Linke Tasche, rechte Tasche? Macht es der Freistaat Sachsen wie so oft in letzter Zeit? Finanzieren die Regierungsfraktionen ihre eigenen Wahlversprechen damit, dass sie einfach Zusagen aus einem Budgetplan in den nächsten verschieben? Irgendwie rochen die Grünen den Braten als erste, als sie am Monatsanfang den Gesetzestext der Regelungen zum Doppelhaushalt 2015/2016 lasen. Nun haben auch die Linken einen Hinkefuß entdeckt.

“Der Entwurf der Staatsregierung für den Doppelhaushalt 2015/2016 bricht das erste Versprechen des CDU/SPD-Koalitionsvertrages”, kritisierte am 2. Februar Franziska Schubert, haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Vorlage. Ihr fiel insbesondere die Regelung auf, mit der der Betreuungsschlüssel künftig gerechnet werden sollte. “So wird der Betreuungsschlüssel im Krippenbereich nur scheinbar verbessert: durch den möglichen Einsatz von Assistenzkräften. Eine höhere Betreuungsqualität für unter Dreijährige erreicht man so nicht. Statt dessen wird das Fachkräftegebot aufgeweicht”, stellte sie fest. “Die im Koalitionsvertrag angekündigte schrittweise Senkung des Betreuungsschlüssels in den sächsischen Krippen soll offenbar ohne pädagogische Fachkräfte erfolgen. Im Haushaltsbegleitgesetz Artikel 7 hat die Staatsregierung hierfür die Voraussetzungen geschaffen. Ab Herbst 2017 wird sich demnach in Sachsen der Betreuungsschlüssel von pädagogischer Fachkraft zu Kindern weiter verschlechtern.”

Eigentlich war auch schon vor den Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU klar, dass es einen besseren Betreuungsschlüssel nur mit mehr Personal geben würde. Und das würde zusätzlich Geld kosten. Und zwar nicht nur ein paar Euro.

Franziska Schubert: “Wenn CDU und SPD frühkindliche Bildung wirklich als Schlüssel für die Zukunft Sachsens ansehen (Koalitionsvertrag), dürfen sie den Haushaltsentwurf nicht ohne Änderung den Landtag passieren lassen. In keinem anderen Bundesland ist die Zahl der betreuten Kinder pro Erzieherin bzw. Erzieher so hoch wie in Sachsen. Schritt für Schritt wollen wir Grüne den Betreuungsschlüssel auf 1:10 im Kindergarten und 1:4 in der Krippe verbessern, um echte Bildungs- und Chancengleichheit sicherzustellen. Viele Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder zukünftig endlich in kleineren Gruppen kompetent betreut werden, und die Erzieherinnen und Erzieher dringen zu Recht auf verbesserte Arbeitsbedingungen.”

Wie die neue Koalition das wunderbare Geschenk rechnen will, glaubt nun die Leipziger Abgeordnete der Linken, Juliane Nagel, herausgefunden zu haben.

Mogelpackung Personalschlüssel

“Die im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD vorgesehene Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kinderkrippe Kindergarten erweist sich mit Vorlage des Doppelhaushaltes jedoch als Mogelpackung”, stellt sie fest. “Nicht nur, dass die Verbesserung als minimal bezeichnet werden muss: Im Kindergarten soll der Personalschlüssel im Jahr 2015 zunächst von 1:13 auf 1:12, 5 erhöht werden, in 2016 dann auf 1:12, in der Krippe ist eine Erhöhung auf eine ErzieherIn pro fünf Kinder bis zum Jahr 2018 geplant (bisher 1:6). Mit dieser verschwindend geringen Verbesserung des Betreuungsschlüssels sind höhere Kosten verbunden, die der Freistaat für das Jahr 2015 auf 17,7 Millionen und in 2016 mit 19,5 Millionen Euro beziffert.”

Aber wo soll das Geld herkommen? Das müsste ja in der Gesetzesvorlage zumindest nachgewiesen sein.

