Dr. Leonhard Kasek: Die Leipziger Arbeitsagentur, früher das Arbeitsamt, fährt von Anfang der 90er Jahre an einen sehr restriktiven Kurs. Möglichkeiten flexibel auf regionale Besonderheiten einzugehen und konsequent Spielräume für eigene Entscheidungen zu nutzen wurden im Vergleich zu anderen Ämtern in Sachsen, vor allem Chemnitz, zu wenig genutzt, dafür stärker als andere mit Sanktionen gearbeitet.

Die bringen nichts, sondern bedienen nur verstaubte Vorurteile einiger konservativer Zeitgenossen, wonach die Arbeitslosen selbst Schuld seien, wenn Sie nichts fänden. Eine neuere Studie von Sonja Fehr (IAB) und Georg Vobruba (em. Professor der Universität Leipzig), veröffentlicht in: WSI-Mitteilungen 5/2011, S. 211 -217, zeigt, dass auch die These der Hartz-Autoren, wenn es Arbeitslosen zu gut gehe und sie zu wenig Druck bekämen, bewürben sie sich zu wenig, sich durch empirische Untersuchungen nicht bestätigen lässt.

Die Bewerbungsintensität der Arbeitslosen hat sich nicht verändert und auch die Dauer der Arbeitslosigkeit ist ähnlich wie vor den Hartz-Reformen. Arbeitslosigkeit gilt auch dann als Stigma, wenn die Betroffenen nicht unter akuter Geldnot leiden und wenn sie nicht geschurigelt werden. Wer kann, sieht zu, dass er da raus kommt.

Was wirklich hilft, ist qualifizierte Beratung und Training, um vor allem den Langzeitarbeitslosen ihr Selbstwertgefühl wieder zu geben. Viele lassen sich hängen, weil sie nicht mehr daran glauben, dass sie etwas finden. Dieses Gefühl der Sinnlosigkeit eignen Tuns wird durch Druck noch verschärft, so dass Hartz die Zementierung von Langzeitarbeitslosigkeit verschärft hat.

Passiert ist etwas anderes: Der Hartz-Druck führt dazu, dass die Beschäftigten zunehmend schlechtere Arbeitsbedingungen akzeptieren: niedrige Löhne, unbezahlte Mehrarbeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Das haben viele Arbeitgeber genutzt, um die Arbeitsbedingungen drastisch zu verschlechtern. Ein Ergebnis des zunehmenden Druckes sind die erschreckend gestiegenen arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen.

Eine andere Auswirkung ist die gestiegene Aggressivität verzweifelter Langzeitarbeitsloser, die sich zum Teil auf die Mitarbeiter der Jobcenter entlädt. Die wiederum darauf mit betonter Härte reagieren. Ein Teufelskreis, der unbedingt durch bessere Betreuung und wieder mehr Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem zweiten Arbeitsmarkt, vor allem Bürgerarbeitsplätze für gemeinnützige Vereine, aufgebrochen werden muss.

Arbeitslose brauchen bedarfsgerechte Fortbildung, sinnvolle Arbeitsmöglichkeiten und eine Betreuung, die ihnen ihren Lebensmut und in ihren Glauben an den Erfolg eignen Engagements wieder gibt und keine Bürokratiemaschine, die jedes Selbstvertrauen zu Staub zermalmt.

Zum Artikel vom 7. August 2012 auf L-IZ.de
März 2012: Im Jobcenter Leipzig wird so oft sanktioniert, wie nirgendwo sonst in Sachsen

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