Die Staatsanwaltschaft Leipzig führt im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen vom 02.06.2023 und 03.06.2023 in Leipzig zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen bekannte und unbekannte Beschuldigte, insbesondere wegen des Tatvorwurfs des Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall, des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und der gefährlichen Körperverletzung.

Anlass für den sogenannten „TagX“ war das vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden geführte Strafverfahren gegen Lina E. und andere wegen des Tatvorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung, auch genannt „Antifa-Ost-Verfahren“. In dem Zusammenhang wurde seit Monaten durch verschiedenste Gruppierungen zu einem sogenannten „TagX“ als zentraler Protestveranstaltung an dem Wochenende nach der Urteilsverkündung in Leipzig aufgerufen.

Nachdem durch das Oberlandesgericht am 24.05.2023 der Termin zur Urteilsverkündung auf den 31.05.2023 festgesetzt worden war, erfolgte in den einschlägigen sozialen Medien sowie Internetseiten eine entsprechende Mobilisierung im Hinblick auf den nunmehr als „TagX“ feststehenden 03.06.2023 in Leipzig.

Aufgrund des Inhalts der Aufrufe und der Ankündigungen zu einem – insbesondere auch im Fall eines Versammlungsverbots – militanten Protest von erheblicher Größenordnung, bereitete sich die Staatsanwaltschaft Leipzig in Abstimmung mit der Polizei durch Einrichtung eines zusätzlichen Bereitschaftsdienstes auf das nicht ausschließbar gewalttätige Protestgeschehen vor.

Durch die Stadt Leipzig wurde am 31.05.2023 eine Allgemeinverfügung erlassen, wonach die Anmeldung von Versammlungen im Zusammenhang mit dem „Antifa-Ost-Verfahren“ nach dem 31.05.2023 für das Wochenende 03.06./04.06.2023 nicht möglich und die Teilnahme an entsprechenden Versammlungen untersagt ist.

Das durch die Stadt Leipzig mit Bescheid vom 01.06.2023 ausgesprochene Verbot der für dieses Wochenende bereits seit längerem angemeldeten Versammlung zum Protest gegen das „Antifa-Ost-Verfahren“ und die diesem Verbot zugrundeliegende Gefahreneinschätzung wurden am 02.06.2023 sowohl durch das Verwaltungsgericht Leipzig als auch durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht bestätigt.

Am Abend des Freitags, 02.06.2023, kam es im Bereich Connewitz zu schweren Gewaltstraftaten von mehreren hundert überwiegend vermummten und dunkel gekleideten Personen gegenüber der Polizei und zu zahlreichen Sachbeschädigungen, der Errichtung und Inbrandsetzung von Straßenblockaden sowie zu Brandstiftungen auch an Kraftfahrzeugen. Dabei wurden zahlreiche Polizeibeamte verletzt. Es wurden insgesamt fünf Personen vorläufig festgenommen. Gegen diese wurde am Folgetag aufgrund entsprechender Anträge der Staatsanwaltschaft jeweils ein Haftbefehl erlassen.

Diese Entscheidungen hat der zuständige Bereitschaftsrichter getroffen. Die Zuständigkeit der Bereitschaftsrichter wird für ein Jahr im Voraus beschlossen. Der entsprechende Bereitschaftsdienstplan umfasst alle Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Landgerichtsbezirk Leipzig. Die Staatsanwaltschaft hat auf die Einteilung der Richter keinen Einfluss.

Am Sonnabend, 03.06.2023, war die Staatsanwaltschaft mit insgesamt vier zusätzlichen Bereitschaftsstaatsanwälten im Einsatz. Anlass hierfür war die durch die Ereignisse vom Vortag bestätigte Einschätzung, dass es aufgrund der nach dem inzwischen gerichtlich bestätigten Versammlungsverbot erfolgten militanten Aufrufe auch am 03.06.2023 zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt. Diese Bereitschaftsstaatsanwälte waren unter anderem im Führungsstab der Polizei mit anwesend.

