Am Donnerstag, 1. August, wird demonstriert. Dann ist zwar kaum einer da aus Leipzigs Stadtverwaltung. Die meisten Amtsträger sind im Urlaub. Auch der Stadtrat hat Pause. Aber der 1. August war ursprünglich der Tag, an dem der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz auch für Unter-Dreijährige in Kraft tritt. Nur: Leipzig kann den Anspruch nicht erfüllen und hängt beim Ausbau des Kita-Netzes um mindestens 1.300 Plätze hinterher.

Die Leipziger Kita-Initiative ruft deshalb zur Demonstration auf und stellt fest: “Die Stadt Leipzig kann den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für viele Kinder nicht erfüllen. Wie viele Plätze fehlen, kann weder Jugendamtsleiter Schmidt, noch Sozialbürgermeister Fabian sagen – dass sie fehlen, davon können Hunderte Eltern ein Lied singen. Die Leipziger Kita-Initiative ruft daher alle Eltern, Erzieher_innen, Tageseltern und Interessierte auf, am 1.August zu demonstrieren.”

“Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen, um der Stadt zu zeigen, dass wir genug haben von einer desolaten Familienpolitik”, sagt Romy Schildhauer, Mutter eines achtmonatigen Mädchens und Mitglied der Initiative. Die Stadt Leipzig habe viel zu spät reagiert und räume inzwischen selbst ein, dass sie den Rechtsanspruch nicht erfüllen kann. Dass es auch anders geht, zeige das Beispiel Dresden. Während Leipzig den Kita-Ausbau verschlafen hat, hat die Elbestadt schon vor Jahren begonnen, den realen Bedarf zu erfassen und die Kapazitäten entsprechend zu erhöhen. Im Ergebnis kann Dresden für über 70 Prozent der Unter-Dreijährigen einen Platz bieten – Leipzig nur für circa 50 Prozent.

Zwar seien die Leipziger Verantwortlichen bestrebt, die Versäumnisse einzuholen, zeigten sich dabei jedoch völlig überfordert. ” Das Amt für Jugend, Familie und Bildung ist unfähig, verlässliche Zahlen als Planungsgrundlage für den Ausbau zu erheben, Bauvorhaben verzögern sich wegen Banalitäten und von den möglichen Klagen und Schadensersatzforderungen, die vermeintlich ab dem 1. August auf sie zukommen, haben weder Stadt noch Jugendamt irgendeine Vorstellung”, zieht Christin Melcher von der Kita-Initiative nach einem Gespräch mit Sozialbürgermeister Fabian und Jugendamtsleiter Schmidt Bilanz.

Den Eltern, die jetzt einen Betreuungsplatz suchen, aber vom Jugendamt immer nur vertröstet werden, bleibe schlussendlich nur der Weg zum Anwalt. Dabei gehe es schon lange nicht mehr darum, einen guten Betreuungsplatz zu finden, sondern überhaupt einen.

“Im Zuge der Debatte um den Rechtsanspruch, geht es zunehmend nicht mehr um Qualität sondern nur noch um Quantität. Es ist absurd, dass die Stadt sich damit brüstet, mit einer großen Vielfalt von Einrichtungen für alle Eltern und ihre Kinder ein passendes pädagogisches Konzept zu liefern. Leipziger Eltern haben schon lange keine Wahlfreiheit mehr, sondern sind froh, wenn sie nach monatelanger nervenaufreibender Suche überhaupt einen Platz ergattern”, betont Christin Melcher von der Kita-Initiative. “Wir haben ganz konkrete Forderungen, die über den bloßen Kita-Ausbau hinausgehen: eine verlässliche Bedarfsanalyse, eine vernünftige Mangelverwaltung (zentrale Vermittlung aller Plätze), Übergangslösungen bis die neuen Kitas fertiggestellt sind, die Erhöhung der Kita-Platz-Pauschale, die Verbesserung des Betreuungsverhältnisses, ein umfangreiches Fort- und Weiterbildungsangebot für Erzieher_innen und Tageseltern und natürlich eine Bezahlung des Personals, die dem Bundesdurchschnitt entspricht – dafür gehen wir am 1. August auf die Straße!”

