Für ein Jahr und acht Monate sollen zwei Personen, die am Connewitz-Überfall am 11. Januar 2016 beteiligt waren, ins Gefängnis. Dieses Urteil verkündete Amtsrichter Pirk am Donnerstag, den 23. August. Die Strafe fällt drastisch aus, schließlich hatten beide noch keine Vorstrafen. Allerdings schwiegen sie während der gesamten Verhandlung. Die etwa 200 weiteren Angeklagten könnten in Anbetracht der harten Strafe eine andere Strategie wählen.

Als Amtsrichter Pirk zu Beginn der Urteilsverkündung darauf hinwies, dass mögliche Unmutsbekundungen unter den Zuschauern zu einem Saalverweis führen würden, ließ sich ein Paukenschlag bereits erahnen. Denkbar – wenn auch überraschend – wäre beispielsweise ein Freispruch gewesen. Stattdessen kam es ganz anders: Die beiden Angeklagten Martin K. und Dennis W. sollen jeweils für ein Jahr und acht Monate ins Gefängnis – obwohl sie keinerlei Vorstrafen besitzen. Nach Überzeugung des Gerichts haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass der Angriff auf Connewitz am 11. Januar 2016 aus Sicht der Neonazis zum Erfolg wurde.

Damals marschierten – parallel zum ersten Legida-Geburtstag – mehr als 200 Rechtsradikale, viele aus dem Hooliganspektrum, in Connewitz ein und beschädigten zahlreiche Geschäfte und Autos. Der Gesamtschaden beträgt mehr als 100.000 Euro. Hinzu kommt der Symbolwert der Aktion: Bis dahin schien es undenkbar, dass so etwas im linksalternativen Stadtteil möglich ist.

Während manche Connewitzer beziehungsweise deren Sympathisanten in einigen Fällen Selbstjustiz übten, zog sich die juristische Aufarbeitung hin. Erst nach knapp zwei Jahren erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Doch das Warten dürfte sich aus Sicht der Geschädigten gelohnt haben.

Polizisten schilderten Festnahmen

Bereits der erste Verhandlungstag vor einer Woche hatte angedeutet, dass es auf eine Verurteilung hinauslaufen wird. Nachdem die Neonazis vor allem in der Wolfgang-Heinze-Straße randaliert hatten, gelang es der nach Connewitz geeilten Polizei, mehr als 200 Personen in der Auerbachstraße festzusetzen. Einigen Neonazis gelang zuvor die Flucht – darauf lassen die Zeugenaussagen von Anwohnern schließen.

Die im Einsatz gewesenen Polizisten schilderten vor Gericht, dass es unwahrscheinlich sei, dass eine der in der Auerbachstraße festgenommenen Personen zuvor nicht in der randalierenden Gruppe gewesen sei. Schließlich seien die Straßen sehr leer gewesen. Zudem hätte sich niemand vor Ort dementsprechend geäußert.

Am zweiten und zugleich letzten Verhandlungstag wurden einige Videos gezeigt – manche waren von der Polizei, andere von Anwohnern angefertigt. Darin waren zum einen die Ausschreitungen zu erahnen und zum anderen die festgesetzten Neonazis zu erkennen, die sich weitgehend ruhig verhielten.

Die Staatsanwaltschaft forderte anschließend ein Jahr und acht Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung – die Verteidiger der Angeklagten forderten einen Freispruch. Während auf der einen Seite keine Zweifel daran bestanden, dass beide der randalierenden Menge angehörten, argumentierte die andere Seite, dass es genau dafür keine Belege gebe.

Richter betont politische Dimension

Amtsrichter Pirk schloss sich der Sichtweise der Staatsanwaltschaft an: „Alles spricht dafür, dass Sie dort mitgegangen sind und nicht zufällig hineingeraten sind.“ Pirk betonte, dass die Anwesenheit der beiden Angeklagten entscheidend für das Gelingen der Aktion gewesen sei. Zudem verwies er auf die politische Dimension. Dass Rechte in einem linken Stadtteil randalierten, sei eine „Provokation“ gewesen, die schlimmer hätte enden können: Beispielsweise wenn es zu unmittelbaren Gegenangriffen und dann auch Körperverletzungen gekommen wäre.

Eine Bewährung lehnte Pirk ab, da dies nicht verständlich für normale Bürger sei und die Angeklagten die Tat nicht gestanden beziehungsweise keine Reue gezeigt hätten. Die Verteidiger kündigten unmittelbar nach dem Ende der Verhandlung Rechtsmittel an. Dieser Fall könnte also demnächst erneut verhandelt werden, dann am Landgericht.

Derweil stehen am Amtsgericht in den kommenden Monaten knapp 100 weitere Prozesse an. Die Freiheitsstrafe ohne Bewährung ist ein deutliches Zeichen, schließlich trifft sie Personen ohne Vorstrafen. Angeklagt sind aber auch Neonazis mit langem Vorstrafenregister, die nochmals deutlich härtere Strafen zu befürchten haben. In jedem Fall dürften alle Beschuldigten nun intensiv darüber nachdenken, bei ihren Verhandlungen auszusagen, um zumindest eine Bewährungsstrafe zu erhalten.

Neonazi-Angriff am 11. Januar 2016: Erster Prozess in Leipzig hat begonnen + Update

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