Noch in den 1970ern verzeichnete die Bundesrepublik Deutschland (BRD) die höchste Sterblichkeitsrate aller Industriestaaten – für das Ehepaar Ute und Siegfried Steiger eine Tatsache, die sie nicht einfach so hinnehmen wollten. Im Gespräch mit verschiedenen Ärzt*innen merkten sie schnell: Eine Ursache waren fehlende Transport-Kapazitäten.

Da Entbindungs- und Kinderkliniken zu dem Zeitpunkt noch mehrheitlich auf verschiedene Standorte aufgeteilt waren, war man umso mehr darauf angewiesen, Neugeborene für Behandlungen zu transportieren. So ging 1974 schließlich der erste Babynotarztwagen der Björn-Steiger-Stiftung, ein extra auf die Bedürfnisse der kleinsten Patient*innen ausgelegtes Notfallfahrzeug, in den Einsatz.

Seit 2017 auch in Leipzig: 1.107 Fahrten hat der Leipziger Babynotarztwagen „Felix“ hinter sich gebracht, seit seinem Einzug in die Stadt. Das System ist eine wichtige Unterstützung bei der Versorgung und dem Transport von früh- und neugeborenen Kindern. „Eine wertvolle Ressource“, ist auch die Leipziger Stadtverwaltung überzeugt.

Spezielle Ausstattung für Frühgeborene

In dem Wagen werden die Kleinsten zum einen quer transportiert und zum anderen durch ein spezielles Dämpfungssystem in eine Art „Schwebezustand“ versetzt. „Bei Frühchen und jungen Babys ist die Schädeldecke noch nicht gefestigt.

Das heißt, das Gehirn kann stark belastet werden, wenn der Tragetisch beispielsweise längs im Wagen angeordnet ist. So sind die Kräfte, die beim Fahren auf den Körper einwirken, belastender“, beschreibt Pierre-Enric Steiger, Vorsitzender der Björn-Steiger-Stiftung und Sohn des Gründerehepaares, das System.

Die Stiftung, die sich seit den 1950ern für die Verbesserung der Notfallversorgung in Deutschland einsetzt, hat „Felix“ spendenfinanziert und der Stadt Leipzig vor sechs Jahren zur Verfügung gestellt. Seitdem fährt der Babynotarztwagen laut Verwaltung jährlich um die 185 Mal aus.

Cover Leipziger Zeitung Nr. 119, VÖ 24.11.2023. Foto: LZ

Die Fahrzeuge werden grundsätzlich an sogenannte Level-1-Zentren „angedockt“, in Leipzig sind das die Universitätsklinik (UKL), das St. Georg-Krankenhaus sowie das Herzzentrum. Das ist auch eine Frage entsprechend geschulten Personals.

Steiger erklärt: „Auf den Fahrten sind sowohl Neonatologen (Zweig der angewandten Kinderheilkunde, der sich mit Neugeborenenmedizin und Neugeborenenvorsorge, Anm. d. Red.) als auch Kinderintensivschwestern dabei.

Eine solche Besatzung ist sonst eher nicht im Rettungswagen anwesend. In Leipzig ist das Level in der Versorgung von Frühchen im bundesweiten Vergleich auf einem sehr hohen Niveau. Deshalb war es klar, dass die Stadt einen Babynotarztwagen haben sollte.“

Oftmals ist „Felix“ auch im Leipziger Umland im Einsatz, bringt Frühgeborene und Babys, die besonderer medizinischer Versorgung bedürfen, in eines der drei darauf spezialisierten Krankenhäuser. Auch dient das Fahrzeug für den „Sekundärtransport“, die Fahrten zwischen den drei Leipziger Kliniken. Neben Leipzig haben auch die Städte Halle (Saale), Chemnitz und Jena „Felix“ im Einsatz ebenso wie Oldenburg, Stuttgart und Winnenden.

Inzwischen fährt die fünfte Generation des speziellen Notarztwagens auf den Straßen. Immer wieder hat man Technik und System angepasst und verbessert. Seit 2012 trägt der Spezial-Rettungswagen den Namen „Felix“, „der vom Glück Begünstigte“. Und Glück braucht es auch manchmal, wenn eine Geburt nicht wie geplant verläuft.

„Am besten es ist natürlich, wenn Frauen, bei denen eine Risikoschwangerschaft besteht, frühzeitig in eine Spezialklinik kommen, sodass ein Transport vermieden werden kann.“ Das habe laut Steiger bisher in vielen Regionen auch gut funktioniert. „In den nächsten Jahren aber wird aber die Konzentration der Kliniken, welche Frühgeborene behandeln dürfen, weiter reduziert. Wir werden also mehr auf den Transport angewiesen sein.“

„Ein Rettungsfahrzeug für die kleinsten Patient*innen: Der Babynotarztwagen ‚Felix‘“ erschien erstmals im am 24.11.2023 fertiggestellten ePaper LZ 119 der LEIPZIGER ZEITUNG.

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