Familienfreundliche Politik heißt nach dem Verständnis der Leipziger Kita-Initiative: ausreichende und bedürfnisgerechte Betreuungsplätze, eine Vermittlung von Plätzen, die Eltern und Erzieher_innen entlastet, ein qualifiziertes Beratungs- und Informationsangebot zum Rechtsanspruch und eine transparente und faire Vergabe. Unterstützung bekommt die Kita-Initiative dabei von mehreren im Stadtrat vertretenen Parteien.

Darunter auch die Linke, deren jugendpolitische Sprecherin Juliane Nagel sagt: “Nachdem die Stadt Leipzig in den 1990er Jahren infolge des Geburtenrückganges reihenweise Kindertageseinrichtungen geschlossen hatte, entstand ab Mitte der 1990er Jahre durch das Anwachsen der Geburtenzahlen ein immenser Druck, Kinderbetreuungsplätze zu schaffen. Der Geburtenboom hält an, mit insgesamt 2.778 Geburten lag die Zahl im [ersten] Halbjahr 2013 höher als die des vergangenen Jahres. Die Stadtverwaltung hat es über die Jahre verschlafen, den Ausbau so zu gestalten, dass bedarfsgerechte Plätze zur Verfügung stehen.”

Bedarfsgerecht heißt aber auch: Die Kinder müssen auch gut betreut werden können. Juliane Nagel: “Im kürzlich erschienenen ‘Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme’ der Bertelsmann-Stiftung wird dem Freistaat einmal mehr bescheinigt, bundesweites Schlusslicht in Sachen Betreuungsschlüssel zu sein. Die Fraktion Die Linke im Stadtrat unterstützt in diesem Sinne die Forderung von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaft und Elternräten nach Senkung der Fachkraft-Kind-Relation in der Krippe von 1:6 auf 1:4 und im Kindergarten von 1:13 auf 1:10.”

Die Leipziger Kita-Initiative ruft alle Eltern, Erzieher_innen, Tageseltern und Interessierte am Donnerstag, 1. August, um 16:30 Uhr zur Kundgebung vor dem Neuen Rathaus auf.

Auf dem Programm stehen Redebeiträge von Romy Schildhauer (Leipziger Kita-Initiative), Rico Gebhardt (Landes- und Fraktionsvorsitzender, Die Linke Sachsen), Petra Cagalj Sejdi (Vorstandssprecherin Bündnis 90 / Die Grünen Leipzig), Christopher Zenker (Stadtrat Leipzig, SPD), Markus Viefeld (FDP), Christine John (GEW), angefragt sind außerdem: Konstanze Morgenroth (Gesamtelternrat Leipzig), Karsten Albrecht (Stadtrat Leipzig, CDU).

Am Offenen Mikro können Eltern die Gelegenheit nutzen, ihren Unmut deutlich kund zu tun. Außerdem ist ein symbolisches Schlangestehen von Eltern mit Kinderwagen vor dem Familieninfobüro geplant.”Mein Kind braucht einen Kita-Platz!”

Am 01. August 2013 tritt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem 1. Lebensjahr in Kraft. Es zeichnet sich ab, dass die Stadt Leipzig diesen Anspruch nicht erfüllen kann: Es fehlt massiv an qualifizierten Betreuungsplätzen. Zu lange hat die Stadt gehofft, dass der Rechtsanspruch nicht umgesetzt wird. OBM Burkhard Jung freute sich alljährlich über die steigenden Geburtenraten, doch an den Ausbau der Betreuungsplätze hat er offensichtlich nicht gedacht. Wie viele Plätze tatsächlich fehlen, kann niemand genau sagen, da sich die Stadt Leipzig weigert, eine Bedarfsanalyse durchzuführen. Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit viele geplante Neubauten von Kindertagesstätten nicht realisiert werden konnten. Bei steigenden Geburtenraten und einem enormen Zuzug von jungen Menschen mit Kindern sehen wir Eltern in Leipzig uns mit einem akuten Mangel an Plätzen konfrontiert.

Auch wenn sich die Stadt bemüht, ad hoc Betreuungsplätze zu schaffen, wird es nicht ausreichen, für alle Kinder qualifizierte Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen. Von den 2.500 Betreuungsplätzen, die für dieses Jahr neu geplant waren, werden wieder einmal nur die Hälfte bis zum 01.08. realisiert. Zu lange war die Betreuung unserer Kinder unwichtig!

Wir rufen alle Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Tageseltern und Interessiert zur Demo am 01.08. um 16:30 Uhr vor dem Neuen Rathaus auf.

Denn wir sagen: “Die Betreuung unserer Kinder muss mehr wert sein!”

Wir fordern:

1. Mehr Betreuungsplätze

Der Ausbau des Betreuungsangebotes muss oberste Priorität haben. Die Kommune steht dabei in der Verantwortung der Eltern, um qualitative Betreuungsplätze zu schaffen. Aber auch Einrichtungen von Freien Trägern sind uns wichtig, um eine Vielfalt im Betreuungsangebot zu gewährleisten – für eine echte Wahlfreiheit!

2. Ein faires und transparentes Vergabesystem

Schluss mit dem Spießrutenlauf bei der Kita-Platz-Suche. Wir fordern ein zentrales Anmelde- und Vergabesystem aller Kita-Plätze. Eltern sollen sich rechtzeitig einmalig anmelden und Wunscheinrichtungen nach pädagogischem Konzept oder örtlicher Nähe angeben und eine regelmäßige Rückkopplung seitens der Stadt zum Stand ihrer Anmeldung bekommen. Das entlastet nicht nur die Eltern,sondern auch die Erzieher_innen in den Einrichtungen.

3. Eine reale Bedarfsanalyse

Um einen bedarfsgerechten Ausbau der Betreuungsplätze voranzutreiben, bedarf es verlässlicher Zahlen. Daher fordern wir eine reale Bedarfsanalyse: Eltern sollen per Geburt nach Betreuungswunsch befragt werden, gleiches gilt für zugezogene Eltern.

4. Einen besseren Betreuungsschlüssel

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Wir fordern eine individuelle und qualitativ hochwertige Bildung für unsere Kinder, deshalb sollen in Krippen zukünftig auf eine pädagogische Fachkraft vier Kinder kommen (derzeit 1:6), im Kindergarten soll der Schlüssel bei 1:10 (derzeit 1:13) liegen. Dafür fordern wir eine dringende Erhöhung der Kita-Landespauschale.

5. Eine bessere Bezahlung von Tageseltern und Erzieher_innen

Die große Verantwortung der Erzieher_innen für die Entwicklung unserer Kinder muss sich auch in der Entlohnung widerspiegeln. Wir fordern deshalb, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam eine langfristige Angleichung der Erziehervergütung an andere pädagogische Berufe umsetzen. Mit der Bezahlungen von Tageseltern ist Leipzig trauriges Schlusslicht: wir fordern eine Anpassung an den Bundesdurchschnitt.

6. Qualifizierte Fort- und Weiterbildungsangebote

Die Qualität frühkindlicher Bildung steht und fällt mit gut ausgebildeten Fachkräften – nicht nur in der Kita, sondern auch in der Tagespflege. Wir fordern, dass die akademische Ausbildung für Erzieher_innen und Tagespflegepersonen deutlich ausgebaut wird und in Rücksprache mit freien und kommunalen Trägern ein verbindliches Weiterbildungsangebot sichergestellt wird. Um insbesondere für Tageseltern Perspektiven zu schaffen, sollte eine berufsbegleitende Erzieherausbildung durch finanzielle und zeitliche Entlastungen ermöglicht werden.

www.leipziger-kita-initiative.com

www.facebook.com/dieleipzigerkitainitiative

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