Der Schuss ging nach hinten los. Pierre P. (42) räumte gleich zu Beginn seiner Berufungsverhandlung die Körperverletzung ein, wegen der ihn das Amtsgericht zu 700 Euro Geldstrafe verurteilt hatte. Der Erwerbslose hatte zwei Nachbarn angegriffen, die sich über zu laute Musik in seiner Wohnung beschwert haben sollen. Das Landgericht bestätigte daraufhin das erstinstanzliche Urteil.

Pierre P. hörte am 30. November in den eigenen vier Wänden zu später Stunde laute Musik. Deshalb bekam der Leipziger in dieser Nacht Besuch von der Haus-Security. Ein Mitarbeiter machte ihn auf die Ruhestörung aufmerksam. Der unerwünschte Besuch beschäftigte ihn noch bis zum nächsten Tag. Nachdem er innerhalb von vier Stunden zehn Bier getrunken hatte, ging er vor die Tür.

Beim Spaziergang erblickte er seinen Nachbarn Moris I. (36) in einer Bäckerei. Der Ruhestörer stürmte sofort in den Laden. Ohne Umschweife schubste er sein Opfer auf die Glastheke und beschuldigte den Mann lautstark, ihn an die Security verpfiffen zu haben. “Ich wollte ihn zur Rechenschaft ziehen”, sagte Pierre P. am Donnerstag. Moris I.’s Lebensgefährtin Susanne E. (29) wollte die Polizei alarmieren. Die Frau erlitt eine Jochbeinprellung, als der Randalierer ihr das Handy aus der Hand schlagen wollte.

Zu Beginn der Berufungsverhandlung stellte sich der Angeklagte als Opfer einer überzogenen Strafverfolgung dar. “Da müsste ja jeden Tag einer wegen Rempelei vor Gericht stehen.” Den in seiner Wahrnehmung “nur” kleinen Zwischenfall räumte er in ausschweifenden Worten ein. “Ich gebe alles zu.” Die Vorsitzende Gabriele Plewnia-Schmidt wies ihn auf die belastende Aussage hin. “Im Grunde genommen, hat er das zugegeben, was er vor dem Amtsgericht bestritten hat.”

Die Befragung der Geschädigten wollte Strafverteidiger Rainer Nittmann sich dann aber nicht entgehen lassen. “Das war ich nicht”, distanzierte sich Moris I. von dem Vorwurf und verwies auf andere Hausbewohner. Der wütende Angeklagte habe damals nach dem ersten Stoß nicht von ihm abgelassen. “Dann ist er ein zweites Mal gekommen.” Susanne E. schilderte den Vorfall eher distanziert und wollte ihrem Nachbarn keine ernsten Verletzungsabsichten unterstellen. Eine Bäckerei-Angestellte bestätigte die Aussagen des Paares. Trotz erdrückender Beweislast beantragte Verteidiger Rainer Nittmann einen Freispruch. “Das Verletzungsbild ist widersprüchlich.”

“Ich bin erstaunt über den Antrag”, erwiderte Staatsanwalt Christoph Sprinz. “Das ist eine vorsätzliche Körperverletzung.” Die Kammer folgte der Einschätzung der Staatsanwaltschaft und verwarf die Berufung. “Wir sind überzeugt, dass sie die Körperverletzungen begangen haben”, so Plewnia-Schmidt. Pierre P. ist damit zu 70 Tagessätzen über je 10 Euro verurteilt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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