Vor einem Jahr, im Sommer 2022, war nach einem konzeptionell begründeten Umbau die Station PSY 2 der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Leipzig (UKL) als „Spezialstation für affektive Störungen“ wiedereröffnet worden. Das Behandlungskonzept der Station ist nun speziell auf die Bedürfnisse dieser Patient:innengruppe abgestimmt.

Nach zwölf Monaten ziehen die ärztliche und pflegerische Leitung eine erste positive Bilanz: Durch Bündelung von Kompetenzen ist eine effektive Behandlung möglich. Eine breite Anzahl an Therapieverfahren, die zum Teil, wie bei der „Repetitiven Transkraniellen Magnetstimulation (rTMS)“, in der Region ausschließlich das UKL bietet, kommen zum Einsatz. Das spezialisierte Pflegeteam übernimmt ebenfalls therapeutische Aufgaben, und auch nach der Entlassung werden Patient:innen nicht allein gelassen.

„Auf unserer spezialisierten Station liegen besondere Schwerpunkte in der Behandlung schwer behandelbarer oder therapieresistenter Depressionen“, sagt Prof. Maria Strauß, Geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiterin der Spezialstation für Affektive Störungen. Die Patient:innen begegnen auf der Station vielen anderen Menschen mit dem gleichen Krankheitsbild.

Ein großer Vorteil, nach dem ersten wichtigen Schritt, sich überhaupt in die psychiatrische Behandlung zu begeben, findet Prof. Strauß: „Die Patient:innen erfahren – nach viel Ablehnung und Verständnislosigkeit im Vorfeld – hier nun unter ‘Gleichgesinnten’ mehr Akzeptanz und Verständnis für ihre Symptomatik. Auch sind Mitpatient:innen oft ein glaubwürdiger Vermittler von Hoffnung im Vergleich vielleicht zu den Therapeut:innen.“ 

Die Behandlung erfolgt in einem offenen und multiprofessionellen Therapiesetting. Einbezogen werden alle Berufsgruppen wie Ärzt:innen, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, Psycholog:innen, Ergo-/Physiotherapeut:innen, Soziotherapeut:innen und – soweit möglich – auch die Angehörigen. 

Mit der vorliegenden Symptomatik als Basis und nach ausführlicher Diagnostik werden für die Betroffenen jeweils ein abgestufter Therapieplan und individuelle Therapieziele erarbeitet, die regelmäßig angepasst werden. Optimales Therapieergebnis: schnellstmögliche Symptomverbesserung mit dem Ziel, in den Alltag zurückzukehren.

Breites Spektrum an Therapiemöglichkeiten steht zur Verfügung

Durch die große Bündelung an Kompetenzen, die spezifisch an diese Krankheit ausgerichtet sind, erreichen wir hier eine hocheffiziente Behandlung“, begründet Prof. Strauß die Vorteile einer Spezialstation. Gerade in psychiatrischen Uni-Kliniken entstünden so hervorragende Bedingungen für die Behandlung besonders schwer erkrankter Patient:innen, aber auch für Lehre und Forschung, erläutert die UKL-Expertin.

„Neben Patient:innenversorgung etablieren und evaluieren spezialisierte Stationen zudem neue Therapieformen und dienen als Multiplikatoren bei der Verbreitung neuer Therapieansätze“, fügt sie hinzu. 

Auf der der PSY 2, der UKL-Spezialstation, können Prof. Strauß und ihr Team nach eigener Aussage das gesamte Spektrum der Behandlungen anbieten, das bedeutet medikamentöse Formen, Psychotherapie als Einzel-und Gruppentherapie, neue internetbasierte Therapie-Tools, aber auch nichtinvasive neue Stimulationsverfahren wie rTMS, die Repetitive Transkranielle Magnetstimulation.

„Dieses Behandlungsverfahren der Depression bewirkt gezielt den Ausgleich der aus der Balance geratenen Hirnaktivität und ist gut verträglich“ erläutert die Ärztin. „rTMS bietet in unserer Region außer uns am Leipziger Uniklinikum niemand an“, betont Strauß. Unter anderem zu diesem Verfahren der Magnetstimulation forscht die Medizinerin gemeinsam mit anderen Universitätskliniken auch im Rahmen einer Studie.

Farben und Licht kommen gezielt zum Einsatz

Die Räumlichkeiten der Station PSY 2 in der Leipziger Semmelweisstraße sind in ihrer Neugestaltung dabei an das Behandlungskonzept angepasst worden: „Wir haben versucht, eine besonders empathische und fürsorglich-verständnisvolle Umgebung zu schaffen. Diese soll unter anderem dazu beitragen, Gefühle wie Hoffnungslosigkeit zu reduzieren und das Selbstwertgefühl zu steigern, dessen Fehlen typisch für depressive Patient:innen ist“, sagt Prof. Strauß. 

Das Farb- und Lichtkonzept wurde zusammen mit einer Architektin entwickelt, Verwendung fanden zum Beispiel beruhigend wirkende Pastellfarben und dimmbares Licht. Entstanden sind zudem moderne Therapieräume wie ein Sportraum, eine Küche, ein Yoga-Raum mit Lichtwand oder ein großer Aufenthaltsraum.

