Die Bethlehemgemeinde in der Südvorstadt ist nun auch von außen zu erkennen. Nach dem Gottesdienst am Sonntag enthüllte Pfarrer Christoph Maier eine Stele samt Guckloch und Schaukasten an der Ecke Kurt-Eisner-/Fockestraße. Die Eckgestaltung soll die Gemeinde für Besucher prominenter machen, denn das Gebäude-Ensemble samt Garten ist als solches nicht als Kirchgemeinde zu erkennen. Die Gemeindemitglieder feiern seit 88 Jahren Gottesdienst in einem Gemeindesaal.

Ein Kirchenbau war schon vor 100 Jahren das erste Mal abgelehnt worden. Nun lösten Studenten das Problem.

Marc Winkler war der Stolz anzusehen, als er den 50 im Halbkreis stehenden Personen sein Werk erklärte. Sie warteten auf den Moment, da Winklers steingewordener Entwurf endlich enthüllt würde, denn er markiert das Ende einer baulichen Odyssee in der Südvorstadt. Mit der fünf Meter hohen Stele, die wenig später das Tageslicht erblickte, wird die Leipziger Bethlehemgemeinde zum ersten Mal in seiner 103-jährigen Geschichte von außen auch als solche erkennbar, sieht man einmal von einem Schaukasten am Hofeingang ab. Bisher war für Ortsfremde erst bei deutlicherem Hinsehen erkennbar, dass es sich bei dem großen Garten mit den zwei Häusern um ein Gemeindegelände handelte, denn „Bethlehem“ besitzt keine Kirche.

Marc Winkler (li.) im Gespräch mit Pfarrer Maier vor der neuen Eckgestaltung der Bethlehemgemeinde. Foto: Marko HofmannMarc Winkler (li.) im Gespräch mit Pfarrer Maier vor der neuen Eckgestaltung der Bethlehemgemeinde. Foto: Marko Hofmann
Marc Winkler (li.) im Gespräch mit Pfarrer Maier vor der neuen Eckgestaltung der Bethlehemgemeinde. Foto: Marko Hofmann

Seit 88 Jahren feiern die Gemeindemitglieder in ihrem Kirchsaal, der nur als Zwischenlösung gedacht war, am Südende des Gebäudeensembles Gottesdienst. Bei der Gründung der Gemeinde 1912 träumte der Kirchenvorstand von einer großen Kirche, von der allerdings die Anwohner in der Fockestraße angeblich Albträume bekamen. Der Kirchturm stehle ihnen die Sonne, deklamierten sie. Die kaiserlichen Gerichte lehnten ihre Klage ab, der Erste Weltkrieg und die nachfolgende wirtschaftliche Depression verhinderten jedoch den Kirchbau.

1926 errichtete die Gemeinde schon mal das Gemeindehaus samt Wohnhaus, eine Kirche sollte später folgen. Doch als 1938 die Voraussetzungen gut schienen, verweigerte die Stadt Leipzig die Baugenehmigung. Die Fockestraße sollte zur Hauptverkehrsader ausgebaut werden, eine Kirche behindere an der Kreuzung nur unnötig die Sicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten selbst die kirchlichen Institutionen nichts mehr von den Bauplänen wissen, wie in der Chronik der Bethlehemgemeinde für jedermann zu lesen ist. Immerhin kam 1953 noch ein kleiner Glockenturm dazu, mehr Kirche gab es an der Ecke Focke-/Kurt-Eisner-Straße bisher allerdings nicht. Ein Zaun umfriedete das Gelände, ein Schaukasten kündete von den neuesten Ereignissen im Gemeindeleben. Ortsfremde mussten bisher stets auf das große Tor verwiesen werden, um den Eingang nicht zu verpassen.

Pfarrer Christoph Maier vor der verhüllten Stele. Foto: Marko Hofmann
Pfarrer Christoph Maier vor der verhüllten Stele. Foto: Marko Hofmann

„Dadurch, dass die Gemeinde nicht über einen Kirchenbau verfügt, war das für uns eine sehr spannende Aufgabe, diese Eckgestaltung vorzunehmen“, erzählte Winkler an diesem Sonntag den Personen im Halbkreis. Er war Teil einer Studentengruppe, die unter dem HTWK-Professor Henning Rambow Stegreif Entwürfe für die Eckgestaltung erstellen sollten. Winklers Entwurf, den er gemeinsam mit seinem Studienkollegen Hamann vervollständigte, gewann die Zustimmung des Kirchenvorstands, der schon seit 26 Jahren die Idee einer Eckgestaltung verfolgte.

„Damals hing zum evangelischen Kirchentag ein Transparent mit dem Zitat von Martin Buber ‘Alles wirkliche Leben ist Begegnung’ über dem Zaun des Gemeindegartens“, berichtete das damalige Kirchenvorstandsmitglied Dr. Kurt Mader. „Weil es schon von Weitem zu sehen und zu lesen war, hatten wir den Gedanken, hier etwas Dauerhaftes entstehen zu lassen.“ Zwischenzeitlich genossen allerdings andere Bauvorhaben Priorität. Nachdem Winkler und Hamann nun entworfen hatten, trug Hamann den Entwurf in das Architekturbüro Denk, Thomas Forßbohm realisierte schließlich mit seiner Baufirma das Vorhaben. Und das in guter, alter Tradition, denn schon sein Urgroßvater baute am Gemeindehaus mit. Nun half der Urenkel bei der Errichtung der zweigeteilten Stele.

Die Kleinsten können durchs Guckloch nach "Betlehem" schauen. Foto: Marko Hofmann
Die Kleinsten können durchs Guckloch nach “Betlehem” schauen. Foto: Marko Hofmann

„Diese Zweiteilung symbolisiert die Gemeinschaft mit der Schwesternkirche St. Petri“, erläuterte Winkler, während sich Christoph Maier stellvertretend für den Kirchenvorstand über die Eckgestaltung freute. „Wir sehen in dieser Stele, die typisch kirchliche Formen aufgreift, sehr viel, nicht zuletzt auch den Schwung und Schweif unseres Logos.“

Maier vergaß nicht, die zahlreichen Spender zu würdigen, unter ihnen auch der verstorbene Tankstellenbesitzer und Nachbar der Gemeinde, Gerd Hollenhorst. „Herr Hollenhorst war von Anfang an Feuer und Flamme für unsere Idee, schon beim Richtfest für sein Haus hatte er 1.000 Euro eingesammelt. Seine Tochter wird hoffentlich ihres Vaters gedenken, wenn sie durch unser Guckloch biblische Geschichten entdeckt.“

Das Guckloch für Kinder und ein Schaukasten mit den neuesten Nachrichten sind in der Stele verarbeitet, die nun direkt an der Ecke steht.

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