Wenn wir unsere Kraft und Liebe nicht in unsere Kinder investieren, sondern blind irgendeiner anderen Intension hinterher rennen, dann - und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche - machen wir, als vernunftbegabte Wesen, etwas Entscheidendes falsch. Antje Al Abbadi und ihr Team vom Mütterzentrum Leipzig machen sich nicht nur Gedanken, nein, sie bieten auch Hilfe an. Tanner fragte nach.

Hallo Antje Al Abbadi. Du bist die Ansprechpartnerin für die Weiterbildungen im Mütterzentrum Leipzig. Und ich habe gerade Euer Weiterbildungsakademie-Heftchen in der Hand. Hut ab, erstmal. Kannst Du unseren Leserschaften mal einen kleinen Rundumschlag geben, was Ihr da so macht?

Danke für das Kompliment, Volly. Wir bieten ab diesem Herbst Weiterbildungen für pädagogische Fachkräfte, aber auch andere Berufsgruppen und teilweise für interessierte Eltern an. Unser Themenspektrum ist vielseitig, es reicht von Improvisationstheater, Kunst und Tanz über Naturpädagogik und Erziehungsthemen wie Bindung und Erziehungspartnerschaft in Kindertageseinrichtungen bis hin zu ernsten Themen wie dem Umgang mit Abschied und Trauer. Trotz der Themenvielfalt verbindet alle Weiterbildungen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, ob Kind oder Erwachsener. Deshalb haben wir auch Weiterbildungen für Menschen in pädagogischen und sozialen Berufen im Programm, in denen es um ihren eigenen anstrengenden Berufsalltag geht und was sie für sich selbst tun können, um nicht in die Burnout-Falle zu laufen.

Das Mütterzentrum als Kita hat ja ein ganz besonderes Konzept. Kannst Du uns das ein bisschen erläutern, beste Antje?

Gerne. In unseren zwei Kindergärten leben wir unser Vereinskonzept weiter, was viele Eltern schon zuvor in unseren vier Familienzentren kennenlernen, wenn sie dort mit ihren Babys und Kleinkindern Angebote in der Elternzeit nutzen. Es baut auf einem ganzheitlichen Blick auf den Menschen und einem wertschätzenden Umgang miteinander auf.

Was heißt das denn konkret?

Schon immer war uns vor allem die Beteiligung der Eltern am Kindergartenalltag wichtig. Gerade bauen Eltern in unserem Plagwitzer Kindergarten “Treffpunkt Linde” unter fachlicher Anleitung eine Baumhauslandschaft für die Kinder, deren Materialkosten sie vorher in einem Benefizlauf und anderen Spendenaktionen selbst gesammelt haben. Sie helfen auch im Kindergartenalltag und bei Veranstaltungen mit oder organisieren das jährliche “Rabenfest” für die Vorschulkinder in Eigenregie.

Das hört man gern, dass so etwas funktioniert. Ein großartiger Ansatz, der aber eben auch das Engagement der Eltern einfordert.

Ja, genau! Immer wichtiger wird das Thema Erziehungspartnerschaft, das heißt das gute Zusammenwirken von Erziehern und Eltern zum Wohle der Kinder, auch wenn sich die Meinungen über Erziehung oder Lebenseinstellungen natürlich stark unterscheiden können. In unserem Paunsdorfer Kindergarten “Kleine Entdecker” bieten mittlerweile fast alle Erzieher und einige Eltern zusätzlich zur normalen Kindergartenbetreuung Freizeitangebote für Familien an, wie Spielenachmittage, Elterncafé, Musik-, Tanz- und Sportangebote. Der größere Sinn dahinter ist es, dass sich Eltern und Erzieher, aber auch die Familien untereinander, jenseits des bloßen Abgebens und Abholens der Kinder näher kennenlernen. Das hat eine viel entspanntere und nachbarschaftlichere Atmosphäre zur Folge und die Kommunikation läuft auch viel besser. Wenn man sich kennt, fällt es nun mal viel leichter, miteinander zu reden und mögliche Probleme anzusprechen. Die Kinder genießen diese Aufmerksamkeit von allen Seiten ganz besonders und fühlen sich wie in einer sozialen “Großfamilie” gut aufgehoben.

Bei der Weiterbildungsakademie habt Ihr ja wirkliche Koryphäen am Start – zum Beispiel Dr. phil. Gerlind Große (Geburt aus der Mitte) oder die faszinierende Katrin Rudloff. Wie kommt Ihr denn an Eure Expertinnen und Experten heran?

Das war ganz einfach. In unseren gut besuchten Familienzentren ist über viele Jahre ein großes Netzwerk an kompetenten und uns unterstützenden Menschen gewachsen, die dort Kurse und Veranstaltungen anbieten oder selbst Eltern in unseren Kindergärten waren. Es war wohl eine logische Entwicklung, dass die Idee entstand, diesen Reichtum an Ressourcen zu einem Weiterbildungsprogramm zu bündeln und jetzt haben wir diesen Schritt einfach gewagt. Die ersten Veranstaltungen haben bereits stattgefunden und das Feedback der Teilnehmer war sehr positiv, worüber wir uns als Neulinge auf dem Weiterbildungsmarkt natürlich sehr gefreut haben.

Bisher besonders gefragt sind die naturpädagogischen Themen wie Waldtage im Kindergarten und unser “Seile-Workshop”, in dem die Teilnehmer lernen, aus einfachen Seilen ganz wunderbare Spielelemente für Kinder zwischen Bäumen zu knüpfen. Daher werden wir ab dem Frühjahrsprogramm, das wir gerade planen, den naturpädagogischen Teil noch ausbauen und freuen uns ganz besonders, den Wildkräuter-Experten André Freymann als weiteren Referenten gewinnen zu können. Auch ihn kennen wir bereits lange, denn er begleitet unsere Kindergartenkinder auf ihren Wildnis-Exkursionen.

