Am Ende war es eine Reklame für sein Buch, wie sie sich Julius Fischer nicht mal hätte träumen können: Ein kleiner, augenzwinkernder Verweis auf eine der beliebtesten Buchserien im historischen Schmöker-Regal - und schon landete sein Buch "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" vor Gericht. Der Verlag Droemer Knaur sah eine verkaufsträchtige Marke in Mitleidenschaft gezogen. Was darf Kunst, war die Frage.

So ein bisschen auch im klassischen Sinn: Was darf Satire? Denn Julius Fischer ist nun einmal Satiriker. Er liebt das Spiel mit den Bausteinen seiner Gegenwart. Wenn jeder, der sich in Fischers Texten auch nur erwähnt, durch den Wolf gedreht oder mit listiger Lust verballhornt findet, klagen würde, Fischers Verlag Voland & Quist käme aus den Gerichtsterminen gar nicht mehr heraus. Die moderne Gegenwart ist so staubtrocken und humorlos, wie sie es auch schon zu Tucholskys Zeiten war. Und selbst den Hype um die “Wanderhuren”-Serie des Münchner Autorengespanns Iny Lorentz nimmt deren Verlag Droemer Knaur so ernst, als hätte man es hier mit einem unnachahmlichen Sahnestückchen der Weltliteratur zu tun.

Was nichts daran ändert, dass gerade die Parodie und die Persiflage in der Literatur nicht verboten sind. Im Grunde hat Droemer Knaur mit der Anstrengung des Prozesses bewiesen, dass im eigenen Haus die Grenzen schon gewaltig verrutscht sind, dass die Vermarktung, die Marke und der Schutz des eigenen Vermarktungsraumes wichtiger sind als Inhalte. Oder gar als das, was Leser eigentlich lieben: den Spaziergang aus einer erzählerischen Welt in die andere.

Im Grunde war die Klage vor Gericht sogar ein öffentlicher Misstrauensbeweis gegen die eigenen Leser, denen man bei Droemer Knaur einfach nicht zutrauen wollte, die eigenen Produktionen von denen eines gotteslästerlichen Leipziger Spaßvogels unterscheiden zu können.

Der Verlag Droemer Knaur hatte gegen den Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ am 27. März 2014 vor dem LG Düsseldorf eine einstweilige Verfügung erwirkt und damit ein vorübergehendes Vertriebsverbot des satirischen Kurzgeschichtenbands aus dem Hause Voland & Quist erreicht. Voland & Quist wollte das erstinstanzliche Urteil nicht hinnehmen und sammelte mit einer Crowdfunding-Kampagne im Internet innerhalb von wenigen Tagen mehr als 14.000 Euro zur Finanzierung des Berufungsverfahrens ein – im Falle eines Sieges vor dem OLG Düsseldorf sollten die Erlöse der Kampagne gespendet werden.

Für einen guten Zweck …

Der Prozess ging ja bekanntlich so aus, wie er ausgehen musste – auch weil Richter von Literatur augenscheinlich ein bisschen mehr verstehen als manche Verlagsmanager.

Der Einsatz von Autor, Verlag und den zahlreichen Unterstützern wurde belohnt: Das OLG Düsseldorf hob mit Urteil vom 5. August 2014 das Urteil des Landgerichts auf: Nach Auffassung des erkennenden Senats unter Vorsitz von Prof. Wilhelm Berneke sei der Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ selbst Kunst und dadurch die Verwendung für den satirischen Kurzgeschichtenband durch die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit gedeckt.

Der unterlegene Verlag Droemer Knaur wurde verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen, das heißt Voland & Quist muss nicht für Anwälte und Gerichtskosten aufkommen. Vorher hatte der kleine Independent-Verlag noch eine große Spendensammlung gestartet, denn im schlimmsten Fall hätte der Prozess ja auch verloren gehen können und dann hätten die Kosten den kleinen Verlag einfach weggepustet. Das Geld ist natürlich noch da. Und es soll jetzt einem guten Zweck zugute kommen.

Voland & Quist wird die Nettoeinnahmen aus der Crowdfunding-Aktion wie angekündigt am Freitag, 13. Februar, an das Kurt Tucholsky Literaturmuseum Rheinsberg spenden. Außerdem erhöht Voland & Quist den Betrag um knapp 400 Euro, man kann sich in Rheinsberg somit über 12.500 Euro freuen.

„Wir haben versprochen, im Falle eines Sieges im ‘Wanderhurenstreit’ die Einnahmen aus der Crowdfunding-Aktion bei Startnext nicht einfach zu behalten, sondern zu spenden”, erklären dazu die beiden Verlagsinhaber Leif Greinus und Sebastian Wolter. “Alles andere wäre unlauter gewesen. Dass diese Spende dem Kurt-Tucholsky-Museum zugute kommt, das sich dem Erbe eines des bekanntesten Satirikers deutscher Sprache widmet, finden wir folgerichtig.“

Und einer freut sich jetzt natürlich besonders: Dr. Peter Böthig, Leiter des Kurt Tucholsky Literaturmuseums: “Wir wollen die Spende einsetzen für das Tucholsky-Jubiläum, das wir in diesem Jahr begehen, seinen 125. Geburtstag. Wir haben eine ganze Reihe von Veranstaltungen geplant, eine Ausstellung und einen Katalog/Text-Bild-Band zu Tucholskys Stationen im I. Weltkrieg. Das Museum ist finanziell knapp ausgestattet, so dass wir über diese Spende mehr als erfreut sind, weil sie uns unterstützt, das zu tun, was wir vorhaben, nämlich Tucholsky brillanten Geist, seinen Esprit, seinen Witz und seine satirische Scharfsichtigkeit in die Gegenwart zu transportieren. ‘Woher das Geld kommt, ist unbekannt. Es ist eben da bzw. nicht da – meist nicht da.’, schrieb Kurt Tucholsky in: Kurzer Abriss der Nationalökonomie, Die Weltbühne, 15.09.1931. Bei der Spende wissen wir, woher das Geld kommt, und die Geschichte, die hinter der Spende steht, ist eine, die Tucholsky gefallen hätte.“

Der Autor Julius Fischer will den Scheck zusammen mit den beiden Verlegern Leif Greinus und Sebastian Wolter im Rahmen einer Lesung am 13. Februar dem Museum übergeben. Diese beginnt um 19:30 Uhr direkt im Kurt Tucholsky Literaturmuseum im Schloss Rheinsberg (16831 Rheinsberg): Julius Fischer “Die schönsten Wanderwege der Wanderhure”.

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