Vier zivile Seenotrettungsschiffe aus Deutschland sind derzeit in Italien festgesetzt. Für Aufsehen sorgte jüngst das Los der Seaeye4, die im Hafen von Palermo festgehalten wurde, weil sie zu viele gerettete Personen an Bord gehabt habe. Der Bürgermeister der sizilianischen Stadt, Leoluca Orlando, hatte die Crew der Seaeye4 tags zuvor zu Ehrenbürger/-innen der Stadt gemacht.

Orlando wirbt immer wieder für einen grundlegenden Wandel der europäischen Flüchtlingspolitik und bietet den Hafen seiner Stadt für die Zwecke der Seenotrettung an. Sein Werben bei der Delegation des Innenausschusses des Sächsischen Landtages bei einer Reise 2017 hat aber offensichtlich nicht gefruchtet: CDU, GRÜNE und SPD lehnten heute den Antrag der Linksfraktion „NEIN! zum EU-Migrations- und Asylpakt: Für die Wahrung der Menschenwürde und des Rechts auf Asyl in einem Europa ohne Flüchtlingslager!“ ab (Drucksache 7/5867).

Darin hatte die Fraktion die Position der Staatsregierung zum derzeit auf EU-Ebene verhandelten Asyl- und Migrationspakt abgefragt und Leitplanken für eine menschenwürdige europäische Asylpolitik vorgeschlagen. Juliane Nagel, migrationspolitische Sprecherin, erklärt:

„Der Asyl- und Migrationspakt widerspricht den in der Grundrechte-Charta der EU proklamierten Werten, Rechten und Garantien. Er bietet keinerlei Chancen dafür, die Asyl- und Migrationspraxis spürbar zu verbessern. Mit dieser Kritik sind wir nicht allein – Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl nennen ihn ,teuflischen Pakt der Entrechtung‘, Migrationsforscher/-innen gehen scharf mit ihm ins Gericht und selbst einige EU-Mitgliedsstaaten hadern mit dem Vorschlag.

Es sterben noch immer fast täglich Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, um Schutz in Europa zu suchen, während zivile Seenotrettungsinitiativen staatlicherseits behindert und kriminalisiert oder die geretteten Menschen von den Mitgliedsstaaten als Verschiebemasse behandelt werden.

Noch immer müssen Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen in den europäischen Lagern von Moria und Kara Tepe oder hinter den Außengrenzen wie in Bosnien-Herzegowina leben. Noch immer gibt es keine solidarische und europäische Lösung dafür, wie mit den Geflüchteten, Schutzsuchenden und Migrant/-innen umgegangen wird.

Der von Kommissionspräsidenten von der Leyen im September 2020 vorgelegte Pakt setzt auf Abschottung und auf die rechtsstaatlich bedenkliche Verlagerung der Asylvorprüfungen vor die Tore der EU. Er bietet keine Lösungen für eine solidarische und grundrechtewahrenden Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU, er zementiert das gescheiterte Dublin-Zuständigkeitssystem und etabliert fragwürdige ,Abschiebepatenschaften‘.

Sachsens Regierungskoalition allerdings hegt keinerlei Zweifel, stellt sich hinter den umstrittenen Vorschlag und will ihn an manchen Stellen sogar verschärfen. In der sächsischen Koalition hat der Bürgermeister von Palermo keine Verbündeten für eine humanistische Asyl- und Migrationspolitik – bei der Linksfraktion schon.“

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