Patientenzimmer – obwohl Doppelzimmer – bieten farblich gut sichtbar getrennte persönliche Rückzugsräume. „Die Patient:innen lernen so einerseits in die Gemeinschaft zurückzukehren, gleichzeitig aber auch Grenzen selbst zu erkennen und zu setzen“, erläutert Oberärztin Maria Strauß. 

Großes Pflegeteam unterstützt Patient:innen 

Da die Mehrzahl der Patient:innen der Spezialstation an einer Depression leidet, wird bei jeglicher Interaktion zwischen allen Mitarbeitenden und den Patient:innen stets auf die Besonderheiten dieses Krankheitsbildes geachtet. Eine besondere Rolle kommt hier auch den Pflegenden zu. Mandy Wiedersich leitet das multiprofessionelle und, wie sie selbst sagt, „hoch engagierte“ Team der PSY 2-Pflegenden, bei denen „Empathie und Verständnis für die Krankheit zu den Grundbausteinen“ gehöre. 

Die Pflegekräfte übernehmen hier auch therapeutische Aufgaben. Das sei keine Selbstverständlichkeit, wie Antje Fiebig, Pflegerische Departmentleiterin des „Departments für Psychische Gesundheit“ am UKL, findet. Ermöglicht werde dies unter anderem durch eine sehr gute Personalausstattung: „Uns gelingt es, die Richtlinie ‘Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik’ zu 100 Prozent einzuhalten. Auf diese Weise können im ‘Department für Psychische Gesundheit’ die Gesundheits- und Krankenpfleger:innen unsere Patient:innen auch individuell begleiten“, betont Fiebig.

Die jährlichen Fortbildungen inklusive der Fachweiterbildung „Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie“ befähigten die Pflegenden dieser Station, ihre Patient:innen in der Auseinandersetzung mit der Erkrankung und deren subjektiver Bedeutung im eigenen Leben zu begleiten. Und Fiebig fügt an: „Unsere Pflegekräfte unterstützen so die Patient:innen bei der Krankheitsbewältigung – hier geht es vor allem um Selbstbestimmung, Selbständigkeit sowie Stärkung der Resilienz.“

Das bedeutet in der Praxis, dass das Pflegepersonal bestimmte Therapiebausteine mitträgt oder leitet. Dazu zählt zum Beispiel die Wachtherapie. „Für eine ganze Reihe von Therapieangeboten wie Qigong, die Atem- und Entspannungstherapie, die Aromatherapie, die Genussgruppe, aber auch für eine Gartengruppe, Yoga, Tischtennis oder Grill- und Kochabende haben wir Konzepte erstellt und zum Teil extra Schulungen absolviert“, erläutert Stationsleiterin Mandy Wiedersich.

Zusätzlich gebe es einmal pro Woche eine Visite mit einer Sozialarbeiter:in und ihr selbst, betont sie, um individuelle Anliegen oder Wünsche der Patient:innen zu besprechen und umzusetzen. Dabei handele es sich beispielsweise um Anträge, die gestellt werden müssten, anstehende Behördengänge oder Angehörigengespräche. 

„Patient:innen fühlen sich wohl auf der Station. Das spiegeln sie uns wider.“

Seit Juni dieses Jahres gibt es eine poststationäre Betreuungsgruppe namens „Boomerang“. Alle drei Wochen treffen sich bereits entlassene mit aktuell in Behandlung befindlichen Patient:innen. „Hier können sie miteinander ins Gespräch kommen, Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig unterstützen. Das kann in einem Park, in einem Café oder bei einem kleinen Ausflug stattfinden”, sagt Schwester Mandy. „Boomerang – wenn man es gut macht, kommt etwas zurück“, erläutert sie Konzept und Name. 

Stichwort Entlassung: „Wir legen großen Wert auf das Entlassungsmanagement“, sagt Prof. Maria Strauß, „zum Beispiel in der erwähnten ‘Sozialvisite’. Und wer multiprofessionelle Betreuung benötigt, für den organisieren wir den Übergang in die ebenfalls von mir geleitete ‘Affektive Ambulanz’ unseres Hauses. Dies gewährleistet aus meiner Sicht die Möglichkeit einer kontinuierlichen Behandlung. Ansonsten pflegen wir enge Kooperationen mit niedergelassenen Kollegen“, ist sie sich sicher. 

Im Durchschnitt bleiben Betroffene sechs Wochen auf Station. Frauen sind in der Mehrheit. Die Altersstruktur ist allerdings sehr gemischt: „Das beginnt bei 18-Jährigen und endet nicht bei 80“, sagt Stationsleiterin Mandy Wiedersich. „Und das ist spannend, wie sie alle miteinander umgehen.“ Departmentleiterin Antje Fiebig fügt hinzu: „Es ist eine schöne Mischung aus Lebenserfahrung und – nennen wir es mal – Unbedarftheit. Unsere Patient:innen fühlen sich wohl auf der Station. Das spiegeln sie uns wider.“

21 Betten stehen zur Verfügung, darunter ein speziell ausgestatteter Therapieplatz für Mütter mit postpartalen psychischen Störungen, welche gemeinsam mit ihrem Säugling aufgenommen werden können.

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