Sie, in der Gewerkschaft ver.di organisierte Dozent/-innen, sind nicht viele, die am Freitagmorgen, 12. November, 9 Uhr der Gewerkschaft GEW in der Nonnenstraße 58 ihre Aufwartung machen werden.

Mitbringen werden sie ihr Geschenk, einen alten, hölzernen Stuhl, den sie an der Lehne festhalten müssen, damit er nicht zur Seite kippt. „Es ist ein Dozent/-innen-Stuhl“, sagen sie. „Drei Beine sind intakt, es sind die Beine Professionalität, Engagement und Qualifikation. Das vierte Bein ist zu kurz und steht für die Bezahlung und soziale Absicherung der Honorarkräfte.

Beschenkt werden Kolleg:innen: Gewerkschaftsvertreter/-innen im Bezirkspersonalrat, zuständig für die Belange der Lehrer und Lehrerinnen an den Regelschulen. Doch der Berufsalltag, den die Mitglieder der ver.di-Initiative Lehrkräfte gegen Prekarität teilen, unterscheidet sich an einem wesentlichen Punkt von dem an den Schulen: Sie sind überwiegend freiberuflich tätig, hangeln sich von Auftrag zu Auftrag und werden oft nur spärlich entlohnt.

Sorgen bereiten ihnen die Beschäftigungsverhältnisse im Ganztagsangebot der Regelschulen. Über achthundert Honorarverträge sind im letzten Schuljahr im Rahmen dieser 2020 neu eingeführten Schulaktivitäten abgeschlossen worden, wobei es den einzelnen Schulen freisteht, die Honorare für die eingesetzten externen Lehrkräfte festzulegen, je nach Budget und Bedarf. Wie die Initiative befürchtet, ein Paradies für Dumpingangebote.

„Es sind wahnsinnig viele Illusionen über solche Arbeitsverhältnisse im Umlauf“, meint Karl Kirsch, seit Jahren gewerkschaftlich für die Dozentinnen und Dozenten aktiv. „Dass so eine Tätigkeit ein schönes Zubrot darstelle, dass es eine Chance biete für Einsteiger und Studierende, dass es dabei nur um Aufwandsentschädigungen für an sich aus Liebe zur Sache entstandenen Aktivitäten handele. Was in Einzelfällen alles sein mag, aber der übergroßen Mehrheit der Lehrkräfte, die davon leben muss, machen solche Einstellungen schlicht die Preise kaputt. Honorare müssen immer so hoch sein, dass man von ihnen leben kann, wenn man ausschließlich von ihnen leben muss. Und das heißt, sie müssen auch eine Alterssicherung bezahlen.“

„Aus unserer Sicht,“ führt Erik Wolf, zuständiger Sekretär bei ver.di dazu aus, „müsste eine Honorarkraft mindestens sechzig Euro pro Stunde verdienen. Man darf bei der Bezahlung nicht nur auf die Stunde Einsatz blicken, sondern muss auch das Drumherum bedenken. Zu dem übrigens auch gehört, dass Honorarkräfte für alle Versicherungen, Renten- und Krankenkassenbeiträge zu 100 % selbst aufkommen müssen.“

An den Schulen, befürchtet die Gruppe Lehrkräfte gegen Prekarität, wissen die wenigsten über diese wirtschaftlichen Dinge genauer Bescheid. „Unser Stuhl dient dafür“, sagt Yasmin Daka, die bei verschiedenen Bildungsträgern unterrichtet, „dass man sich sofort daran erinnert, wie wackelig die Situation einer Honorarkraft ist, sobald man sich auf ihn setzt.“

Wie alle, die hier das Geschenk überbringen, hofft auch sie auf tatkräftige Unterstützung durch die Gewerkschaftsvertreter im Personalrat. „Wir brauchen ihre Hilfe, um die einzelnen Kollegien und GTA-Beauftragten an den Schulen für die Problematik zu sensibilisieren. Sie sollen sich unseren Stuhl jederzeit ausleihen können, denn sie übernehmen eine große Verantwortung, wenn sie Honorare festlegen.“

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