Warum musste Farhad S. (30) sterben? Seit fast einem Jahr verhandelt die 3. Strafkammer des Leipziger Landgerichts den gewaltsamen Tod des afghanischen Dolmetschers in einem Verfahren, das bisher mit juristischen Eklats und Überraschungen nicht geizt. Am Dienstag brach nun die jüngste der drei Angeklagten (17) als zweite ihr Schweigen.

In tadellosem Deutsch trug Santa A. (17) am Dienstag persönlich ihre 60-seitige Einlassung vor. Wie berichtet, muss sich das Mädchen seit August 2016 gemeinsam mit seiner Mutter Entessar A. (39) und seinem Freund Mohammad A. (22) verantworten, weil das aus Syrien stammende Trio den afghanischen Dolmetscher Farhad S. Ende November 2015 gezielt in eine Falle gelockt und ermordet haben soll. Anschließend habe man gemeinsam das Konto des Opfers geplündert, dessen Audi verkauft und sich am Eigentum von Farhad S. bereichert.

Mohammad A. Foto: Martin Schöler
Mohammad A. Foto: Martin Schöler

Santa A. holte weit aus, begann mit der Flucht der Familie aus Syrien im April 2012 und der  Odyssee Richtung Europa, die nach Umwegen über Holland, wo es zur Trennung der Eltern kam, 2013 in einem Chemnitzer Asylbewerberheim endete. Dort sei sie auch erstmals in Kontakt mit Farhad S. gekommen. Der für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge tätige Mann habe die damals 14-Jährige wiederholt bedrängt, sie schließlich vergewaltigt, schilderte die Teenagerin.

Dennoch sei es zu wiederholten Treffen gekommen, einem regelrechten Auf und Ab an Ausfällen und Entschuldigungen des wesentlich älteren Afghanen gegenüber dem jungen Mädchen. Manchmal habe er sich von einer liebevollen Seite gezeigt, sie dann aber auch misshandelt, eingesperrt, kontrolliert und ihr vermittelt, sie habe seine Weisungen zu befolgen: „Er sagte, ich bin eine Frau und es ist meine Pflicht, mit ihm zu schlafen.“ Einmal habe er ihr gezielt mit einer Rasierklinge in den nackten Fuß geschnitten. Irgendwann will Santa A. durch das Handy ihres Peinigers von dessen anderen Frauengeschichten erfahren haben.

Ende November 2015 sei schließlich ein Streit zwischen Farhad S. und Mohammad A., den die Mutter von Santa kennengelernt hatte, in der gemeinsamen Leipziger Wohnung von Mutter und Tochter eskaliert. Schon vorher habe Mohammad A. bezüglich Farhad S. geäußert, der Afghane habe es nicht verdient zu leben. Sie habe diese Äußerung nicht ernst genommen, beteuerte Santa A. in ihrer Erklärung.

Mohammad A. habe Farhad S. in einem Nebenzimmer ermordet. „Mohammad stand vor der Tür, voller Blut.“ Die Leiche sei anschließend in einer schon ausgehobenen Grube im Wald verscharrt worden. Die Familie des Opfers, die nach ihrem verschwundenen Angehörigen fragte, habe sie in der Folgezeit belogen. „Ich wollte nicht, dass er stirbt. Ich möchte mich bei der Familie entschuldigen.“

Auch Entessar A. ließ ihre Anwältin erklären, Mohammad A. beim Verbuddeln des Leichnams geholfen zu haben, während ihre Tochter im Auto saß. Es tue ihr leid, so die 39-Jährige Syrerin.

Entessar A. stand der Liason zwischen Tochter Santa und Farhad S. ablehnend gegenüber. Foto: Martin Schöler
Entessar A. stand der Liason zwischen Tochter Santa und Farhad S. ablehnend gegenüber. Foto: Martin Schöler

Die Aussagen decken sich mit dem Geständnis, das Mohammad A. bereits am 20. Juni abgelegt und damit die mitangeklagten Frauen stark entlastet hatte. Die anfängliche Freundschaft des 22-Jährigen zu Santa A. habe sich inzwischen zu erwiderter Liebe entwickelt.

Wie berichtet, hatte das ungewöhnliche Verfahren im August 2016 noch als „Mord ohne Leiche“ begonnen, da die Anklage auf einem Puzzle an Indizien beruhte, bis der Körper des bis dahin vermissten Afghanen zufällig Anfang März in einem Wald bei Burg (Sachsen-Anhalt) gefunden wurde. Laut Obduktion trafen ihn 26 Messerstiche.

Zugleich sorgte ein schriftliches Mordgeständnis von Mohammad A. an seinen Verteidiger für einen heftigen Streit, da das brisante Schriftstück durch einen Zufall in die Hände der Staatsanwaltschaft geriet. Rechtsanwalt Endrik Wilhelm sah das geschützte Mandantenverhältnis verletzt, machte ein Beweisverwertungsverbot geltend und stellte Strafanzeige gegen die Kammer wegen Rechtsbeugung. Die Ermittlungen dazu sind inzwischen eingestellt, auch der Brief soll nicht als Beweismittel geführt werden, sagte der Vorsitzende Richter Norbert Göbel bei einem vergangenen Sitzungstermin.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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