Immer wieder geraten Menschen, die gegen Legida, AfD und ähnliche rechtsradikale Gruppierungen demonstrieren, in den Fokus der Ordnungsbehörden. Das Vorgehen gegen eine vermeintlich unerlaubte Ansammlung Anfang vergangenen Jahres hat sich mittlerweile als rechtswidrig herausgestellt. Nun droht Aktivisten Ungemach wegen einer Polizeimaßnahme am Rande einer AfD-Kundgebung im November.

Wenn die Alternative für Deutschland (AfD) ihre Anhänger zur Demonstration aufruft, dann ruft das in der Regel auch ihre Gegner auf den Plan. Im vergangenen November versammelten sich etwa 250 Personen zur Kundgebung der rechtsradikalen Partei auf dem Simsonplatz vor dem Bundesverwaltungsgericht. Direkt gegenüber – vor dem Landgericht – protestierte eine Menge von mehr als 50 Personen gegen die AfD. Die Polizei hatte die Protestler zunächst dorthin verwiesen, nachdem sie ursprünglich direkt auf dem Simsonplatz standen.

Vor dem Landgericht riefen die Gegendemonstranten verschiedene Parolen, zeigten Schilder und verhielten sich dabei friedlich. Den Ordnungsbehörden der Stadt waren sie dennoch ein Dorn im Auge. Diese forderten die Personen auf, sich zu der angemeldeten Kundgebung in der Beethovenstraße zu begeben. Die Meisten blieben jedoch vor dem Landgericht stehen. Eine Einzelperson versuchte, eine Spontandemonstration an Ort und Stelle anzumelden – jedoch ohne Erfolg. Die Polizei kesselte die Menschengruppe schließlich ein und nahm die Personalien der Anwesenden auf.

Mittlerweile hat die Zentrale Bußgeldbehörde einen Anhörungsbogen an diese Personen verschickt. Darin werden sie aufgefordert, sich zu dem Geschehen im November zu äußern. In dem Schreiben, das der L-IZ vorliegt, wird den Beschuldigten vorgeworfen, sich trotz mehrmaliger Aufforderung nicht aus einer öffentlichen Ansammlung entfernt zu haben. Stefan Plotz* gehört zu jenen, die sich während der AfD-Demo unerlaubt angesammelt haben sollen. „Für mich war die Situation aber vollkommen unübersichtlich. Es gab verschiedene Durchsagen der Polizei und zwischendurch hat jemand versucht, noch schnell eine Kundgebung anzumelden.“

Plotz kann nicht nachvollziehen, warum es den Menschen untersagt wurde, vor dem Landgericht zu protestieren. Die Polizei verweist bei Fragen zu diesem Thema an das Ordnungsamt. Dieses lässt auf Anfrage mitteilen: „Die Polizei hat offenbar eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gesehen, so dass sie der Gefahr mit einer Beschränkung begegnete.“ Das heißt, sie habe die Kreuzung Harkortstraße/Straße des 17. Oktober als alternativen Versammlungsort benannt.

Der Grünen-Landesvorsitzende und „No Legida“-Aktivist Jürgen Kasek war an diesem Tag ebenfalls vor Ort. Er hält die Polizeimaßnahme für rechtswidrig. Seiner Ansicht nach lag eine solche Gefährdung nicht vor. Die Initiative „No Legida“ ruft deshalb alle Personen, die von der Bußgeldbehörde einen Anhörungsbogen erhalten haben, dazu auf, sich bei ihr zu melden.

Eingekesselt und nicht weggegangen?

Stefan Plotz ärgert sich noch aus einem weiteren Grund über das Schreiben. Er hätte gar keine Möglichkeit gehabt, die Menschenmenge zu verlassen, sagt er. „Von allen Seiten haben Polizisten geschoben und direkt um mich herum standen Gegendemonstranten“, so Plotz. Ein noch am selben Tag im Internet veröffentlichtes Video scheint diese Darstellung zu stützten. In dem knapp einminütigen Clip ist zu hören, wie ein Polizeibeamter zum Verlassen des Ortes auffordert. Plotz steht im hinteren Teil der Menschenmenge, umringt von Polizisten und Gegendemonstranten. Letztere hatten sich zum Teil ineinander verhakt. Die Frage, wie er die Ansammlung hätte verlassen sollen, wollte die Polizei auf Anfrage nicht beantworten, auch weil die kurze Videosequenz die Situation nicht im Gesamten darstelle.

Einige Wochen vor diesem Gegenprotest war es am Rande einer Kundgebung der „Offensive für Deutschland“ in Markkleeberg zu einer ähnlichen Situation gekommen. Am 24. Oktober sollen 125 Personen gegen das sächsische Versammlungsgesetz verstoßen haben, indem sie der dreifachen Aufforderung der Polizei, eine Blockade zu verlassen, nicht folgten. Anwesende behaupteten hinterher, die Durchsagen nicht gehört zu haben oder erst verspätet dazugestoßen zu sein. Nach L-IZ-Informationen dauern die Ermittlungen hierzu noch an. Die Staatsanwaltschaft hat sich auf Anfrage nicht geäußert.

Ein Ende haben hingegen die Auseinandersetzungen rund um eine unerlaubte Ansammlung am 12. Januar 2015 am Gohliser Mückenschlösschen gefunden. Mehrere Personen – die genaue Anzahl war ebenfalls Bestandteil der Anfrage an die Staatsanwaltschaft – hatten Bußgeldbescheide erhalten, weil sie sich nach dreimaliger Aufforderung nicht aus der Menschengruppe entfernt haben sollen. Später stellte sich mithilfe eines Videos jedoch heraus, dass es entgegen der Aussagen der Polizeibeamten lediglich zwei Aufforderungen zum Verlassen gegeben hatte.

Wer gegen den Bußgeldbescheid keinen Widerspruch eingelegt hatte oder wessen Widerspruch bereits vor der korrekten Auswertung des Videos am Amtsgericht verhandelt wurde, könnte nun dennoch auf den Kosten sitzen bleiben. Rechtsanwalt Jürgen Kasek rät den Betroffenen, bei der Bußgeldbehörde ein formloses Schreiben einzureichen und die Aufhebung des Bescheids zu beantragen. Eine Garantie auf Erfolg gebe es allerdings nicht.

* Name von der Redaktion geändert

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Keine Kommentare bisher

Wenn man sich die ganze Zeit mit harmlosen Demonstranten aufhält wunderts ja irgendwie nicht, dass einem da der ein oder andere gewalttätige Wutbürger durch die Lappen geht. Nur so ne Vermutung meinerseits, aber vielleicht hätte es ein paar verletzte Journalisten weniger gegeben, wenn sich die uniformierte Truppe mal um die wichtigen Dinge kümmern würde?

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