Für den Sonnabend, 03.06.2023, war nur eine angemeldete Versammlung nicht verboten, die mit einer mutmaßlichen Teilnehmerzahl von 100 Personen angemeldet worden war. Im Verlauf des Nachmittags war ein starker Zulauf von Teilnehmern zu dieser Versammlung festzustellen, so dass nach Einschätzung der Polizei schließlich mindestens 1.500 und nach eigener Einschätzung des Versammlungsleiters ca. 2.000 Personen vor Ort waren.

Mehrere hundert Personen wurden durch die Polizei als gewaltbereit angesehen. Das konkretisierte sich durch zunehmende Vermummungen, das Aufspannen von schwarzen Regenschirmen und schließlich das Aufnehmen von Wurfgegenständen. Diese Feststellungen konnten durch die Staatsanwaltschaft selbst aufgrund der vorliegenden Videoaufnahmen im Führungsstab getroffen werden.

Auf der Versammlung kam es ab 18.05 Uhr zu gewaltsamen Angriffen auf Polizeibeamte, die sich nach Beendigung der Versammlung durch den Versammlungsleiter um 18.10 Uhr weiter fortsetzten. Durch die Polizei gelang es in der Folgezeit im Bereich des Heinrich-Schütz-Platzes die Personen zu umschließen, die nach deren Einschätzung den Kern der gewalttätigen Menschenmenge bildeten.

Durch die Staatsanwaltschaft wurde nach Sichtung der vorliegenden Videoaufnahmen und Bilder im Führungsstab entschieden, dass gegen die an den gewalttätigen Ausschreitungen mutmaßlich beteiligten Personen ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts des Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall, des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und der gefährlichen Körperverletzung eingeleitet wird.

Zur weiteren Prüfung und Entscheidung über die notwendigen strafprozessualen Maßnahmen wurde um 18.45 Uhr entschieden, dass ein Bereitschaftsstaatsanwalt zusammen mit einer Kriminalbeamtin vor Ort fährt. Diese trafen dort gegen 19.30 Uhr ein.

Ab diesem Zeitpunkt war erstmals ein Staatsanwalt vor Ort. Alle Behauptungen und Mutmaßungen, dass dieser Staatsanwalt bereits zuvor und angeblich sogar vermummt in der dann vorzeitig durch den Versammlungsleiter beendeten Versammlung gewesen sei, sind falsch und entbehren jeglicher tatsächlichen Grundlage.

Zum Zwecke des Eigenschutzes verhüllten sowohl der Bereitschaftsstaatsanwalt als auch die mit anwesende Kriminalbeamtin nach Ankunft vor Ort ihre Gesichter. Dass ein derartiges Verhalten die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht betrifft und zulässig ist, wurde bereits durch das Landgericht Leipzig in Bezug auf eine Durchsuchung vom Januar 2023 ausdrücklich bestätigt.

Dass eine derartige Schutzmaßnahme zudem im Einzelfall erforderlich ist, wird durch die mit der Mitteilung des Namens des betreffenden Staatsanwalts durch einen Medienvertreter ausgelöste Debatte in den sozialen Netzwerken bestätigt. Dabei wird auch das Bild des betreffenden Staatsanwalts verbreitet sowie sein mutmaßlicher Wohnort genannt.

Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft Leipzig Frau Dr. Laube: „Die Staatsanwaltschaft Leipzig akzeptiert und respektiert jegliche sachliche und gegebenenfalls auch pointierte Kritik an einer staatsanwaltschaftlichen Maßnahme. Ich lehne es jedoch entschieden ab, dass Staatsanwältinnen und Staatsanwälte meiner Behörde, die letztlich in meinem Auftrag ihren dienstlichen Aufgaben nachgehen, in der Öffentlichkeit persönlich bloßgestellt werden und ihnen ohne jede eigene Prüfung ein unredliches oder möglicherweise gar strafrechtlich relevantes Verhalten unterstellt wird.

