Im zweiten Verhandlungstermin am Freitag vor dem Landgericht sagten zwei Polizeibeamte aus, die Jörg T. (42) in der Nacht des 8. Juni 2014 stellten. Einer von ihnen schoss den Angeklagten damals nieder. T. ist psychisch krank. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm zweifachen versuchten Totschlag mit einem Messer vor, geht aber von einer Schuldunfähigkeit aufgrund seiner Erkrankung aus.

„Man hat immer im Hinterkopf“, grübelt der Polizeibeamte Markus H. (33) am Freitag im Zeugenstand des Landgerichts über sich selbst, „habe ich alles getan.“ Er war einer der Beamten, die auf Jörg T. gegen 03:30 Uhr am 8. Juni 2014 in Lindenau geschossen haben.

T. hatte zuvor auf einer Party im Westwerk wegen einer Brille einen Streit mit Gästen angefangen. Türsteher mussten dazwischengehen, weil er gegenüber mehreren Personen tätlich wurde. Er verletzte mit einem Messer Sicherheitskräfte der Veranstaltung. Die Polizei wurde gerufen und brachte ihn mit mehreren Schüssen zu Boden, weil er Beamte ebenfalls angegriffen hatte.

Zusammen mit Jens M. (50) wurde Markus H. an diesem Abend von Passanten zu sich gewunken, nachdem sie einen Funkspruch über einen mit einem Messer bewaffneten Mann bekommen hatten. „Da drüben steht er. Vorsicht, er hat ein Messer“, bekamen die Polizisten damals zu hören.

Zu zweit versuchten sie ihn dazu zu bringen, das Messer abzulegen. „Es gab keinerlei Reaktion“, erinnert sich der 50-Jährige an die vielen Ansprachen. Der Angeklagte bewegte sich dabei immer weiter. „Er kam mit einer Stich- und Schnittbewegung auf mich zu“, beschrieb er das Verhalten beim Versuch, sich dem Messerträger zu nähern.

Die Beamten überlegten, wie man ihn stoppen könnte. Verstärkung stand in den ersten Minuten des Einsatzes nicht zur Verfügung. Sie setzten Pfefferspray ein. Wieder keine Reaktion. Selbst nachdem ein zweiter Kanister auf Jörg T. vollständig versprüht wurde. Nach einiger Zeit stießen zwei weitere Beamte hinzu, aber auch zu viert konnten sie ihn nicht entwaffnen.

„Es war für uns jedes Mal eine lebensgefährliche Situation“, schätze Jens M. die Entwaffnungsversuche ein. Erschwerend kam noch hinzu, dass verhältnismäßig viele Passanten aufgrund des warmen Wetters unterwegs waren. „Es war unsere Pflicht, Unbeteiligte zu schützen“, verlieh sein Kollege Markus H. seinen Befürchtungen Ausdruck, dass der Tatverdächtige weitere Menschen angreifen würde.

„Wenn sie nicht stehen bleiben, werde ich schießen“, forderte H. Jörg abermals auf, weil die Beamten alle verfügbaren Mittel ausgeschöpft hatten. Dieses Mal gab es eine Reaktion. Er lief mit dem Messer voran auf ihn zu . „Wir haben die ganze Zeit versucht, mit ihm zu kommunizieren“, beteuerte der 33-jährige Beamte.

Er zog die Pistole. Seine Kollegen ebenfalls. Abermals eine Warnung und keine Reaktion. Es folgte ein Schuss in den Arm. „Er hat kurz gezuckt“, konnte sich H. noch grob erinnern. Jörg T. lief dennoch weiter. Weitere Schüsse folgten. Insgesamt vier Stück trafen ihn in die rechte Körperseite. Danach brach er zusammen und die Beamten riefen den Rettungsdienst.

„Es ist schwer zu rekapitulieren“, führte Markus H. zu seinen Gefühlen während der Aussage aus. Noch in der Nacht wurde er sofort vom Einsatz entbunden und war drei Wochen lang krankgeschrieben. Ermittlungen wurden durch die Staatsanwaltschaft routinemäßig eingeleitet und eingestellt. „Es setzt mich psychisch stark unter Druck.“

Noch bis Mitte Juli soll der Prozess weiter verhandelt werden. Für Jörg T. geht es weniger um eine Haftstrafe aufgrund der Schuldunfähigkeit sondern um die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.

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