Die Festung Königstein im Elbsandsteingebirge plant für 2019 eine Sonderausstellung zu einem bislang wenig bekannten Kapitel ihrer Geschichte: der Jugendwerkhof Königstein von 1949 bis 1955. Sie sucht dafür bundesweit Betroffene und ehemalige Angestellte, die über ihre Erfahrungen berichten.

Umerziehung für den Sozialismus: Umgeben von dicken Mauern und eingebunden in einen streng geregelten Tagesablauf, versuchte die DDR-Jugendhilfe kleinkriminelle und elternlose sowie politisch unangepasste Jugendliche auf der Festung Königstein im Elbsandsteingebirge auf Linie zu bringen. Von 1949 bis 1955 war der heutige Besuchermagnet einer von über 70 Jugendwerkhöfen in der DDR. Die Heime widmeten sich der „Umerziehung“ „schwer erziehbarer“ Minderjähriger. Siebzig Jahre nach der Gründung will die Festung mit einer Ausstellung an diese Geschichte erinnern und sucht dafür bundesweit Zeitzeugen.

„Die Tagesarbeit war hart, der Feierabend war ausgefüllt mit ungeliebten Tätigkeiten (wie) Stuben säubern, (mit) Appellen und Kontrollen, Putz- und Flickstunden (oder) dem Schlichten von Streitigkeiten. (Wir leisteten) Hilfe bei Anfällen von Depression – vor allem dann, wenn mancher, dessen

Familienverhältnisse ohnehin schon sehr kompliziert, wenn nicht aussichtslos kaputt waren, monatelang keine Post bekam. „Festungskoller“ (nannten) wir einen besonderen Zustand (…), der ab und zu einsetzte, weil man nie allein war. Immer lebte man in der Gruppe, alles wurde kommandiert, im Befehlston oder als Befehl direkt verlangt.“

Der Bericht von Klaus P. (Name von der Redaktion geändert), ehemaliger Insasse des Jugendwerkhofs Königstein, zeigt, wie stark die Jugendlichen kontrolliert und in ihrer Freiheit eingeengt wurden. Ziel war es, die 14- bis 22-Jährigen durch einen geregelten Tagesablauf, eine Berufsausbildung, militärischen Drill und ideologische Erziehung in die sozialistische Gesellschaft zu integrieren. Die Erzieher, viele ohne Ausbildung – einzelne waren ehemalige Unteroffiziere im Zweiten Weltkrieg – ließen den jungen Erwachsenen kaum Rückzugsmöglichkeiten.

Ein Tag im Jugendwerkhof: 16 Stunden durchorganisiert

Jeder Tag im Jugendwerkhof Königstein war von 6 bis 22 Uhr durchorganisiert. Direkt nach dem Aufstehen mussten die Insassen zum Frühsport, um kurz darauf in ihre Zwei- bis Vier-Bettzimmer zurückzukehren und diese zu putzen. Die Gruppenleiter prüften penibel, ob die Spinde ordentlich, die Fußböden sauber und die Betten gemacht waren. Nach dieser Prozedur ging es gruppenweise und singend zum Frühstück. Dort warteten die jungen Menschen auf ein Zeichen der Erzieher, um sich setzen und später wieder aufstehen zu dürfen. Der Morgenappell fand auf dem Paradeplatz statt, wo heute jährlich Hunderttausende Besucher flanieren. Anschließend begann die Arbeit in den Werkstätten oder der Unterricht in der Schule.

Im Jugendwerkhof erhielten viele Jugendliche eine Berufsausbildung. Auf der Festung konnten sie sich unter anderem zum Schlosser, Tischler, Gärtner oder zur Näherin ausbilden lassen. Das Lehrlingsentgelt mussten sie teilweise zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts zurückzahlen.

„Bis heute können wir uns kein umfassendes Bild vom Jugendwerkhof machen, da uns Berichte von Zeitzeugen fehlen“, erklärt Angelika Taube, Geschäftsführerin der Festung Königstein gGmbH. „Deshalb suchen wir dringend nach ehemaligen Betroffenen und Mitarbeitern, die bereit sind, über ihre Erlebnisse zu sprechen.“

Als Ansprechpartnerin für Zeitzeugen steht Maria Pretzschner unter Telefon 035021 64516 und pretzschner@festung-koenigstein.de zur Verfügung. Auf Wunsch sind anonyme Kontakte möglich.

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