Urlaubszeit bringt einen ja manchmal auf die irrsten Ideen. Manch einer setzt sich dann sogar in ein Flugzeug, um an irgendeinen entlegenen Ort der Welt zu gelangen und nimmt aus freien Stücken dieses ganze, teils lästige, teils entblößend-unwürdige Programm auf sich, welches man als Flugreisender eben zu absolvieren hat.

Schließlich wird einem am Flughafen zunächst klar vor Augen geführt, dass sich unsere Gesellschaft bei der Frage “Beibehaltung der individuellen Menschenwürde oder omnipräsente Sicherheitsvorkehrungen?” eindeutig für letztere entschieden hat. Es mag alleinstehende Passagiere geben, welche die Sicherheitskontrollen vor Flugreisen außerordentlich zu schätzen wissen, weil ihnen Körperkontakt mit einem liebend zugewandten Partner längere Zeit schon verwehrt geblieben ist. Im allgemeinen jedoch ist die Ganzkörperabtastung ohne Gürtel und auf Strümpfen coram publico eine eher entbehrlich erscheinende Grenzerfahrung – von hinten wie von vorn.

Trotzdem ist es falsch, jene Menschen, die damit beauftragt sind, am Reisenden diese Sicherheitsregeln zur Anwendung zu bringen, mit rüdem Verhalten oder Nichtbeachtung zu strafen.  Sie handeln nach bestem Wissen und Gewissen. Oder nach Anweisung.

Weitaus Peinigenderes als dieses Touristen-MRT jedoch lauert in ganz anderer Ecke:

Das Verhalten der coolen, erfahren wirkenden Passagiere, der “Vielflieger” bzw. jener, die aus einem unerfindlichen Grunde dafür gehalten werden wollen. Glaubt der bei der charmanten Darbietung der “safety rules on board” demonstrativ in seinen dämlichen FOCUS MONEY schauende feiste Ignorant neben einem denn wirklich, man hülfe ihm dann “im unwahrscheinlichen Falle eines Druckverlustes in der Kabine” beim Überziehen dieser Sauerstoffmaske?!

Das allerschlimmste aber sind und bleiben die Applaus-Verweigerer im – für mich unwahrscheinlichen – Falle einer Landung. Ich finde, man kann gar nicht lange und laut genug applaudieren für die Leistung eines Piloten, der nicht nur diese unglaubliche Reisehöhe für einen erklommen, sondern einen auch noch binnen weniger Stunden von einer Welt in eine gänzlich andere katapultiert hat! Nicht selten dabei schier Unverständliches in mindestens zwei Sprachen mittels einer absurden, aber sehr lässigen Satzmelodie aus dem Cockpit ins Mikro murmelnd.

Hinzu kommt, dass der Mitmensch ja sonst auch nicht gerade an überbordender Belobigungssucht seiner Umwelt leidet. Sollten wir uns da nicht über jede positive Regung im schweren deutschen Volkskörper freuen? Sie geradezu verstärken?

Also mal echt jetze! Mitklatschen ist doch unter diesem Gesichtspunkt folglich das Geringste, was man da machen kann! Extrovertierte sollten sogar eventuell  Pfiffe und Anfeuerungsrufe erwägen!

Ich würde diesen Imperativ übrigens gern erweitern:

Für den Busfahrer, der extra sacht anfährt, wenn ein frisches Hüftgelenk eingestiegen ist, für den Lokführer, der zur Arbeit kommt, für den Fährmann, der über der Blondine auf dem Schoß nicht die übrigen Passagiere vergisst, für den Arzt, der einem das richtige Raucherbein abgenommen hat ohnehin!

Warum nicht alle Menschen in der helfenden Branche oder in Dienstleistungsberufen Werkelnde mal beklatschen, statt immer nur zu fordern, fordern, fordern? Und zu klagen, wenn irgendetwas mal um etwas anderes als den eigenen, gepiercten Nabel kreist?

Wem der klatschende Mitreisende nicht behagt, der muss ja nicht fliegen. Die Seele reist ohnehin mit der Geschwindigkeit eines Kamels, wie es im arabischen Sprichwort so schön heißt. Dem ist wohl so. Das merkt man spätestens in den ersten Tagen, wenn man aus den Ferien zurückgekehrt ist, in diesem eigenartigen Zwischenzustand eines “Noch-nicht- hier-aber-auch-nicht-mehr-dort-Seins”.

Wann ist man denn tatsächlich von einer Reise wieder angekommen? Wenn man die Rechnungen aus dem Briefkasten zuhause fischt? Wenn das letzte Sandkorn aus der Hosentasche rieselt? Wenn das Henna-Tattoo zu verbleichen beginnt? Wenn der tägliche Broterwerb ruft? Oder der Strohhut nicht mehr zum Müllwegbringen getragen wird? Wenn die mehrstündigen Dia-Foto-Vorträge durch sind und das letzte Reisemitbringsel verheilt ist?

Vielleicht ist man angekommen, wenn man sich auf die nächste Reise zu freuen beginnt, denn wie bemerkte der – arabischen  Sprichwörtern an Charme in nichts nachstehende – Tucholsky erneut so treffend?

“Trudele durch die Welt. Sie ist so schön. Gib dich ihr hin, und sie wird sich Dir geben.” Es tut mir leid, ich könnte schon wieder … applaudieren.

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