Millionenfach hat man diesen Satz wohl schon von vernommen: von irgendeinem Herrn, der nicht selten im unterhemdesken Habitus das Gegenteil von Verve, Charme und Eleganz zu verkörpern meint. Gern auch in Kombination mit einer Körperbehaarung, die einem Silberrücken jene Rotschattierung ins Gesicht triebe, die der Pavian der Welt am Allerwertesten darbietet.

Und jedes einzelne Mal fragte ich mich dann: Warum? Wie kommt es nur, dass ausgerechnet diese Herren ernsthaft anzunehmen geneigt sind, ausgerechnet SIE seien aus einer herben Laune des Schicksals heraus zur expliziten Zielscheibe homoerotischer Phantasien auserwählt worden?

So seltsam diese Sichtweise, so hartnäckig scheint sie sich zu halten. Dennoch glaube ich, dass Schwule dieses Phänomen mit einem Schulterzucken oder einer hochgezogenen Augenbraue ganz gut abhaken können als das, was es ist: übliches Geschwätz derer mit schrägem Selbstbild. Die gibt es nun mal in jedem Winkel menschlicher Daseinsformen. Vielleicht ist es sogar wichtig, dass gerade diese Menschen sich verklärt wahrnehmen, sonst käme die Pharmaindustrie mal wieder vor Lachen nicht in den Schlaf. Auch ein Krankheitsbild für sich irgendwie.

Größere Sorgen hingegen machen einem die weniger expliziten Homosexuellen-Schmäher, die unter dem außerordentlich populären Deckmäntelchen der “Besorgnis” Menschen jedwede Chance auf ein gelingendes Leben verwehren, weil man offensichtlich täglich bis nachts um drei wachliegt, nicht verdrängen könnend, dass der Mitmensch unter der Bettdecke anders mopsfidel gemacht wird als man selbst.

Nur so ist es zu erklären, dass man erst gestern erneut in der Leipziger Volkszeitung über ein homosexuelles Pfarrerpaar lesen musste, dem es nicht vergönnt gewesen war, in einem nordsächsischen Dörfchen friedlich mit der Gemeinde samt Heidekönigin zu koexistieren. Und deswegen nun desillusioniert in eine offenere Gemeinde nach Norddeutschland überwechsle. In Sachsen ist man eben zugeknöpfter, wie zu lesen war. Bis zum Bischof hinauf habe man sich beschwert, man sei nicht vorab über die sexuelle Orientierung informiert worden (!), außerdem könne man doch kein Pfarrerpaar akzeptieren, das einen so von der Heiligen Schrift abdriftenden Lebensentwurf propagiere.

Es ist und bleibt erstaunlich.

Die beiden jungen Männer, um die sich der Zank rankte, waren ebenfalls abgebildet, wirkten jung, sympathisch, fast adrett, in keiner Weise wie entfesselte Party-Animals mit Federboas in jeder Pore oder adrenalingespeiste Sexmaschinen. Gut ausgebildet, engagiert, offen. Man hatte das Gefühl, Stefan Rost, der die Pfarrstelle in dem kleinen Ort bei Dahlen innehatte, wäre in der Lage gewesen, den Menschen dort noch viel Gutes angedeihen zu lassen. Aber das geht eben nicht, weil er wissentlich in Sünde lebt. Willkommen in der Gegenwart.

Es wird noch immer nirgendwo so viel Unglück heraufbeschworen wie in Fragen der menschlichen Sexualität. Und so viel Unsinn geredet: Als zum Beispiel Günter Jauch noch an Sonntagabenden im TV herumzuöden pflegte, saß bei diesem vor einigen Monaten ein Experte herum, welcher der Nation erklärte, dass 50 % aller Männer, die sich an Kindern vergreifen, gar nicht pädophil seien, sondern nur “auf Kinder ausgewichen”, weil sie bei Erwachsenen nicht landen konnten/können. Was der Zuschauer mit dieser Information allerdings sollte, erfuhr er nicht. Ob man perspektivisch alle Pädophilen durchtherapieren oder allen Pseudopädophilen doch noch jemanden über 16 verschaffen solle, blieb offen.

Fakt ist: Die Resultate ausgelebter Sexualität BEIDER genannter Sparten werden immer mehr als bedauerlich sein und doch vermutlich niemals auszurotten.

Manchmal allerdings habe ich das Gefühl – vor allem wenn man am Samstagnachmittag Großstadt-Paare beim Shopping beobachtet, bei denen das Weibchen kaum größer und schwerer wirkt als die Summe ihrer Einkaufstüten, dass es eine gewisse Dunkelziffer an Männern gibt, die bei Kindern nicht landen konnten und auf Erwachsene ausgewichen sind. Allemal besser sicherlich, aber so richtig glücklich wirkt diese Konstellation auch oft nicht. Hoffentlich täusche ich mich wieder mal.

Sicher aber ist:

Ich wünsche mir für 2016 mehr glücklichere Konstellationen für alle. Auf dass man nicht so sehr viel darüber reden muss, welche Körperteile der Mitmensch irgendjemandem auf geheimnisvolle Weise überzuhelfen pflegt, sondern dass dies viel mehr Menschen selber glückt. Dann könnten wir uns nämlich endlich auf ein paar andere interessante Sachgebiete stürzen, die einer ebenso nicht ganz undringenden Bearbeitung harren.

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