Das Paulinum der Universität Leipzig - so langsam nimmt es Gestalt an - und es wird auch sichtbar, wie Aula und Kirchenraum gedacht sind in ihrer Einheit und Zweiheit, mit ihren Glaswänden, die den Aula-Teil vom Andachtsraum trennen. Notgedrungen, wie Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, Kustos der Kunstsammlung der Universität Leipzig, am Freitag, 24. Oktober, betonte beim Pressetermin im Altarraum: Der alte Paulineralter ist aus der Thomaskirche zurückgekehrt.

Im Aula-Bereich sind die Arbeiter noch am Werk. Sie haben eine Kanzel montiert an einer Säule. Es ist noch nicht die alte Originalkanzel aus der 1968 gesprengten Paulinerkirche – aber sie macht anschaulich, wie sie im Raum einmal wirken wird, wenn sie restauriert ist. Doch sie bleibt außerhalb des Altarraums, der nun, da die Glaswände eingehängt sind, auch spürbar zum Raum der Kunstschätze wird. Ein Problem, das nur technisch zu lösen sei, wie Rudolf Hiller von Gaertringen erklärt. Eine Klimaanlage belüftet den Raum, in den hoch zwischen den Säulen schon die ersten Epitaphe aus der alten Paulinerkirche montiert sind, weitere werden noch folgen – nicht alle aus Stein, viele aus Holz. Wie der Paulineraltar selbst, der seit seiner eiligen Demontage im Mai 1968 eine wahre Ochsentour hinter sich hat – eingelagert erst im alten Reichsgericht, dann in einer Kirche, dann erstmals restauriert und in der Thomaskirche würdig aufgestellt. Dort stand er auch bis zur vergangenen Woche, wurde von der Mannschaft des Diplom-Restaurators Manfred Eisbein vom Landesamt für Denkmalschutz sorgsam demontiert und an seinem neuen Platz im Altarraum der Paulinerkirche wieder aufgestellt.

Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, denn der Altar hat schon über 500 Jahre auf dem Buckel, stammt sogar noch aus vorreformatorischer Zeit, der Zeit der Dominikaner, wie Eisbein betont, entstanden um 1490 und unverkennbar geprägt durch die große Gestalt des Paulus mitten in der Festseite des Altars, die vorläufig auch zu sehen sein wird, wie Hiller von Gaertringen betont.
Im 19. Jahrhundert war der große Alter, den man in zwei Phasen aufklappen kann, so dass er dem Betrachter drei völlig verschiedene Ansichten und Bildgeschichten bietet, mehrfach auseinander genommen und sogar in zwei verschiedene Altäre geteilt worden.

Das war – so Eisbein – schon Anfang der 1990er Jahre eine echte Interpretations- und Knobel-Aufgabe, die ursprüngliche Bildgeschichte wieder herzustellen und den Alter entsprechend wieder aufzubauen. So war er bis zur letzten Woche in der Thomaskirche zu sehen, wo jetzt wieder die großen Bildgeschichten der Fenster des Chores leuchten. Sie waren von dem viel zu großen Paulineraltar zum großen Teil verstellt. Er war eben nicht für den schmalen Chorraum der Thomaskirche gebaut, sondern für die Paulinerkirche, wo er nun wieder steht. Noch ohne Grundstein. Der soll am 2. Dezember gelegt werden.

Aber er macht noch deutlicher sichtbar, wie stark sich der Architekt Erick van Egeraat bei der Innenraumgestaltung von der alten Paulinerkirche hat inspirieren lassen. Er hat moderne – von Glas dominierte – moderne Gestaltungselemente mit den Stilformen der ehemaligen Universitätskirche kombiniert. Das nachempfundene Kreuzrippengewölbe entspricht dem Kreuzrippengewölbe, wie es um 1480 ebenfalls neu in die Kirche der Dominikaner eingebracht wurde. Das neogotische Fenster zum Augustusplatz ist zwar aus einer jüngeren Stilepoche – entspricht aber dem letzten, Roßbachschen Umbau der Paulinerkirche im 19. Jahrhundert. Und unverkennbar nimmt die Fensterhöhe auf den Paulineraltar Bezug.

“Die Rückkehr des Paulineraltars aus der am 30. Mai 1968 gesprengten Universitätskirche St. Pauli an den Augustusplatz ist ein Ereignis von höchster stadt- und universitätsgeschichtlicher Bedeutung”, betont Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen. Der prächtige Altar war 1993 als Leihgabe der Universität Leipzig in der Thomaskirche aufgestellt worden. Nach seinem Umzug an den ursprünglichen Ort steht nun das erste Holzobjekt im Andachtsraum des Paulinums. Die Universitätsgemeinde wird den Paulineraltar künftig im Rahmen ihrer Gottesdienste wieder liturgisch nutzen. Und diesem Wunsch entsprechend war es auch die Theologische Fakultät, die sich die Wiederaufstellung des originalen Paulineralters gewünscht hat.

Möglicherweise nicht ahnend, welche Folgen das haben würde.

Am neuen Standort tritt der über 500 Jahre alte Altar in einen spannungsreichen Dialog mit der zwar gotisch inspirierten, zugleich aber unverkennbar modernen Architektur.

“Der Paulineraltar, geschaffen wohl um 1490 für das einstige Leipziger Dominikanerkloster und 1543 in den Besitz der Universität gelangt, ist das bedeutendste mittelalterliche Altarwerk der Stadt, welches noch heute in einen liturgischen Zusammenhang eingebunden ist”, erklärt Hiller von Gaertringen. Er freue sich sehr, dass es wieder an seinen ursprünglichen Standort im Herzen Leipzigs und vor allem der Universität aufgestellt wurde. “Für die Universität kehrt nicht nur das Hauptwerk ihrer Kunstsammlung auf den Campus zurück, auch im regionalen Umfeld sucht der Altar seinesgleichen.”

