Es war einer der wohl längsten und wendungsreichsten Mordprozesse der jüngeren Vergangenheit in Leipzig. Nach fast 18 Monaten endete das Verfahren gegen zwei Frauen und einen Mann mit langen Haftstrafen – sie sollen ein heimtückisches Mordkomplott gegen einen afghanischen Dolmetscher geschmiedet haben. Mit dem spurlosen Verschwinden des afghanischen Dolmetschers Farhad S. (30) begann Ende November 2015 einer der wohl spektakulärsten Kriminalfälle Leipzigs.

Im Februar 2016 nahm die Polizei die aus Syrien stammende Santa A. (heute 18), deren Mutter Entessar A. (heute 40) und den Freund der Tochter Mohammad A. (heute 23) unter dringendem Mordverdacht fest. Gestützt auf Indizien, begann im August 2016 der Prozess gegen das Trio vor dem Leipziger Landgericht – der Leichnam des vermissten Afghanen fehlte allerdings. Während des laufenden Strafverfahrens tauchte der Körper des Toten Anfang März 2017 überraschend in einem Waldstück auf und bestätigte die Mordtheorie der Ermittler. Farhad S. war mit einer Vielzahl von Messerstichen regelrecht abgeschlachtet worden.

Trotz der Geständnisse nach dem Leichenfund zog sich das Verfahren durch juristische Winkelzüge der Verteidigung und Streitigkeiten mit der Strafkammer weiter in die Länge. Spätestens seit Sommer 2017 habe der Prozess überwiegend aus Nebengefechts-Schauplätzen bestanden und kaum noch Erkenntnisse zur Sache geliefert, resümierte der Vorsitzende Richter Norbert Göbel in seiner einstündigen Urteilsbegründung am Freitag.

Nach Überzeugung des Gerichts haben sich alle drei Angeklagten unter anderem des Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub mit Todesfolge schuldig gemacht. Das Mordopfer und die bildhübsche Santa A. lernten sich 2014 in einem Chemnitzer Asylbewerberheim kennen. Der wesentlich ältere Mann suchte offenbar die Nähe der zierlichen Teenagerin, ließ auch nicht von ihr ab, als das junge Mädchen mit seiner Mutter nach Leipzig umzog. Einstweilen jedoch entwickelte Santa A. neuerliche Zuneigung zu Mohammad A., den die Mutter in einem Deutschkurs getroffen hatte.

Nach Monaten einer konfliktbeladenen Beziehung zu Farhad S., der als Dolmetscher für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge tätig war, soll der Afghane unter dem Vorwand einer Aussprache in die Erdgeschosswohnung von Mutter und Tochter im Leipziger Gerichtsweg gelockt worden sein. Hier stach Mohammad A. am 27. November 2015 auf den älteren Mann ein, wie er in seiner geständigen Einlassung vortrug. Die Leiche wurde anschließend durch Mohammad A. und Entessar A. in einer ausgehobenen Grube im Külzauer Forst bei Burg (Sachsen-Anhalt) verbuddelt. Kurz darauf räumten die Angeklagten 10.500 Euro vom Konto ihres Opfers ab und verkauften dessen Audi für 4.000 Euro.

Nicht zuletzt dieser Umstand bewog die Kammer, das Mordmerkmal der Habgier als ausschlaggebend anzusehen, zudem sei Farhad S. völlig arglos gewesen, als Mohammad A. ihn brutal ermordete. Die Version eines Zweikampfes, wie sie der Angeklagte vortrug, widerspreche völlig dem Verletzungsbild, erklärte der Vorsitzende. Vielmehr sei das Opfer unvermittelt von hinten attackiert worden. Auch für die Behauptung Santa A.s, die von wiederholten Misshandlungen durch Farhad S. gesprochen hatte, gebe es keine objektiven Belege, so Richter Göbel.

Die Anwälte des jungen Mädchens hatten die Rolle ihrer Mandantin, die zum Tatzeitpunkt 16 Jahre alt war, als gering eingestuft. Dem widersprach die Kammer: Auch Santa A. habe stark daran mitgewirkt, den grausigen Tod von Farhad S. zu vertuschen. So seien Nachrichten in sozialen Netzwerken gefälscht worden, um den besorgten Angehörigen des Opfers zu suggerieren, ihr Sohn und Bruder sei nach wie vor am Leben. Generell sei es für eine Verurteilung wegen Mordes nicht notwendig, dass jeder Beteiligte eigenhändig agiere, betonte der Vorsitzende.

Gemäß dem Antrag von Staatsanwalt Klaus-Dieter Müller muss die 18-Jährige Santa A. neuneinhalb Jahre Haft absitzen – etwas weniger als die nach Jugendrecht höchstmögliche Sanktion von zehn Jahren. Ihr Rechtsbeistand Daniel Luderer wollte auf Freispruch hinaus. Die 40-Jährige Entessar A. und der 23-Jährige Mohammad A. wurden am Freitag beide lebenslang ins Gefängnis geschickt. Anders als von der Anklage gefordert, wurde dabei jedoch keine besondere Schwere der Schuld festgestellt.

So ist eine Freilassung nach 15 Jahren hinter Gittern theoretisch denkbar. Entessar A.s Verteidigerin Dana Schwarz hatte in ihrem Plädoyer auf Freispruch plädiert, Mohammad A.s Anwalt Carsten Brunzel lediglich eine Verurteilung wegen Totschlags und nach Jugendstrafrecht gefordert.

In ihren letzten Worten vor dem Urteil hatten alle drei Angeklagten beteuert, das Geschehene zu bereuen. Unter Tränen erklärte Entessar A. am Donnerstag, in Syrien zwei Schwestern verloren zu haben und nie zu einer solchen Tatplanung fähig zu sein. Ihre Tochter sagte, sie habe den Tod von Farhad S. niemals gewollt. Mohammad A. erklärte in gebrochenem Deutsch: „Es tut mir wirklich sehr leid. Aber mehr kann ich nicht machen.“

Gegen das Urteil ist binnen einer Woche Revision möglich.

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