Ein derartiges Handeln ist nicht hinnehmbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund der durch den Einzelnen dann nicht mehr beherrschbaren fortlaufenden Kommentierung zu einer bestimmten Person eine Gefährdungslage nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Wenn jemand der Meinung ist, dass er seine Kritik an der Staatsanwaltschaft Leipzig personalisieren muss, dann soll er meinen Namen nennen, da ich die Staatsanwaltschaft Leipzig als Behördenleiterin nach außen vertrete.“

Nach Prüfung und Sichtung des entsprechenden Videomaterials vor Ort wurde am Abend des 03.06.2023 sodann durch die Staatsanwaltschaft entschieden, dass alle in der Umschließung befindlichen Personen einer Identitätsfeststellung sowie weiteren strafprozessualen Maßnahmen zu unterziehen sind. Dies erfolgte auch unter Berücksichtigung der einschlägigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Annahme eines Anfangsverdachts und der nachfolgenden Identitätsfeststellung auch bei einer großen Zahl von Tatverdächtigen.

Zu diesem Zeitpunkt ging die Staatsanwaltschaft, wie auch die Polizei, aufgrund der bis dahin vorliegenden Berichte davon aus, dass es sich bei den festgesetzten Personen um ca. 300-400 Personen handelt. Die Polizei wurde sodann mit der Umsetzung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung beauftragt.

Die Zahl der umschlossenen Personen erhöhte sich nach den polizeilichen Feststellungen im Verlauf der Maßnahmen auf mehr als 1.000 Personen. Dies machte Anpassungen in der Bearbeitung erforderlich. Im Hinblick auf den bestehenden Anfangsverdacht gegen alle von der Umschließung betroffenen Personen führte dies nicht zu einer anderen Entscheidung der Staatsanwaltschaft bezüglich der Durchführung der strafprozessualen Maßnahmen.

Die Staatsanwaltschaft ist als sogenannte Herrin eines Ermittlungsverfahrens zur justizgemäßen Sachleitung der polizeilichen Ermittlungen verpflichtet und trägt die Verantwortung für die Beschaffung und die Zuverlässigkeit der im Strafverfahren benötigten Beweise.

Insoweit ist nach Bejahung eines entsprechenden Anfangsverdachts eine Absprache der Staatsanwaltschaft mit der Polizei zu konkreten Maßnahmen unmittelbar vor Beginn einer Maßnahme kein Grund des Misstrauens, sondern im Gegenteil Grundlage der Bearbeitung eines jeden Ermittlungsverfahrens. Im Hinblick auf diese Aufgabe war daher im vorliegenden Fall auch ein Staatsanwalt ständig und bis zum Abschluss der Maßnahmen vor Ort.

Soweit in Einzelfällen durch die Staatsanwaltschaft am 04.06.2023 beim Bereitschaftsrichter Haftbefehle auch gegen Beschuldigte aus der Umschließung erwirkt worden sind, wurden diese im Rahmen von Haftprüfungen gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Das Amtsgericht hat in allen Fällen jeweils unabhängig davon einen dringenden Tatverdacht bejaht. Es wurden bei den Beschuldigten in der Umschließung zudem zahlreiche Mobiltelefone als Beweismittel sichergestellt. In einer Vielzahl von Fällen wurde hiergegen Widerspruch eingelegt. In den bisher schon entschiedenen Fällen wurde die Beschlagnahme richterlich bestätigt.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Leipzig zu den zahlreichen Verfahren im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen in Leipzig nach der Verkündung des Urteils im Strafverfahren gegen Lina E. werden zusammen mit der auf Seiten der Polizei durch die in der Polizeidirektion gebildete Ermittlungsgruppe geführt. Wann mit einem Abschluss der Ermittlungen zu rechnen ist, kann nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl an Verfahren derzeit nicht abgeschätzt werden.

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