Zur landespolitischen Diskussion über die jüngsten Ausschreitungen in Leipzig erklärt Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag: Es ist völlig klar: Wenn knapp hundert Personen, die der autonomen Szene zuzuordnen sind, randalierend durch Leipzigs Innenstadt ziehen sowie Menschen gefährden und Gebäude beschädigen, dann ist das nicht hinnehmbar und muss durch die rechtsstaatlichen Institutionen gemäß den Gesetzen geahndet werden.

Die Einschätzung, dass auch gehäufte Vorkommnisse dieser Qualität den Rechtsstaat und seine Institutionen gefährden können, ist wohl eher einer anders gearteten Motivation geschuldet denn einer realen Gefahr für Rechtsstaat und freiheitlich-demokratische Grundordnung.

So ist zumindest zu hinterfragen, ob nicht der kontinuierliche Abbau des Gesamtpersonalbestandes der sächsischen Polizei seit der ersten CDU-SPD-Koalition zwischen 2004 und 2009, der auch mit dem Doppelhaushalt 2015/16 fortgesetzt wird, zunehmend Einschränkungen der Handlungsfähigkeit der Polizei nach sich zieht. Daran ändert auch die Erweiterung des Einstellungskorridors für Polizeianwärter nichts, mit dem nicht einmal die Altersabgänge der kommenden Jahre kompensiert werden können. Die Forderung nach einem sofortigen Personalabbaustopp ist nach wie vor aktuell.

Auch der neuerliche “Zählappell” des Sächsischen Verfassungsschutzes, dessen Experten-Status im Kontext des “NSU”-Skandals als eher zweifelhaft zu bezeichnen ist, soll offenbar die Debatte und ihre Zielrichtung eher befeuern. Schließlich beobachten die Schlapphüte seit mehreren Jahren ein Anwachsen der als gewaltbereit geltenden autonomen Szene, ohne dass Innenministerium und Polizei entsprechend reagiert hätten. Auch die Tatsache, dass die Hälfte der sächsischen Autonomen in Leipzig ansässig ist, steht bereits im Verfassungsschutzbericht für 2014 und ist also bekannt.

Um der bewusst attestierten Staatsgefährdung durch die beschriebenen Vorkommnisse zu begegnen, überbieten sich CDU, SPD und Innenministerium mit den Forderungen, der “linksextremistischen” Szene Einhalt zu gebieten. Wer die Untertöne jedoch aufmerksam zur Kenntnis nimmt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier einem Maßnahmenkatalog für mehr Überwachung, Videografie und stärkere staatliche Restriktionen in den antizipierten städtischen Bereichen der Weg in die Realisierung geebnet werden soll.

Wer dem Überwachungsstaat Tür und Tor öffnet, weiter die Polizeipräsenz zurückfährt und jegliche Ideen für eine präventive, die Zivilgesellschaft stärkende und subkulturelle Freiräume sichernde Staatsdoktrin vermissen lässt, der gefährdet allerdings die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Vertrauen in die demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen.

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