Glücklich über den “Neuzugang” im Paulinum, in dem auch mehrere Epitaphien bereits aufgehängt sind, ist auch der 1. Universitätsprediger der Universität Leipzig Prof. Dr. Peter Zimmerling. “Die Universitätsgemeinde freut sich sehr darüber, den Paulineraltar ab kommendem Jahr bei den Universitätsgottesdiensten wieder liturgisch nutzen zu können”, sagt er. “Am neuen alten Ort wird er sogar noch besser zur Geltung kommen als in der alten Paulinerkirche. Der Neubau ist heller und schmuckloser. So wird der Altar zum dominierenden Blickfang für den ganzen Raum werden.”

Getreu dem Geist des Paulinums – Aula/Universitätskirche St. Pauli insgesamt – werde auch der historische Paulineraltar eine Verbindung mit den neu konzipierten und mit modernen Materialien gefertigten Prinzipalstücken von Altartisch, Taufstein und Lesepult eingehen, so Hiller von Gaertringen. Ebenso seien die neuen Behänge für Altar und Lesepult von einem zeitgenössischen Künstler ungegenständlich entworfen worden.

Bei dem Altar-Kunstwerk handelt es sich um einen besonders monumentalen und qualitätsvollen spätgotischen Flügelaltar mit zweifacher Wandlung. Die Maße betragen bei geöffnetem Zustand zirka 4,90 mal 4,80 Meter. Auf der geschlossenen Außenseite sind zwei Szenen aus dem Leben des Apostels Paulus zu sehen, dem die Ordenskirche geweiht war. Die immer sichtbare sogenannte Predella zeigt die Bekehrung des Paulus im Zusammenhang mit seinem Damaskuserlebnis (“vom Saulus zum Paulus”), die Alltagsseite die Passion Christi in Form von acht Tafelgemälden, die Festtagsseite schließlich in zentraler Position die Statue des Apostels mit Schwert und Buch, flankiert von acht Reliefs mit einem sogenannten “Jesus-Maria-Zyklus”.

“Ein besonderes Augenmerk der rekonstruierten bildlichen Botschaft liegt also auf dem Apostel Paulus”, erläutert Hiller von Gaertringen. “Die Predigertätigkeit und das Martyrium des Heiligen zieren in die beiden hochformatigen Bildtafeln der Altaraußenseite, er bildet zugleich die zentrale Bildnisstatue der besonders bedeutsamen Festtagsseite.” Die Wirkung des Paulus als Verkündiger der christlichen Botschaft sei für die auch als Predigerorden bezeichneten Dominikaner vorbildhaft gewesen. “Außerdem hatte sich das Leipziger Kloster unter sein Patrozinium gestellt. So ist die Rückkehr des Altars an den Ort der einstigen Paulinerkirche auch vor diesem Hintergrund historisch sinnvoll”, so der Kustos.

Der Altar ist im Laufe seiner Geschichte mehrfach umgestaltet und vor etwa 100 Jahren sogar in einen Gemälde- und einen Skulpturenaltar getrennt worden. Seine heutige Form, welche die ursprüngliche Zusammensetzung zu rekonstruieren sucht, ist das Ergebnis der jüngsten Restaurierung zwischen 1983 und 1993 unter Aufsicht des Instituts für Denkmalpflege in Dresden, dem heutigen Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (LfDS). Auch die Werkstätten der Dombauhütte Meißen sowie der Leipziger Restaurator Arne Hüthel waren an dieser Restaurierungskampagne beteiligt. Diplom-Restaurator Manfred Eisbein vom LfDS hat damals in der Thomaskirche wie heute im Paulinum Auf- und Abbau geleitet. “Aber”, so betont Manfred Eisbein, “der Altar hat in seiner 500-jährigen Geschichte substanziell gelitten.”

Aus restauratorischer Sicht hätte er ihn nicht wieder in einem Kirchenraum aufgestellt. Schon die für einen Kirchenraum typischen Klimaschwankungen in der Thomaskirche habe man mit einigem Unbehagen gemessen. Im Paulinum wird es solche Klimaschwankungen nicht geben. Deswegen, so Hiller von Gaertringen, war die Glaswand so wichtig, die den Altarraum vom größeren Teil des Paulinums trennt. Hinter der Glaswand sorgt eine Klimaanlage für konstante Klimawerte. “Diese Klimaanlage hat die Universität allein bezahlt”, sagt der Kustos. “Der Freistaat war nicht bereit, hier noch mit einzuspringen.”

Das gleichmäßige Raumklima soll nicht nur dem Altar eine relativ schonende Umgebung verschaffen, sondern auch den Holzepitaphen, die nach ihrer vollendeten Restaurierung ebenfalls im Altarraum ihren neuen Platz finden sollen. Drei Jahre, so schätzt Manfred Eisbein, wird der Altar brauchen, um sich in das neue Klima “einzuleben”. “Dann wird ein größerer Konservierungseinsatz nötig”, mahnt Eisbein. Die Tafeln des Altars sind zwar in einem guten Zustand, die Rahmen und vor allem aber die Reliefs seien in einem sehr fragilen Zustand. So richtig gut sind dem Altar auch die diversen Umzüge und Behandlungen der jüngeren Vergangenheit nicht bekommen.

www.uni-leipzig.de/kustodie

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Eine etwas andere Sicht auf das Thema im Blog von Christian Wolff:

http://wolff-christian.de/von-der-altsubstanz-zum-gesamtraum-wie-eine-universitaet-sich-treu-bleibt

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