Die Spitzenforschung an der Universität Leipzig wird weiter gestärkt: Ein Sonderforschungsbereich kommt neu hinzu, zwei weitere werden verlängert. Neu eingerichtet wird der Sonderforschungsbereich (SFB) „Strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und Signaltransduktion“, bei dem es um die Kommunikation von Zellen über wichtige Rezeptoren geht.

Sprecherin wird Biochemikerin Prof. Dr. Annette G. Beck-Sickinger sein. In eine zweite Förderphase gehen die Projekte „Arktische Klimaänderung (AC)³“ (Sprecher: Prof. Dr. Manfred Wendisch, Leipziger Institut für Meteorologie) und „Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“ (Sprecher: Prof. Dr. Matthias Middell, Leiter des Centre for Area Studies“ der Universität Leipzig). Kurzbeschreibungen dieser drei Sonderforschungsbereiche finden Sie weiter unten. Die Universität Leipzig ist somit nun bei fünf Sonderforschungsbereichen (darunter sogenannte Transregios) in der Sprecherrolle, an weiteren sieben ist sie beteiligt.

„Das ist ein großer Tag für unsere Universität“, sagte Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking in einer ersten Reaktion. „Wir bekommen attestiert, dass richtig gut gearbeitet wurde, und verzeichnen gleich einen dreifachen Erfolg. Besser hätte es nicht laufen können.“ Die heutige Entscheidung der DFG reihe sich ein in einen Reigen von positiven Nachrichten für die Forschungsaktivitäten der Universität Leipzig.

„Wir haben in diesem Jahr bereits mehrere Forschungsgruppen bewilligt bekommen, ebenso alle von uns beantragten 22 Tenure-Track-Professuren. Wir erhalten Fördergelder für unser Kompetenzzentrum ‚Adipositas verstehen‘. Der Sonderforschungsbereich ‚Polymere unter Zwangsbedingungen‘, den wir zusammen mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg betreiben, kann in seine dritte Förderphase gehen. Und zusammen mit unseren Partnern im Ausland bilden wir eine der von der EU-Kommission ausgewählten ‚Europäischen Hochschulen‘. Weitere Beispiele ließen sich nennen. Kurzum: Ein echtes Erfolgsjahr, so viel lässt sich jetzt bereits sagen.“ Mit Blick auf die immense Arbeit, die auch in die aktuellen drei SFB-Anträge investiert wurde, sagte die Rektorin: „Ich möchte allen an den Anträgen Beteiligten herzlich danken – und sie natürlich zu ihrem Erfolg beglückwünschen.“

Prof. Dr. Erich Schröger, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, betonte: „Mit den heute bewilligten Sonderforschungsbereichen leisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Universität und unserer Partnereinrichtungen einen sehr wichtigen gesamtgesellschaftlichen Beitrag. Die Bewilligungen zeigen, dass wir mit unserem Forschungsprofil auf dem richtigen Weg sind. Unsere strategischen Forschungsfelder ‚Veränderte Ordnungen in einer globalisierten Welt‘ und ‚Nachhaltige Grundlagen für Leben und Gesundheit‘ werden zum wiederholten Male durch externe Expertise bestätigt und durch die Förderentscheidungen gestärkt. Wir werden weiter den im Hochschulentwicklungsplan  2025 beschriebenen ‚Leipziger Weg‘ gehen. Dabei handelt es sich um ein integriertes Programm zur Forschungsexzellenz und ein prägendes Element unserer Gesamtstrategie.“ Schröger ergänzte: „Wichtig war, dass wir unser Dezernat Forschung und Transfer richtig gut aufgestellt haben.“

SFB 1423 „Strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und Signaltransduktion“

Zellen kommunizieren untereinander und mit ihrer Umwelt über Rezeptoren. Diese sitzen in der Zellwand und erkennen ein bestimmtes Signal, das sie ins Innere der Zelle weiterleiten und damit eine Reaktion der Zelle hervorrufen. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) sind die größte Gruppe dieser Membranrezeptoren und kommen in fast allen Lebewesen vor. In der Medizin nehmen GPCRs eine Schlüsselposition ein: Etwa 30 Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente wirken über diese Rezeptoren, allerdings wird bislang nur das Potenzial von einer kleinen Gruppe von Rezeptoren genutzt.

„Das Verständnis der molekularen Prozesse wurde in der Vergangenheit stark vorangetrieben. Allerdings ist das Zusammenspiel von GPCRs mit körpereigenen Hormonen, aber auch Medikamenten, weit komplexer als bisher angenommen. Im neuen SFB wollen wir die Wechselwirkungen von bislang wenig erforschten GPCRs, der Peptidrezeptoren und der Adhäsionsrezeptoren, mit ihren Partnern untersuchen. Die Aufklärung deren dynamischer Strukturzustände erlaubt es, ihre Funktionen zu verstehen. Damit können wir schlussendlich auch für diese Gruppe von GPCRs neuartige Therapeutika entwickeln“, sagt Prof. Dr. Annette G. Beck-Sickinger, Sprecherin des SFB 1423.

Zur Verstärkung auf diesem Gebiet hat die Universität Leipzig in diesem Jahr eine Alexander von Humboldt-Professur eingeworben, die ab 1. Januar 2020 mit dem Chemiker und Bioinformatiker Prof. Dr. Jens Meiler besetzt ist. Er zählt zu den weltweit renommiertesten Forschern auf dem Gebiet der computergestützten Wirkstoffentwicklung.

„Wir modellieren am Computer mit Hilfe von digitalen Simulationen und künstlicher Intelligenz GPCRs. Mit diesen Methoden können wir im SFB 1423 zielgerichtete Experimente vorschlagen, die die Forschung beschleunigen“, so Meiler. Gemeinsam mit der Vanderbilt University, an der er 15 Jahre tätig war, werden eine Graduiertenschule für Nachwuchswissenschaftler eingerichtet sowie zwei Gastprofessoren begrüßt, sogenannte Mercator-Fellows.

SFB/TRR 172 „Arktische Klimaänderung (AC)³“

Der Sonderforschungsbereich „Arktische Klimaänderung (AC)³“ unter der Federführung des Meteorologen Prof. Dr. Manfred Wendisch von der Universität Leipzig geht in die zweite Förderperiode. Im Januar 2020 setzt der Forschungsverbund, zu dem auch die Universitäten in Bremen und Köln sowie das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig gehören, seine erfolgreiche Arbeit für vier weitere Jahre fort. Ziel des Forschungsverbundes ist es, die derzeitig ablaufende dramatische Klimaentwicklung in der Arktis mit verschiedenen Methoden zu beobachten, um die Verlässlichkeit von Modellen zur Vorhersage der beobachteten Erwärmung in der Arktis zu verbessern.

„In der ersten Phase haben wir erfolgreich hauptsächlich diejenigen lokale Prozesse beobachtet und durch Modelle reproduziert, welche wesentlich zur Erklärung des Phänomens der Arktischen Verstärkung beitragen“, sagt Wendisch. Die Wolken spielen dabei eine entscheidende Rolle. Dazu wurden drei aufwändige Messkampagnen in der Arktis durchgeführt. In der zweiten Phase werden die bisherigen Untersuchungen auf die innere Arktis und ein ganzes Jahr als Beobachtungszeitraum ausgedehnt, um jahreszeitliche Unterschiede zu quantifizieren.

Das Forschungsflugzeug HALO, sowie die Polarflieger Polar 5 und 6 in Verbindung mit dem Eisbrecher Polarstern werden dabei zum Einsatz kommen. Letztere sind Bestandteil der MOSAiC Kampagne unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Dabei ist die Polarstern 14 Monate im Eis eingefroren. (AC)³ liefert den wesentlichen Beitrag deutscher Universitäten zu MOSAiC. „Wir haben uns generell für die zweite Phase vorgenommen, das Zusammenwirken verschiedener Rückkopplungsmechanismen, die als Ursache der Arktischen Verstärkung vermutet werden, in ihrem Zusammenspiel besser zu verstehen“, so Wendisch.

SFB 1199 Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“

Im Sonderforschungsbereich „Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“ erforschen die Wissenschaftler, wie politische, Wirtschafts- oder Rechtsräume gesellschaftlich verhandelt und geschaffen werden, um Prozessen der Globalisierung einen Rahmen zu geben. Partner der Universität Leipzig sind dabei das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO), das Leibniz Institut für Länderkunde (IfL) und die TU Dresden.

„In der ersten Forschungsphase haben wir ein innovatives Kategoriensystem entwickelt, mit dem sich die Neuverräumlichungsprozesse vergleichend untersuchen lassen, und zwar für die Zeit seit dem späten 18. Jahrhundert“, berichtet der Sprecher des Verbundes, Prof. Dr. Matthias Middell, Historiker und Leiter des „Centre for Area Studies“ der Universität Leipzig.

„Dies ist von besonderer Relevanz, weil in der gegenwärtigen Weltpolitik eine Reihe von Projekten aufeinandertreffen, die die Welt in ihrem Sinne ganz unterschiedlich globalisieren und dabei geopolitisch neu ordnen wollen.“ Der SFB zeichne sich durch seine breite regionalwissenschaftliche Expertise aus, „die es uns ermöglicht hat, Beispiele aus Afrika, Asien, Australien, den beiden Amerikas und verschiedenen Teilen Europas zu untersuchen“.

Für die zweite Phase haben sich die am SFB-Beteiligten vorgenommen, in einer großen Handbuch-Serie solche Globalisierungsprojekte umfassend zu beschreiben und vergleichend zu analysieren. „Dabei konzentrieren wir uns keineswegs nur auf Projekte wie sie Donald Trump, Xi Jinping und Vladimir Putin oder auch regionale Organisationen wie die Europäische oder die Afrikanische Union repräsentieren“, erläutert Middell.

„Vielmehr geht es uns auch um ökonomische und kulturelle Neuverräumlichungen der Welt, wie sie von großen Firmen oder im Zuge von Infrastrukturvorhaben von ganzen Staaten betrieben wurden und werden – oder wie sie in verschiedenen kulturellen Strömungen imaginiert wurden. Diese Imaginationen, die zuweilen reine Phantasien bleiben, sind für uns deshalb besonders interessant, weil sie Alternativen zu ablaufenden Prozessen aufzeigen und manchmal auch Utopien von der Welt als einem ganz anders gestalteten Ort zum Ausdruck bringen.“

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