Wegen gentechnischer Verunreinigungen einer konventionellen Winterraps-Sorte aus Frankreich mit dem Bayer-Konstrukt „GT 73“ mussten betroffene Bäue­rin­nen und Bauern in Deutschland bis Ende März dieses Jahres ca. 2.150 Hektar Raps unterpflügen. Das Gentechnik-Konstrukt hat in Europa keine Anbauzulassung, deshalb gilt bei Saatgut die europarechtlich verankerte Nulltoleranz.

Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel­sicher­heit (BVL) sind 84 Betriebe in 10 Bundesländern betroffen, darunter auch in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt , angeordnet wurden Anbaupausen bis Juli 2019 oder 2020. Aktuell wurde bekannt, dass zusätzlich in sieben Bundesländern Sortenversuche mit dem verunreinigten Saatgut durchgeführt worden sind.

„Jeder Bauer und auch das BVL weiss, dass Rapssaatgut mindestens 20 Jahre keimfähig im Boden überdauern kann. Die aktuell von den Bundesländern angeordneten Anbaupausen bis 2019 oder 2020 sind deshalb völlig unzureichend“, kommentiert Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der Arbeits­ge­mein­schaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

„Raps hat ein enormes Auskreuzungspoten­zial, deshalb darf auf diesen Flächen in den nächsten 10 bis 15 Jahren kein Raps angebaut werden und auflaufender Raps muss sehr sorgfältig vor der Blüte entfernt werden. Nur so gibt es eine Chance, weitere Gentechnik-Verunreinigungen zu verhindern. Die betroffenen Bäuerinnen und Bauern trifft keine Schuld, sie haben unwissentlich das Saatgut verwendet.

Alle anfallenden Kosten muss der Verursacher Bayer CropScience zahlen, sowohl den bereits entstandenen Aufwand, den Ernteausfall als auch die zukünftigen Folgekosten, das Entfernen der auflaufenden Raps-Pflanzen sowie mögliche Vermarktungsschwierigkeiten. Der Vorfall zeigt einmal mehr, dass die Gentechnik-Konzerne nichts im Griff haben. Nicht rückholbare Kulturen wie Gentechnik-Raps dürfen nicht auf den Acker.“

Dies ist der zweite Raps-Verunreinigungsfall, der hierzulande innerhalb von weniger als vier Jahren aufgedeckt wurde. Vor diesem Hintergrund fordert Stefanie Hundsdorfer von der Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut): „Der aktuelle Verunreinigungsfall bestätigt einmal mehr, dass die Bundesländer beim Saat­gut­monitoring nachbessern müssen.

Bei Kulturarten, die wie Raps einem hohen Verunreini­gungsrisiko ausgesetzt sind, genügt die derzeitige stichprobenartige Beprobung eines Teils der Partien nicht. Saatgut steht am Anfang der Lebensmit­telerzeugung. Um unsere Nahrung gentechnikfrei zu halten, ist es leider notwendig geworden, dass die Behörden bei Raps lückenlos alle Saatgutpartien, die auf Ihrem Gebiet in Verkehr oder zur Anerkennung gebracht werden, auf Anteile gentechnisch veränderter Organismen überprüfen.“

„Bislang ist noch nicht geklärt, wie es genau zur Verunreinigung gekommen ist“, so Judith Düesberg vom Gen-ethischen Netzwerk e.V. „Dies muss lückenlos ermittelt werden, besonders um zukünftige Verunreinigungen zu verhindern. Wer ist wann durch wen informiert worden? Warum hat das so lange gedauert? Und warum wurde erst jetzt entdeckt, dass auch Sorten­versuche von der Verunreinigung betroffen sind?

Zukünftig muss das Saatgutmonitoring rechtzeitig stattfinden, so dass eine Aussaat verunreinigter Partien verhindert werden kann. Die Ergebnisse müssen sofort veröffentlicht werden. Wird eine Verunreinigung entdeckt, muss die Nulltoleranz konsequent vollzogen werden. Dazu gehören auch schnellere Informations­wege zwischen EU-Kommission, Mitgliedstaaten und Bundesländern, um eine Ausbreitung zu verhindern.“

AbL, GeN und IG-Saatgut haben die betroffenen Bundesländer mit ihren Forderungen angeschrieben. Antworten liegen zum Zeitpunkt der Meldung noch nicht vor.

Zum Hintergrund:

Am 21. Dezember 2018 wurde bekannt, dass aus Frankreich stammendes Winterraps-Saat­gut auch in Deutschland ausgesät wurde. Es handelt sich um Rapssaatgut der Firma Dekalb, Sorte „DK Exception“ (Anerkennungsnummer F0076 CP422442A) von Monsanto – jetzt Bayer). Diese ist mit einem nicht zugelassenen Gentechnik-Event (GT 73), ursprünglich von Monsanto entwickelt (jetzt Bayer) verunreinigt.

GT 73 hat eine Glyphosat-Resistenz und keine Anbauzulassung in Europa, es gilt die Nulltoleranz. Die Flächen sind spätestens bis zur Blüte umzubrechen und weitere Kontaminationen sind zu verhindern. Auch Restmengen an Saatgut sind zu vernichten.

Insgesamt seien 2.150 Hektar betroffen, so das BVL (Bundesamt für Ver­braucher­schutz und Lebensmittelsicherheit) in einer aktuellen Meldung. 84 landwirtschaftliche Betriebe in 10 Bundes­län­dern: Baden-Württemberg, Bayern, Branden­burg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen.

Die zuständigen Länderbehörden haben entsprechende Erlasse verhängt, dass die Flächen umzu­bre­chen sind. Laut BVL darf auf den umgebrochenen Flächen bis mindestens Juli 2019 kein Raps ange­baut werden. Nachkontrollen sollen sicherstellen, dass auch später gekeimter Raps erkannt und vernichtet wird. Eine Mehrheit der Bundesländer habe eine Anbaupause für Raps bis Juli 2020 angeordnet.

Ende März hat sich herausgestellt, dass zusätzliche Flächen betroffen sind, da ein Saatgut­unter­neh­men Sortenvergleichsversuche mit einer betroffenen Partie durchführen wollte. Das Saat­gut stamm­te aus einer anderen Partie der gleichen Sorte, die nur in Frankreich vermarktet worden war. Hiervon sind sieben Bundesländer betroffen. Dazu gehört laut einer Pressemeldung Schleswig-Holstein. Welche Bundesländer darüber hinaus betroffen sind, teilte das BVL nicht mit.

In Frankreich sind die Kontaminationen bereits im Oktober von den französischen Behörden entdeckt worden. Im November 2018 wurden die deutschen Behörden von der Kommission informiert. Das BVL veröffentlichte dies am 21. Dezember. Neben Frankreich und Deutsch­land sind auch die Tschechische Republik und Rumänien betroffen.

Nach Informationen des BVL wurden zudem zwei Einheiten der verunreinigten Partie von Deutschland in die Niederlande verbracht und dort ausgesät. In Frankreich wurden laut BVL rund 7.400 Hektar umgebrochen. Auf Nachfrage von Reuters räumte eine Spreche­rin von Bayer France aktuell ein, dass mehr Flächen – bis zu 18.000 Hektar – umgebrochen  wurden, auch aufgrund von  Zweifeln an der Rückverfolgbarkeit des Saatguts.

Bereits 2015 gab es einen Raps-Verunreinigungsfall. Dieser wurde in Deutschland aufgedeckt und im Dezember 2015 öffentlich bekannt. In konven­tionel­lem Winterrapssaatgut der französischen Saatgutfirma RAGT war das Gen­tech­nik-Event OXY-235 gefunden worden. Betroffen waren Sortenversuche in acht deutschen Bundesländern.

Zudem waren Flächen in Frankreich, Ungarn, Polen, Rumänien, Dänemark und der Tschechischen Republik betroffen. OXY-235 wurde von Rhone-Poulenc entwickelt, das Patent gehört Bayer CropScience. OXY-235 hat weder eine EU-Anbau- noch eine Importzulassung. Es wurde angenommen, dass die Verunreinigung auf Freisetzungsversuche in den Jahren 1995/1996 in Frankreich zurückgeht.

 

 

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