Ich habe das Heft ja in den Händen – wie können sich jedoch unsere Leserschaften über Eure Angebote informieren? Jetzt. In diesem Moment. So ganz ohne Heft.

Unser komplettes Weiterbildungsprogramm gibt es natürlich auch im Internet auf unserer Website http://www.muetterzentrum-leipzig.de. So ganz ohne Heft, aber ein internetfähiges Gerät braucht man dann doch noch dazu. Wenn man sich ganz offline bewegen möchte, kann man mich persönlich im Plagwitzer Familienzentrum “Treffpunkt Linde” antreffen.

Das Mütterzentrum ist ja ein eingetragener Verein, und somit kein rein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen. Ist es schwierig, die Zukunft zu gestalten? Vereine arbeiten ja, wenn’s gut läuft, demokratisch. Firmen dagegen hierarchisch. Wie umschifft Ihr die Klippen der demokratischen Entscheidungsbildung? Dauermediation? Mantra-Singen?

Ich würde sagen, von allem etwas. In der Entstehungszeit des Vereins ab 1990 war es sicher einfacher, alle Stimmen zu hören und einzubeziehen, als das erste Mütterzentrum nur eine angemietete Wohnung war und sich alle täglich sahen. Heute sind wir an vier Standorten in Leipzig vertreten und betreiben große Einrichtungen. Neben vier Familienzentren und zwei Kindergärten haben wir auch noch eine Tagespflegevermittlung aufgebaut. Durch die Professionalisierung der sozialen Arbeit ist der administrative Arbeitsaufwand auch erheblich gestiegen. Die Vereinsarbeit braucht durch die verschiedenen Fachbereiche auf jeden Fall mehr Struktur als früher und wir sehen uns nicht mehr alle auf einer täglichen Basis.

Dennoch versuchen wir immer, nah an unseren sogenannten Zielgruppen zu bleiben und nutzen persönliche Begegnungen und Treffen, um die Vereinsbasis immer mit einzubeziehen. Der Pfad der Selbstbeteiligung steht allen Interessierten immer offen – sogar unsere vielbeschäftigte Geschäftsführerin Raymonde Will hat jederzeit ein offenes Ohr für engagierte Menschen in unserem Verein – und wir freuen uns über jeden, der mitmachen möchte und eigene Ideen einbringt. Denn üppig gefördert sind wir als freier Träger der Jugendhilfe leider nicht und so fehlen unseren eigenen Mitarbeitern oft Zeit und Energie, neben ihrer alltäglichen Arbeitsfülle neue Projekte anzustoßen. Ein wunderbares aktuelles Beispiel ist unsere Projektidee “Restlos”, die von Sandra Lehmann, einer engagierten Mutter und Geoökologin, entwickelt wurde.

Das klingt ja interessant – wie funktioniert denn dieses “Restlos”?

Wir wollen eine “Schatzkammer” mit nicht mehr gebrauchten Materialien aus der Industrie aufbauen, in der sich Kinder aus Kindergärten und Grundschulen in einem Werkstattbereich nach Herzenslust kreativ ausleben können. Aus Resten, welche die Betriebe sonst als Müll entsorgen würden, können sie ihre eigenen Kunstwerke herstellen und dabei zusätzlich jede Menge Umweltbewusstsein mitnehmen. Diese tolle Projektidee braucht aber noch Unterstützung, um Wirklichkeit werden zu können. Aktuell beteiligen wir uns an einer Crowdfunding-Aktion der DKB (https://www.startnext.com/restlos-leipzig), die bis zum 10. Dezember läuft und freuen uns über jede, auch kleine finanzielle Unterstützung, denn die DKB füllt den Fördertopf der Projekte mit den meisten Unterstützern am Ende der Aktion bis zum benötigten Betrag auf. Was wir aber auch noch für den Start brauchen, wäre ein geeigneter Lagerraum im Leipziger Westen. Vielleicht kennt ja zufällig einer Eurer Leser unser Traumobjekt und gibt uns einen Tipp?!

Danke, liebe Antje, für Deine Antworten. Und hier noch eine Möglichkeit ein paar Worte an Eltern zu richten. Dafür muss einfach mal Platz sein. Was wolltest Du schon immer mal Eltern sagen. Mach.

Was wollte ich schon immer mal Eltern sagen? Da würden mir sicher ganz viele Sachen einfallen, je länger wir darüber reden würden. Aus meiner persönlichen Erfahrung als Mutter fällt mir als Erstes ein: Versucht trotz des anstrengenden Alltags – ob durch Beruf, Haushalt, anstrengende Seiten der Kindererziehung oder fehlende Unterstützung des sozialen Umfelds – das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren: die Liebe und wundervolle Beziehung zu Euren Kindern und genießt die schönen Momente in Eurer kleinen oder großen Familie! Und da ich weiß, dass es viele Eltern, ganz besonders Alleinerziehende sehr brauchen: Unterstützt Euch gegenseitig – auch wenn es vielleicht erstmal anstrengend scheint, zusätzlich zum eigenen Kind z.B. noch auf ein anderes Kind aufzupassen, aber es lohnt sich, sich gegenseitig persönliche Freiräume zu ermöglichen und in schwierigen Zeiten oder Notfällen zu wissen, dass jemand für das Kind oder einen selbst da sein kann.

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