieder in den Besitz des Telefons zu gelangen, solle die Jugendliche den Endzwanziger in seiner Leipziger Wohnung verführen. Während die beiden ein Schäferstündchen abhalten, könne die (angeblich) Bestohlene das Gerät stehlen.

Die Drahtzieherin weiß offenbar, wie man Menschen manipuliert. Ihrem damaligen Freund Benjamin E. (21) tischte sie die Geschichte auf, Dirk N. habe sie einmal mehrere Tage im Badezimmer eingesperrt. Vor Gericht ist Juliane T. sichtlich um Fassung bemüht. Man merkt ihr den Kontrollverlust sichtlich an. “Es ist richtig, dass wir da waren”, stammelt sie kaum hörbar ins Tisch-Mikro. Dann muss Richter Michael Dahms für zehn Minuten unterbrechen. Juliane T. flüchtet aus dem Saal.

Nach der kurzen Pause schaltet die Angeklagte um in den Abwehrmodus. “Was da oben passiert ist, wusste ich nicht.” Aber von vorn. Sicher scheint, dass Juliane, Jacqueline und Benjamin abends in Jacquelines Wohnung in Großdeuben eine Familienpizza verspeist haben. Zusammen entschied das Trio, Dirk N. aufzusuchen. “Frau T. und ich haben beschlossen, dass wir ihm einen netten Abend machen”, sagt Jaqueline. Die Teenagerin ist bereits Mutter, trägt große Tunnel in beiden Ohren und hat ihre schwarzen Haare zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammen gebunden.
Den Fahrdienst übernahm mit Christian H. (33) ein weiterer früherer Lebensgefährtin von Juliane. Hätte der Norddeutsche, der in Karo-Hemd und Basecap vor Gericht erscheint, dass ihm dieser Fahrdienst für einige Zeit in Untersuchungshaft bringen würde, hätte er das Trio vermutlich nicht in seinen Pkw gelassen. “Juliane hat sich Geld leihen wollen (von Dirk/Anm. Red.), weil ihr Hartz IV aus war”, gibt er in Bremer Dialekt zu Protokoll. Die Angesprochene schüttelt verlegen mit dem Kopf.

“Der Plan kam von Frau T. und sollte ein Racheakt sein”, erklärt Benjamin. Der Rettungssanitäter mit eher kindlichen Gesichtszügen, Kurzhaarschnitt und Glitzerohrringen sitzt am allertiefsten in der Patsche.

Zunächst gingen Jaqueline und Juliane zu Dirk in die Wohnung. Die beiden Männer warten draußen. Drinnen machte “Jule” auf gut Freund und ihren Ex mit der Freundin bekannt. Irgendwann leiht sie sich, so sagt es Jaqueline aus, deren Handy und beginnt zu Chatten. Die Nachrichten gingen an Benjamin. Gegen Mitternacht fällt der jungen Frau ein, mit Dirks Hund Gassi gehen zu wollen. Sie gibt Jaqueline das Telefon zurück. Die letzte Message ist nicht gelöscht. “In fünfzehn Minuten geht’s los.” steht da zu lesen.

Etwa zehn Minuten später stürmt Benjamin die Wohnung. Den Schlüssel hat er von Juliane erhalten. Hier driften die Aussagen auseinander. Benjamin berichtet, er habe Dirk mit einer weißen Eisenstange, die er im Hof gefunden habe, auf den Kopf geschlagen. In der Folge habe Christian, der ihm gefolgt sei, mehrfach auf das Opfer mit einem Staubsaugerrohr eingedroschen. Christian sagt allerdings aus, er habe sich lediglich auf Dirk geworfen, um ihn vor Benjamin zu schützen. Die Details muss das Gericht klären. Fest steht hingegen der Schaden des Opfers – dem Angegriffenen wurden bei den Attacken Unterkiefer und ein Lendenwirbel gebrochen.
Jaqueline möchte nun völlig überrascht die Wohnung verlassen haben. Draußen trifft sie ihre Freundin. Die reagiert geschockt. “So wollte ich das doch gar nicht.” Da ist er wieder, der Kontrollverlust. Mindestens einer der Männer erbeutete das gesuchte Handy, außerdem einen Laptop und eine Geldbörse. Auf dem Heimweg legte das Quartett einen Tankstopp ein. Bezahlt wurde mit Dirks Geld. Die blutverschmierten Klamotten der Jungs landeten in Jaquelines Waschmaschine.

Dass sich die jungen Leute jetzt gegenseitig belasten, kommt nicht von ungefähr. Benjamin feierte drei Monate vor der Tat seinen 21. Geburtstag. Bedeutet: Trotz jugendtypischer Tat wird bei ihm Erwachsenenstrafrecht angewendet. Das sieht mindestens fünf Jahre Haft vor. Jaqueline hofft dagegen auf eine milde Jugendstrafe, ist deswegen besonders redselig. Anführerin Juliane und Mittäter Christian spekulieren dagegen auf Bewährungsstrafen. Wie es scheint, wären beide bereit, für die persönliche Freiheit einen guten Freund in die Pfanne zu hauen.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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