Um von Thekla nach Neustadt zu kommen, muss man sich nicht zwangsläufig von Autolärm die Ruhe zerstören lassen. Es geht auch an der Parthe entlang. Ein wirklich lohnenswerter Schleichweg durch die Natur, der durch ein weiteres Dorf in der Stadt führt und schließlich in einer großen Enttäuschung mündet.

Ich wusste gar nicht, dass man schon in Thekla an der Parthe entlang spazieren kann, aber es ist tatsächlich möglich. Noch immer ist es diesig, die Temperaturen sind gerade mal auf 17 Grad Celsius gestiegen. Am Theklaer Bagger will gerade keiner baden gehen, erst recht nicht an einem normalen Werktag morgens 9:45 Uhr. Stattdessen gehen ein paar ältere Semester am See spazieren, während in der “Seeterrasse” das große Aufräumen vom Vortag begonnen hat. Auf der Westseite des Baggers versammeln sich derweil zahlreiche Fans der Finnlandsauna, die hier offenbar ganz neu eingezogen ist.

Die Plattenbauten von Thekla hinter mir und die von Mockau vor mir, biege ich links um die Sauna-Gebäude auf einen geteerten Fahrrad- beziehungsweise Spazierweg ein, der nun für die kommenden vier Kilometer mein Begleiter sein wird und mich aus Thekla herausführen soll. Genügend Zeit, um über den ersten großen Abschnitt meiner Wanderung zu reflektieren. Wie ist der bleibende Eindruck von den Leipziger Randlagen?Das Theklaer Neubaugebiet ist gar nicht so unattraktiv, wie ich immer dachte. Vor allem rund um den Kindergarten, die Mittelschule und die Kaufhalle ist viel in Bewegung, viel Leben. Viele Gebäude sind saniert und die Straßen und die Häuserwände sind größtenteils sauber, für den ersten Eindruck nicht unwichtig. Nichts prägt mehr als quer über der Wiese verteilter Müll und Häuserwände, auf der sämtliche Farben gesprayt wurden.

Faszinierend ist in jedem Fall auch der dörfliche Teil Theklas, den man als Autofahrer auf der Tauchaer Straße Richtung Taucha immer links liegen lässt: zahlreiche Eigenheime, eine ruhige Wohngegend und sogar Schafe mitten im Ort. Hier hat sich der Stadtteil, der ursprünglich aus den drei Dörfern Plösen, Cleuden und Neutzsch und der Kirche Hohen Thekla gebildet wurde, sein ländliches Gesicht bewahrt. Ähnlich ländlich muten die ehemaligen Dörfer Portitz, Plaußig und Gottscheina an, bei denen der dörfliche Charakter im Sinne eines Dorflebens zumindest in der Frühe nicht erkennbar war. Leider. Es würde die Stadt Leipzig nur bereichern, würden diese Dörfer ihr Leben unabhängig von der Stadt organisieren können, das Dorf tagsüber somit nicht wie ausgestorben wirken würde.Ich merke, wie ich im 21. Jahrhundert in das 17. Jahrhundert abgleite. Kann gut sein, dass das mit dem Weg zusammenhängt. Über eine kleine Allee steuere ich direkt auf das Abtnaundorfer Schloss zu. Wenn auch schon deutlich im Leipziger Stadtgebiet, ist Abtnaundorf weit davon entfernt, ein wirklicher “Stadt”-Teil zu sein. Kleine, enge Straßen, viele alte bäuerliche Gebäude und nicht zuletzt die lange Abtnaundorfer Straße, die direkt auf das Schloss zuführt, vermitteln eher den Charakter eines Dorfes, das sich ehemals viele, viele Kilometer vor der Stadt befunden und sein Antlitz nicht verändert hat.

Doch hier ist großes Treiben. Auf der Abtnaundorfer Straße, direkt am Schloss, werden Häuser saniert. Den Schlossvorplatz darf ich eigentlich gar nicht betreten. “Privat” steht groß an einem Pfeiler des geöffneten Tores. Ich mache es trotzdem, allein schon, um neugierig das Klingelschild zu studieren. Wer kann sich wohl eine Wohnung in diesem tollen Gebäude leisten, das 1892/93 auf Bestreben des Besitzers, einer in Leipzig wohlbekannten Familie Frege, neu gebaut wurde?Die Namen sagen mir alle nichts, ein Frege ist jedenfalls nicht mehr darunter. Die verloren den Besitz 1916, hatten zuvor aber noch den schönen Park direkt neben dem Schloss anlegen lassen. Zwei Männer, die sich neben diversen eher nobleren Fahrzeugen unterhalten, beachten den verschwitzten Wanderer mit den Keksen in der Hand – also mich – nicht, so dass ich auch wieder unbehelligt das schmucke Grundstück verlassen und wenig später in den Park einbiegen kann.

Menschen sah ich auf meinem Weg entlang der Parthe nicht viele, in Abtnaundorf ist – abgesehen von den lärmenden Handwerkern und rasenmähenden Eigenheimbesitzern – auch nicht viel von unserer Spezies zu sehen. Im Park allerdings ist einer, der äußerst beliebt zu sein scheint, denn um ihn herum quaken mehr Enten als ich ad hoc zählen kann. Ich will ihn während der privaten Fütterung ansprechen, doch als ich mich der Traube nähere, machen sich die Enten schnell ins Wasser. Kein guter Gesprächseinstieg. “Die haben alle Angst”, erklärt mir der Mann etwas grimmig.

Da wäre ich nicht drauf gekommen. Er sei regelmäßig hier, erzählt er mir, widmet sich dann aber wieder seinen Enten, die dankbar zu ihm zurückkehren. Gespräch beendet.

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Ich mache mich derweil durch den Park, der jahrzehntelang ein schönes Ausflugsziel war, Richtung Süden auf. An der Rückseite der Sportschule “Egidius Braun” schlurfe ich, Mockau immer noch rechter Hand, über den Asphalt bis zur Vollbedingstraße. Hier endet der Parthenweg, geht es nur über einen Trampelpfad in den Mariannenpark. Es ist mittlerweile 10:30 Uhr. Drei Stunden braucht man also von Gottscheina bis hierher, ein gutes Drittel meiner errechneten Kilometer (30 insgesamt) ist geschafft.

Der Mariannenpark scheint die letzten Jahre genauso vernachlässigt worden zu sein, wie so mancher Schönefelder Straßenzug. Mitten auf dem Weg wuchern kinderhohe Pflanzen, Unkraut dominiert teilweise die Szenerie. Eine echte Enttäuschung, doch nach der Überquerung der Hermann-Liebmann-Brücke wartet dagegen eine wirkliche Überraschung auf mich. Neustadt!

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