Seit auch die großen Bosse über die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens reden, ist das Thema nicht mehr tabu und werden seine Befürworter nicht mehr als linke Spinner abgetan. Denn dieses BGE ist nicht deshalb so ein Zündstoff, weil dann alle Leute auf der faulen Haut liegen würden, wie gern argumentiert wird. Es wäre viel besser (oder aus Einpeitschersicht viel schlimmer): Für die wirklichen Dreckjobs würde sich wohl keiner mehr so richtig begeistern. Eine Umfrage belegt es.

Das Marktforschungsinstitut Splendid Research aus Hamburg hat im Oktober und November 2017 im Rahmen einer repräsentativen Umfrage 1.024 Deutsche zwischen 18 und 69 Jahren online zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen befragt. Untersucht wurde unter anderem, wie bekannt das Konzept in der Bevölkerung ist, wie die Deutschen einer Einführung gegenüberstehen, welcher Betrag hierfür als angemessen empfunden wird und ob man weiterhin erwerbstätig bleiben würde.

Immerhin ist das BGE mittlerweile den meisten Befragten bekannt.

Zwei Dritteln der Deutschen ist das Bedingungslose Grundeinkommen ein Begriff. Genauer: 67 Prozent. Im Durchschnitt befürwortet eine Mehrheit von 58 Prozent der Bundesbürger nach dem Lesen einer Definition seiner Einführung.

Dabei zeigt sich, wie stark politische Willensbildung vom Kontext abhängig ist, denn natürlich macht das BGE nicht unter allen Umständen Sinn. Was in der Diskussion gern vergessen wird: Die konkreten Rahmenbedingungen sind wichtig, um diese Art der sozialen Sicherung überhaupt einordnen zu können.

Und um Emotionen geht es natürlich auch: Wenn in der Definition die Vorteile überwiegen, stimmen 64 Prozent der Deutschen für das Konzept. Überwiegen die Nachteile, sind es hingegen nur 46 Prozent. Man ahnt schon, wie einige Parteien argumentieren werden, um es entweder zu verhindern oder zu ermöglichen.

Der angemessene Betrag für ein Bedingungsloses Grundeinkommen liegt für die Deutschen bei durchschnittlich 1.137 Euro monatlich. Dabei spielt offenbar auch das individuelle Gerechtigkeitsempfinden eine Rolle. Personen, die die Welt für eher gerecht halten, schlagen einen Betrag von 1.093 Euro vor, während Menschen, die die Welt für eher ungerecht halten, 1.239 Euro als angemessen einstufen.

Und dann kam die Umfrage zum Knackpunkt.

Denn: Viele Jobs werden heute schlichtweg deshalb gemacht, weil die Betroffenen keine Chance zum Ausweichen haben. Sie müssen sich mit miserablen Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen abfinden, mit hohem Stresspegel, miesen Chefs, gesundheitsschädlichen Belastungen, miserabler Bezahlung, Monotonie, langen Anfahrtswegen und oft genug fehlendem gewerkschaftlichem Schutz.

Und genau das ist der Punkt, an dem einige Arbeitgeber beginnen, in Panik zu verfallen. Denn wie sollen sie Leute für diese miserablen Jobs finden, wenn ihnen der Druck von „Hartz IV“ keine mehr zutreibt?

Normalerweise wären sie dann gezwungen, diese Jobs besser zu bezahlen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das wäre der Druck, der durch Einführung des BGE entstehen würde.

Das kommt in der Befragung zumindest indirekt zur Geltung. Sie bestätigt zumindest, dass mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens gravierende Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt verbunden wären. Je nach Höhe des monatlichen Geldbetrags würden bis zu 38 Prozent der Beschäftigten in Deutschland den Beruf oder den Arbeitgeber wechseln, ihre Stundenzahl reduzieren oder sogar überhaupt nicht mehr arbeiten. Von den Berufstätigen mit einer abgeschlossenen Lehre würde ein Viertel erwägen, die Berufstätigkeit vollständig an den Nagel zu hängen. Unter Akademikern hingegen würde nur jeder Fünfte darüber nachdenken, überhaupt nicht mehr zu arbeiten.

„Damit könnte sich durch die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland der Fachkräftemangel in bestimmten Berufen vergrößern“, bilanziert Studienleiterin Nadine Corleis von Splendid Research.

Wobei die Umfrage eben die konkreten Gründe für eine Aufgabe des Jobs nicht abgefragt hat. Hier muss zwingend weiter gefragt werden. Denn wenn man weiß, warum Menschen den Job aufgeben oder wechseln würden, könnte man auch gegensteuern. Personalmangel entsteht nicht unbedingt, weil eine Arbeit anstrengend ist, sondern weil die Menschen das Gefühl haben, dass die Anstrengung nicht fair honoriert wird.

Und dann kommt da diese durch den Neoliberalismus bestärkte Haltung durch, in der selbst die Arbeitenden schlecht über ihresgleichen denken. Motto: Wenn es keinen Zwang zur Arbeit gibt, werden alle faul.

Ergebnis: Die Deutschen denken schlechter über ihre Mitbürger als über sich selbst. Während bei einem Grundeinkommen von 1.000 Euro pro Monat 9 Prozent von sich selbst sagen, dass sie definitiv nicht mehr arbeiten würden, erwarten sie dies von durchschnittlich 28 Prozent der anderen Beschäftigten.

Was übrigens noch eine Aussage in sich schließt. Denn wenn Menschen so denken, ist Arbeit (auch schlecht bezahlte) trotzdem ein wesentliches Element in ihrem Leben, ein wichtiger Teil sozialer Teilhabe.

Man könnte drauf wetten: Die meisten Menschen würden trotzdem arbeiten wollen – nur nicht in diesem Job oder unter diesen Bedingungen.

Teilzeitarbeit und die unterschiedliche Bezahlung der Geschlechter machen sich auch beim Bedingungslosen Grundeinkommen bemerkbar: Frauen würden durchschnittlich bereits ab einem Betrag von 1.477 Euro aufhören zu arbeiten, Männer hingegen würden erst ab 1.830 Euro kündigen.

Einen positiven Effekt könnte das Bedingungslose Grundeinkommen auf das lokale Engagement in Deutschland haben. Denn auch das ist Arbeit, auch wenn es von vielen Politikern für überflüssig gehalten wird.

Gut ein Drittel der Bundesbürger kann sich vorstellen, bei staatlicher Unterstützung in eine Region mit billigen Mieten und niedrigen Preisen zu ziehen und dort ehrenamtlich zu arbeiten oder ein Unternehmen zu gründen.

„Dies könnte zu einem Aufschwung in Regionen führen, die in den letzten Jahren eine starke Abwanderung verzeichneten“, meint Corleis noch. Aber es würde auch die Panik aus einem Teil der Gesellschaft nehmen, wo selbst das heutige Arbeitseinkommen oft nicht reicht, die laufenden Ausgaben zu decken.

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