Die „Runde Ecke“ war während der Montagsdemonstrationen 1989 der neuralgische Punkt, an dem immer die Gefahr einer gewaltsamen Eskalation bestand. Heute erinnert die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit seinen Angeboten und Ausstellungen an die Repressionen in der kommunistischen SED-Diktatur sowie deren Überwindung durch die Friedliche Revolution. Rund um den heutigen 9. Oktober 2020 – dem 31. Jahrestag – bietet das Museum mehrere Stadtrundgänge, eine lange Ausstellungsnacht zeitgenössisches Filmmaterial am Originalschauplatz und verlängerte Öffnungszeiten an.

Mit dem 9. Oktober als städtischen Gedenktag erinnert Leipzig an eine der bedeutendsten Ereignisse der jüngsten Demokratiegeschichte in Deutschland. An jenem Tag entschied sich in Leipzig, ob die Revolution friedlich oder blutig enden würde. Weit mehr als 70 000 Menschen überwanden ihre Angst und stellten sich auf dem Leipziger Ring mit den Rufen „Wir sind das Volk!“ und „Keine Gewalt!“ der bewaffneten SED-Diktatur entgegen. Dieser Tag war der Wendepunkt auf dem Weg zu einer wirklich Friedlichen Revolution für Freiheit und Bürgerrechte und zu einem demokratischen Rechtsstaat, an deren Ende die Deutsche Einheit in einem vereinten Europa stand.

In diesem Jahr kann Corona-bedingt leider nur ein sehr eingeschränktes Programm an den Mut der weit über 70.000 Menschen erinnern, die vor über 30 Jahren für Freiheit und Demokratie auf die Straße gingen. Zum Kernprogramm der städtischen Veranstaltungen gehört auch in diesem Jahr um 17.00 Uhr das Friedensgebet in der Nikolaikirche, die nachfolgende Rede zur Demokratie sowie anschließend ab 19.00 Uhr das Lichtfest auf dem Nikolaikirchhof. Alle Veranstaltungen können wegen der begrenzten Besucherzahl leider nur auf Einladung wahrgenommen werden. Das komplette Programm finden Sie auf der Webseite www.herbst89.de.

„Einigkeit und Recht und Freiheit“ – 30 Jahre Deutsche Einheit

Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. als Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ beteiligt sich auch mit mehreren Angeboten rund um den Jahrestag. Wir haben vor wenigen Tagen, am 3. Oktober, den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit gefeiert. Die Veranstaltungen stehen daher in diesem Jahr unter dem Motto „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – so zumindest hat es der städtische Beirat „Kuratorium Tag der Friedlichen Revolution“ beschlossen, auch wenn das Motto auf den offiziellen Verlautbarungen nicht oder nur noch sehr verschämt vorkommt.

Die „Runde Ecke“, in der sich bis vor 30 Jahren die Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit der DDR befand, war schon während der Montagsdemonstrationen 1989 der neuralgische Punkt, an dem immer die Gefahr einer gewaltsamen Eskalation bestand. Um dies zu verhindern und die friedlichen Absichten besonders zu verdeutlichen, wurden jede Woche tausende Kerzen vor dem Haus und auf den Treppenstufen abgestellt. Somit gilt sie als ein bedeutender Ort der Friedlichen Revolution, in deren Folge die deutsche und die europäische Vereinigung in Frieden und Freiheit möglich wurde.

Die Ereignisse der Friedlichen Revolution müssen bei der Erinnerung immer unmittelbar erlebbar und die Basis für eine Vermittlung in Gegenwart und Zukunft sein

Eine Vermittlung der Ereignisse und konkreten Abläufe der Friedlichen Revolution 1989/90 ist unabdingbar, gerade wenn in aktuellen gesellschaftlichen Debatten historische Erfahrungen mit heutigen Entwicklungen in Beziehung zueinander gesetzt werden. Museen und Gedenkstätten an authentischen Orten bieten mit ihren musealen Sammlungen von Zeitzeugnissen, den Ausstellungen und Veranstaltungen sowie vor allem mit den historisch erhaltenen Räumlichkeiten und Gebäuden einen geradezu idealen Rahmen, um sich der Ereignisse der Vergangenheit zu vergewissern und auf dieser Basis Schlussfolgerungen für Gegenwart und Zukunft zu ziehen.