Erhöhung der Kitapauschale

Auf einem Umweg, wie Nagel nun feststellt: “Diese Mehrkosten sollen durch eine sukzessive Erhöhung der Kitapauschale erzielt werden, die der Freistaat den Kommunen pro Kind und Jahr erstattet. Die Kitapauschale stagniert seit 2007 bis dato trotz stetig steigender Personal- und Sachkosten für die Kindertagesbetreuung bei 1.875 Euro. Die Erhöhung der Pauschale auf 2.060 Euro wurde bereits im Juni 2014 – also vor den Landtagswahlen – zwischen Land und Kommunen verhandelt. Dass dieser Mehrbetrag nun durch die Erhöhung des Betreuungsschlüssels aufgefressen wird, ist perfide. Die Erhöhung der Pauschale zielte eigentlich darauf, die Kostenentwicklung und die steigende Inflationsrate der vergangenen Jahre aufzufangen. So sind die Betriebskosten (Personal- und Sachkosten) zwischen 2007 und 2012 um 9 Prozent gestiegen. Hinzu kommen die finanziellen Aufwendungen für Gebäudeerhalt und Mieten.”

Heißt im Klartext: Die Steigerung des Landeszuschusses auf 2.085 Euro ab September fängt gerade einmal die gestiegenen Personal- und Sachkosten ein, nicht aber die für Gebäudeehalt und Mieten. Spielraum für zusätzliches Pesonal ist in der Summe gar nicht enthalten. Und auch die geplanten Steigerungen auf 2.165 Euro (September 2016), 2.295 Euro (September 2017) und 2.455 Euro (September 2018) federn allein die Kostensteigerungen beim jetzigen Bestand ab, schaffen aber noch keine belastbaren Spielräume für zusätzliches Personal.

Wie die gefunden werden sollen, ist im Gesetzestext auch schon angedeutet: “Darüber hinaus wird die Obergrenze der maximal zulässigen Elternbeiträge leicht angehoben und die Flexibilität des Personaleinsatzes erhöht.”

Erhöhung der Elternbeiträge

Der Elternanteil an der Gesamtfinanzierung der Kindertagesstätten soll also steigen. Schon jetzt wird in Leipzig der Maximalbetrag völlig ausgereizt, um die Stadt selbst, die den Löwenanteil der Kita-Kosten trägt, wenigstens ein Stück weit zu entlasten. Denn in Leipzig trägt die Stadt allein 64 Prozent der Kosten.

Aber die zusätzlichen Kosten auf die Eltern abwälzen? – Für Juliane Nagel kann das nicht der Weg sein: “Um die Erhöhung der Kosten pro Kita-Platz zu refinanzieren, will der Freistaat zudem den Eltern in die Tasche greifen. Im Doppelhaushalt des Freistaates ist in diesem Sinne eine Erhöhung der prozentualen Beteiligung der Eltern an den Kosten pro Platz um 3 Prozentpunkte angekündigt. Bisher tragen Eltern maximal 23 % in der Krippe und 30 % im Kindergarten, in Zukunft sollen es 26 bzw. 33 % sein.”

Und hinter der angedeuteten “Flexibilisierung” sieht sie schlicht den vermehrten Einsatz von pädagogischen Hilfskräften mit bis zu einem Anteil von 20 Prozent.

“Der Freistaat will sich mal wieder aus der eigenen Verantwortung ziehen. Die Verbesserung des Betreuungsschlüssels ist nicht mehr als eine Mogelpackung, die die finanzielle Belastung für Stadt und Familien erhöht und dazu noch die Qualität der Kindertagesbetreuung absenkt”, kritisiert sie diese Art, das Problem zu lösen.

Fragen an die Leipziger Verwaltung

Und hat für die nächste Ratsversammlung schon mal ein Fragenpaket an die Stadtverwaltung formuliert, in der sie auch fragt, ob das hübsche Geschenk der Staatsregierung nicht am Ende als neuer Kostenblock wieder im Haushalt der Stadt Leipzig hängen bleibt.

Die ersten Fragen aus ihrem Paket:

  1. Welche Mehrkosten sind für die Stadt Leipzig durch die Veränderung des Betreuungsschlüssels zu erwarten?
  2. In welcher Höhe wird der Freistaat die Mehrkosten erstatten, und welche Differenz muss die Stadt Leipzig selbst tragen?
  3. Plant die Stadt Leipzig, die Mehrkosten auf die Eltern umzulegen?
  4. Plant die Stadt Leipzig, den erhöhten prozentualen Anteil an den durch die Eltern zu tragenden Kosten pro Kindergartenplatz zu erhöhen?
  5. Inwieweit stehen in Leipzig ausreichend pädagogische Fachkräfte zur Verfügung, um dem wachsenden Bedarf an Kinderbetreuung gerecht zu werden?

Das komplette Fragenpaket von Juliane Nagel: “Geringfügige Verbesserung des Kita-Betreuungsschlüssels auf Kosten der Eltern?” als pdf zum Download.

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