Es gibt Themen, zu denen taucht Leipzigs Verwaltung lieber ab, um sie nicht ernsthaft anpacken zu müssen. Zu diesen gehört das Thema saubere Luft. Eigentlich Inhalt des Luftreinhalteplans, der zuletzt 2009 aktualisiert wurde. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Dafür gibt es seit Wochen dicke Luft in Leipzig.

„An der Messstation Lützner Straße wird der Grenzwert für die Feinstaubbelastung seit Tagen überschritten. Am letzten Freitag lag die Belastung mit 79 deutlich über dem Grenzwert von 50µg/m³“, kommentiert Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Stadtrat, die Messwerte vom Dienstag, 14. Februar. Seit Wochen sorgt ein Hochdruckgebiet dafür, dass sich die Luft über Sachsen kaum noch bewegt und die Feinstaub-Partikel über den Städten festhängen. Ein Großteil davon wird vor Ort selbst produziert – über Verbrennungsanlagen und motorisierten Verkehr.

„Bereits jetzt, nach nicht einmal zwei Monaten, wurde der Grenzwert in 2017 an 16 Tagen überschritten, zulässig sind Überschreitungen an 35 Kalendertagen pro Jahr“, sagt von der Heide. „Dies zeigt, dass die Umweltzone nicht ausreicht und die Kommunen vom Gesetzgeber dringend weitere Möglichkeiten brauchen, um insbesondere die Nutzung von Diesel-Motoren weiter einschränken zu können. Man darf in diesem Zusammenhang aber auch erwähnen, dass die Fortschreibung des Luftreinhalteplanes der Stadt Leipzig seit Ewigkeiten auf sich warten lässt. Nach Informationen der Stadtverwaltung sollte die Fortschreibung des Luftreinhalteplans im III./IV. Quartal 2016 erfolgen.“

Der 2009 beschlossene Luftreinhalteplan beinhaltet zwar dutzende einzelner Maßnahmen, mit denen in Summe die Schadstoffbelastung (nicht nur für Feinstäube) deutlich gesenkt werden sollte. Aber die meisten Maßnahmen wurden nur zögerlich oder in viel zu geringem Maß angepackt. Dauerthema im Stadtrat sind zum Beispiel die Anpflanzaktionen für Straßenbäume, für die stets die nötige Finanzausstattung fehlte.

Die Umweltzone wurde zwar 2011 eingeführt und sorgte auch dafür, dass die Innenstadtbelastung durch Ruß aus dem Lkw-Durchgangsverkehr deutlich zurückging. Aber sie kann nichts an den innerstädtischen Belastungsquellen ändern, zu denen nach wie vor auch Kamine und Öfen gehören, die an kalten Tagen befeuert werden. Das scheint gerade im Messbereich der Station an der Lützner Straße ein schwerwiegendes Thema zu sein. Aber eine feste Größe bei der Rußbelastung spielen auch die in Leipzig registrierten Dieselfahrzeuge, die keineswegs – wie von der Autoindustrie versprochen – mit jedem Jahr geringere Schadstoffwerte aufwiesen. Der Diesel-Skandal hat ja erst in aller Breite ans Licht gebracht, dass die Umweltplaketten für Dieselfahrzeuge nichts über den tatsächlichen Schadstoffausstoß dieser Fahrzeuge aussagen.

Es ist also nicht nur Leipzigs Verwaltung, die sich bei diesem Thema lieber wegduckt.

Und dass es keinen neuen Luftreinhalteplan gibt, kann durchaus daran liegen, dass man nicht mal den alten richtig umgesetzt hat. Da kommt noch eine ordentliche Debatte auf den Stadtrat zu. Gerade dann, wenn es um das Geld für die nötigen Maßnahmen geht.

Denn eindeutig spielt der Verkehr eine wichtige Rolle. Aber dort kann sich das Problem nur minimieren, wenn sich die Bedingungen für Radfahrer und ÖPNV deutlich verbessern. Da muss investiert werden.

Aber genau das ist das Problem, stellt Claudia Maicher, Leipziger Landtagsabgeordnete der Grünen, fest: „Saubere Luft ist ein wichtiges Stück Lebensqualität für alle Anwohnerinnen und Anwohner. Der Freistaat könnte die Kommunen beim Kampf gegen die Feinstaubbelastung besser unterstützen. Bisher sträubt sich der sächsische Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) gegen eine Blaue Plakette, nennt aber auch keine überzeugende Alternative, mit der die Feinstaubreduzierung in besonders belasteten Gebieten, wie an der Lützner Straße, gelingen soll. Allein mit der Investition in intelligente Leitsysteme, wie es das Verkehrsministerium vorschlägt, werden die Stickoxid-Belastungen nicht zu reduzieren sein.“

Die Stadt Leipzig greift ja zu jedem Strohhalm und hat die Idee solcher intelligenten Leitsysteme übernommen. Aber die wirken nur bei Sonderereignissen wie etwa im Sportforum regulierend. Für eine Kommunikation mit den Leipzigern, schadstoffträchtige Fahrzeuge bei hoher Luftbelastung einfach stehen zu lassen, wird auch das neue Leitsystem nicht ausgelegt sein. Die Verwaltung ist es erst recht nicht. Die Warnungen zur Feinstaubbelastung kamen nicht aus dem Leipziger Rathaus, sondern aus dem sächsischen Umweltministerium.

„Anstatt die Stadt Leipzig mit den hohen Kosten, die mit Verkehrsleitsystemen verbunden sind, weiter zu belasten, sollte das Land Kommunen stärker dabei unterstützen, sichere Radwege und den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Ziel muss es sein, den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV und das Fahrrad attraktiver zu machen“, benennt Maicher den sinnvollsten Weg, die Luftbelastung in Leipzig deutlich zu verringern. „Die Vorschläge meiner Fraktion im Haushaltsverfahren, das Personal für die Radverkehrsplanung im Land aufzustocken und Kommunen den Bau von Fahrradstationen aus Radverkehrsfördermitteln zu ermöglichen, scheiterten leider an CDU und SPD im Land.“

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