Die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ befasst sich mit der Geschichte von 45 Jahren kommunistischer Diktatur in der SBZ und DDR sowie der Überwindung dieser Diktatur durch die Friedliche Revolution von 1989. Im Zentrum stehen dabei die drei am Ort virulenten Themen „Repression in der SED-Diktatur – Friedliche Revolution gegen die SED-Diktatur – Aufarbeitung der SED-Diktatur“, die auch in Zukunft mit einem Blick in Richtung Weiterentwicklung zu einem „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ als ein wichtiger Ort der Selbstvergewisserung der Bedeutung von Freiheit und Bürgerrechte in Gegenwart und Zukunft sein kann.

Nur wenn wir vermitteln, wie die SED-Diktatur funktionierte und dass die Menschen 1989 den Mut fanden, sich genau gegen diese über 40-jährige Diktatur völlig friedlich zur Wehr zu setzen, können wir die damals wiedererrungene Freiheit, die Bürgerrechte und den demokratischen Rechtsstaat als etwas schätzen, für das wir uns täglich aufs Neue einsetzen müssen. Dies bedeutet aber auch, dass nicht alle Themen, die auf der Tagesordnung der aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stehen, einen Bezug zur Friedlichen Revolution haben. Hier ist eine entsprechende Trennschärfe dringend notwendig, um das einmalige historische Ereignis von europäischer Dimension nicht weiter einer thematischen Beliebigkeit auszusetzen.

Lange Ausstellungsnacht und historische Original-Aufnahmen der Montagsdemonstrationen

Mit Beginn des Lichtfest auf dem Leipziger Nikolaikirchhof um 19.00 Uhr sind auch die original erhaltenen Räumlichkeiten der ehemaligen Bezirksverwaltung der Staatssicherheit geöffnet. In der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ informiert die Ausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ über die Arbeitsweise und die Strukturen der berüchtigten DDR-Geheimpolizei. Gezeigt werden einzigartige Objekte wie eine Abhöranlage, Geräte zur Postkontrolle oder eine Kollermaschine zur Vernichtung von Akten. Die Ausstellung ist am Abend des 09.10.2020 von 19.00 bis 23.00 Uhr geöffnet.

Auch am Samstag, den 10.10.2020 bietet die Gedenkstätte verlängerte Öffnungszeiten bis 20.00 Uhr an.

Nahe der unweit entfernt gelegenen Klinger-Treppe werden an diesem Abend des 9. Oktober 2020 ab 18.00 Uhr zudem historische Original-Aufnahmen der entscheidenden Montagsdemonstrationen vom 7. und 9. Oktober 1989 an die Fassade des Gebäudeensembles projiziert.

Lichtprojekt „HORCHTURM an der OHRENBURG“

Am 9. Oktober 2019 wird auch in diesem Jahr wieder die Lichtinstallation „HORCHTURM an der OHRENBURG“ gezeigt. Sie befindet sich am Treppenturm des Neubaus der Leipziger Stasi-Zentrale und erinnert mit seiner ohrenähnlichen Verkleidung und ihrer blauen Lichtfarbe an den friedlichen Sturz der SED-Diktatur, die Wiedererlangung von Freiheit und demokratischem Rechtsstaat sowie der Deutschen Einheit. Ab der kommenden Woche erstrahlt das Lichtprojekt jeden Montagabend, in Anlehnung an die Montagsdemonstrationen, die bis in das Frühjahr 1990 hineinreichten.

Auch die Fassade des Altbaus „Runde Ecke“ wird am Abend des 09.10.2020 ebenso mit Kerzen illuminiert, wie andere öffentliche Gebäude in Leipzig.

Stadtrundgänge „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“

Herbst ’89: Die Bilder von den Friedensgebeten in der Nikolaikirche, den Montagsdemonstrationen auf dem Innenstadtring und der Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale gingen um die Welt. Die Chronik des Herbstes ’89 begann in Leipzig aber nicht erst mit den Demonstrationen im September und Oktober. Der geführte Stadtrundgang erinnert an markanten Punkten der Leipziger Innenstadt an die historische Entwicklung des Jahres 1989. Zeitgeschichte wird am Ort des Geschehens lebendig und nachvollziehbar.

  • Freitag, 09.10.2020: 11.00 Uhr und 16.30 Uhr
  • Samstag, 10.10.2020: 14.00 Uhr
  • Sonntag, 11.10.2020: 11.00 Uhr

Treffpunkt: Hauptportal Nikolaikirche.

Donnerstag, der 8. Oktober 2020: Hoher Wellengang in Deutschland

Donnerstag, der 8. Oktober 2020: Hoher Wellengang in Deutschland

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar