„Zeit ist Geld“ – dieses zum Sprichwort avancierte Zitat stammt von Benjamin Franklin, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten. Es ist nachzulesen in seinem 1748 erschienenen Buch „Ratschläge für junge Kaufleute“. Seitdem bestimmt es zunehmend unsere Vorstellung von der Zeit. Mit Beginn der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erlangte der Kontrolle der Arbeitszeit eine große Bedeutung. In der bis dahin bäuerlich geprägten Gesellschaft wurden die Arbeiten in der Regel erledigt, wenn sie anfielen, abhängig von Jahreszeit und Bedarf. Zu jener Zeit lebten 85 Prozent der Bevölkerung in Deutschland auf dem Land – die Städte, in denen die Zünfte das Sagen hatten, waren meist noch sehr mittelalterlich geprägt.

Dies änderte sich schlagartig mit der Industrialisierung. Die Städte wuchsen, Fabriken schossen wie Pilze aus dem Boden. Dort brachten Werksglocken und -sirenen ein neues Zeitregime mit sich. Arbeitsanfang und -ende wurden vom Fabrikbesitzer bestimmt. Die Betriebe verfügten über ein eigenes Uhren- und Glockensystem, um die Arbeiter in den Takt der Maschinen einzustimmen.

Um 1900 kamen die ersten Stech- oder auch Stempeluhren zum Einsatz und machten eine individuelle Zeiterfassung möglich. Bei jedem Ein- und Ausgang musste der Arbeiter seine Kontrollkarte in einem Schlitz dieser Uhr stecken und die jeweilige Zeit wurde darauf gestempelt. Die Uhr trug wesentlich dazu bei, die Pünktlichkeit als neue Tugend des Industriezeitalters zu etablieren. Als Vorlage diente eine Kontrolluhr, die erstmals 1797 eingesetzt wurde.

Disziplinierung zur Pünktlichkeit

Sie geht auf den in Amerika geborenen Grafen von Rumford, eigentlich Sir Benjamin Thompson, zurück. Er trat 1784 in den bayerischen Staatsdienst ein und wurde zum Kriegsminister ernannt, dem auch die Polizei unterstand. Während seiner Amtszeit sorgte er für viele Neuerungen. Die Stadt München hat ihm nicht nur den Englischen Garten zu verdanken, sondern auch die Einführung der Polizeistunde.

Um seine Reformen durchsetzen zu können, war er auf eine gut funktionierende Verwaltung angewiesen. In den damaligen Amtsstuben ging es aber eher beschaulich zu. Überlieferungen sprechen davon, dass die Beamten lieber in den Wirtshäusern saß. Die Kontrolluhr erlaubte es Rumford, die Pünktlichkeit seiner Beamten zu überprüfen.

Jeder Beamte erhielt dafür eine persönliche Kennmarke, die er durch einen Schlitz in die Uhr einwerfen musste. Im Innern der Uhr bewegte sich mit der Zeit ein zylindrischer, in Fächer unterteilter Behälter. Eine verspätet eingeworfene Marke landete unweigerlich in einem falschen Zeitfach und das Versäumnis des Beamten wurde sichtbar. Bei diesem einfachen Prinzip war natürlich ein Betrug möglich. Jederzeit konnte ein Beamter die Kennmarke eines anderen einwerfen. Was aber selten vorgekommen sein soll, denn dieses Vergehen wurde mit Entlassung aus dem Beamtendienst geahndet, was oftmals existenzbedrohend war.

Neue Zeitordnung

App zur Arbeitszeiterfassung 2021. Foto: elvitmemaster / pixabay
App zur Arbeitszeiterfassung 2021. Foto: elvitmemaster / pixabay

Ein weiterer Meilenstein bei der Zeiterfassung war der Kontrollapparat. Dieser Begriff erschien erstmals 1897 in Meyers Großem Konversations-Lexikon: „Um Arbeiter bezüglich des Anfangs und Endes, der Dauer ihres Arbeitstages zu kontrollieren, sind Arbeiterkontrollapparate angegeben worden…“ Über ein System von Marken, die an einer Nummerntafel auf- und niederklappbar mit Hebeln mechanisch gekoppelt waren, wurden Schreibhebel auf eine umlaufende, mit Papier bespannte Trommel gedrückt.

„Aus der Länge der von den Schreibstiften verzeichneten Linien ist daher zu erkennen, wie lange jeder Arbeiter zugegen war.“ Der Apparat war jedoch nicht lange im Einsatz. Aufgrund der technischen Störanfälligkeit der Hebel, der Manipulierbarkeit der Markenstellungen und des enormen Papierverbrauchs erwies er sich als ungeeignet.

Vor allem Uhrenfabriken wie die Württembergische Uhrenfabrik Bürk oder Schlenker-Grusen (heutzutage als ISGUS bekannt) perfektionierten das System der Zeitaufzeichnung immer weiter. Sie entwickelten und testeten verschiedene Produkte: Arbeitszeitregistrierapparate, Zentral- und Nebenuhren, Akkordzeit-Stempelapparate auf mechanischer, später elektrischer und derzeit funkelektronischer Technologie. Moderne Arbeitszeitmodelle wie etwa das „Gleitzeitkonto“ wurden durch diese Erfassungsgeräte erst möglich.

Heutzutage bieten Firmen Software für die spezielle Zeiterfassung an, mit welcher die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit bequem beispielsweise per App erfassen und kontrollieren können. Somit hat die Arbeitszeiterfassung einen eindrucksvollen Wandel erlebt: von der zur Disziplin erziehenden Kontrolluhr zu einem Instrument, mit dem Arbeitnehmer beweiskräftig ihre Arbeitszeit dokumentieren und abrechnen lassen können und somit auch sehr flexibel ihre Arbeitszeit planen können.

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar