Des Aufstandsversuchs gegen Hitler vom 20. Juli 1944 gedachten am Dienstag Vertreter der Bundeswehr und der Stadt Leipzig. Im Mittelpunkt des Erinnerns stand der Leipziger Friedrich Olbricht, einer der Köpfe des militärischen Widerstandes. Sein Enkel Dr. Rudolf Georgi ließ beim Gedenken der 13. Panzergrenadierdivision am 19. Juli in Leipzig sein Bedauern über das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens erkennen.

Der 20. Juli ist für die Bundeswehr ein wichtiger Tag ihres Selbstverständnisses. Alljährlich gedenkt sie des gescheiterten Aufstandsversuchs von Militärs gegen Hitler. Der militärische Widerstand gegen Hitler, der am 20. Juli 1944 kulminierte, gehört zum Kern des Traditionsverständnisses der Bundeswehr. Auch deshalb finden an diesem Tag öffentliche Eidesleistungen von Soldaten statt. Das geschieht nicht frei von Kritik, aber das ist in einer Demokratie der Normalzustand.

In der deutschen Politik ist der Tag nicht mehr ganz so präsent. Die Berliner Republik kennt inzwischen viele andere Tage, an denen sie ihr offizielles Bild von sich selbst durch Erinnerungspolitik in Szene setzt. Auch war und ist Erinnerungspolitik in Deutschland immer auch Legitimationspolitik. Sie kreist im Wettstreit der großen Lager um die Fragen: Wer trägt die Schuld an der Errichtung der NS-Diktatur? Und: Auf welchem moralischen, politischen und wirtschaftlichen Fundament muss eine stabile Demokratie stehen? Für manche schwingt immer noch die Frage mit: Taugen die Deutschen überhaupt zu Demokraten?

Die Debatte verläuft heute leiser als früher. Das NS-Regime rückt für die Nachgeborenen historisch in immer weitere Fernen, der Systemgegensatz deutscher Zweistaatlichkeit muss an diesen Fragen nicht mehr in aller Schärfe buchstabiert werden.

Gleichwohl bleibt es für die Bundeswehr als Armee in der Demokratie wesentlich, dass es den militärischen Widerstand gegen Hitler gab. Andernfalls wären tatsächlich alle Uniformträger “Hitlers willige Vollstrecker” gewesen, die an den Kriegsverbrechen mitwirkten, statt sich ihnen zu versagen. Abgestuft gilt dies auch für den konservativen Widerstand.Zwei Leipziger im Zentrum des konservativen Widerstandes

Zwei Leipziger standen im Zentrum der Widerstandskreise des 20. Juli 1944, die nach einem erfolgreichen Attentat auf Adolf Hitler die NS-Herrschaft und den Krieg beenden wollten. Der eine war der Berufsoffizier Friedrich Olbricht (1888 – 1944). Wenngleich in Leisnig geboren, gilt er durch seine militärischen Verwendungen als Leipziger. Seine militärische Karriere begann 1907 in den Kasernen im Norden der Messestadt, von denen eine heute seinen Namen trägt. Als Chef des Heeresamtes ab 1940 in Berlin, zählte er bald zum Zentrum des militärischen Widerstandes gegen Hitler. Noch am Abend des 20. Juli 1944 wurde Olbricht von hitlertreuen Soldaten standrechtlich erschossen.

Bei der anderen Persönlichkeit handelt es sich um Carl Friedrich Goerdeler (1884 – 1945), von 1930 bis 1937 Oberbürgermeister von Leipzig. Nach einem gelungenen Staatsstreich war Goerdeler für das Amt des Reichskanzlers vorgesehen.

Oberst Martin Benzel, Stabschef der 13. Panzergrenadierdivision mit Amtssitz in der Gohliser General-Olbricht-Kaserne, nannte es bei der Gedenkveranstaltung am Dienstag eine “geradezu symbolträchtige Vereinigung”, dass mit Goerdeler und Olbricht ein Leipziger Oberbürgermeister und ein Leipziger Offizier zum zivilen und zum militärischen Gesicht des – konservativen – Widerstandes wurden. Durch ihre Verpflichtung auf das eigene Gewissen, ihr Engagement und ihre Zivilcourage seien beide laut Benzel Vorbilder und traditionsbegründend. Beide Männer gehörten zu jenen, “die ein anderes, besseres Deutschland wollten”, so Benzel.Als Vertreter der Stadt Leipzig war Bürgermeister Uwe Albrecht (CDU) in die Kaserne gekommen. “Diese Erinnerung ist bitter notwendig in Zeiten wie diesen, wo Menschen sich unter Einsatz ihres Lebens für ihre Gesellschaft und für ihre Mitmenschen einsetzen”, sagte der Wirtschaftsdezernent zur L-IZ, “und zwar unabhängig von der Position, von der aus sie handeln.”

Eine bedenkenswerte Gedenkrede hielt Olbricht-Enkel Dr. Rudolf Georgi. Im Juli 1944 zehn Monate alt, komme er als Zeitzeuge nicht in Frage. Gleichwohl habe die Tradition seines Großvaters in der Familie fortgewirkt.

Zwar habe der gescheiterte Attentatsversuch das vorzeitige Ende des Krieges weder erreichen, noch die anschließenden gut vierzig Jahre deutsche Teilung verhindern können, so Georgi. Doch durch den Widerstand sei eine Gleichsetzung Deutschlands mit dem Nationalsozialismus späterhin nicht möglich gewesen.

“Ein Staat nach den Verfassungsgrundsätzen des Kreisauer Kreises hätte wenige Schnittmengen mit dem Staat des Grundgesetzes”, verwies Rudolf Georgi zudem auf die Zeit- und Milieubezogenheit der Vorstellungen des konservativen Widerstandes. Dennoch hätten die Vorstellungen des 20. Juli beim Aufbau der Bundeswehr Pate gestanden: in Gestalt des Prinzips der Inneren Führung und der Vorstellung vom Staatsbürger in Uniform. Damit sei für Georgi vorweggenommen worden, was 1968 als Widerstandsrecht Teil des Grundgesetzes wurde. Wenn auch als Teil der höchst umstrittenen Notstandsgesetze, möchte man ergänzen.

Bedauern über Scheitern des NPD-VerbotsverfahrensDer “antitotalitäre Konsens der politischen Kräfte der Bundesrepublik” stellt für den Olbricht-Enkel die entscheidende Nachwirkung der Verschwörer des 20. Juli dar. Damit sei viel zur Sensibilisierung gegen rechtsradikale und neonazistische Strömungen beigetragen worden, “wenngleich ein NPD-Verbotsverfahren noch nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte”, stellte Dr. Georgi heraus.

Auch die aktuelle Bundeswehrreform sprach Georgi an. Die Aussetzung der Wehrpflicht sei ohne ausreichende Berücksichtigung der Auswirkungen auf den Zivildienst erfolgt. Die geplanten Einsparungen bei der Bundeswehr nannte er “unrealistisch”. Zudem monierte Georgi die “ungeklärte politische Debatte” über den Auftrag der Streitkräfte zwischen Landesverteidigung und Einsatz jenseits der Grenzen. Er schloss mit der “Hoffnung, dass der Standort Leipzig nicht der Schließung zum Opfer fallen möge”.

VGWortLIZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar