Der Bayrische Bahnhof ist das Tor zum Süden und soll, wenn es nach Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) geht, auch das Tor zu einer goldenen Zukunft Leipzigs werden. Jedenfalls wurde am Freitag bei strahlendem Sonnenschein mit der symbolischen Enthüllung des Schriftzuges "Sächs. Bayerische Staats-Eisenbahn" die Hoffnung auf Fernverkehrszüge im Ein-Stunden-Takt verbunden.

Minister Morlok war anzumerken, dass auch er das Ende des “Tunnelabenteuers” herbeisehnt: “Wir sind mit dem Projekt City-Tunnel auf der Zielgeraden.” Ein wenig tröstlich angesichts der ursprünglich avisierten 571 Millionen, die der spektakuläre Bau ursprünglich kosten sollte. Nun hofft man wenigstens den Endspurt durchzuziehen, ohne dass es zu einer erneuten Kostenexplosion kommt, die das Projekt schließlich fast an die Milliardengrenze getrieben hat. Und wenn die ganze Angelegenheit schon so teuer geworden ist, wolle man auch die ganze Palette an Möglichkeiten, die der City-Tunnel zu bieten habe, ausnutzen.

Morlok weiter: “Dieses Großvorhaben ist ein Meilenstein für den Nah- und Fernverkehr in Leipzig. Ich möchte damit auch der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass hier auch pro Stunde ein Fernverkehrszug durch den Tunnel fahren wird.” Und während der Minister dies sagte, verzog man bei den Verantwortlichen der Bahn keine Miene. Arthur Stempel, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn AG, jedenfalls ging bei seiner eher neutral gehaltenen Rede mit keinem Wort auf die von Minister Morlok geäußerte Hoffnung ein.Es ist kein Geheimnis, dass Leipzig, aus welchen Gründen auch immer, seitens der Bahn eher stiefmütterlich behandelt wird. Unverständlich, angesichts der Rolle, die Leipzig wirtschaftlich als mitteldeutsche Großmetropole spielt. Wirtschaft war auch das weitere Stichwort für Sven Morlok, der an die Händler erinnerte, die bisher unter den Folgen der Baumaßnahmen zu leiden hatten. “Sie werden jetzt aber vom City-Tunnel profitieren. Denn mit der Inbetriebnahme des Tunnels im Jahr 2013 wird es eine positive Umsatzentwicklung geben.”

Derweil hielt sich Arthur Stempel in seiner Rede eher an technischen Details fest und blickte auf die Zeit zurück, als der Portikus zweimal um rund 30 Meter verschoben werden musste, damit die unterirdische Bahnstation gebaut werden konnte: “Das ist schon eine technische Meisterleistung gewesen. Jetzt ist es schon fast so weit, dass man die Tage zählen kann, bis es so weit ist. Unter dem Portikus werden dann alle fünf Minuten in jeder Richtung S-Bahnzüge rollen.”Per Losverfahren waren übrigens 50 Leipziger Bürger ausgesucht worden, die sich neben der Enthüllungsfeier auch die U-Bahnstation anschauen durften. Hintergrund: Mit Inbetriebnahme des rund 5,3 Kilometer langen City-Tunnels im Dezember nächsten Jahres wird der Bayerische Bahnhof nach mehr als einem Jahrzehnt ohne Reisende wieder zur Bahnstation. Damit wird sich seine Geschichte als “Tor in den Süden”, die bereits 1844 als Endhaltepunkt der “Sächsisch-Bayerischen Staatseisenbahn” begonnen hatte, fortsetzen.

Für den Bau der neuen City-Tunnel-Station musste sein Wahrzeichen, der rund 2.800 Tonnen schwere und 20 Meter hohe Portikus im Jahr 2006 um 30 Meter nach Osten verschoben werden. Im Herbst 2009 wurde er schließlich auf speziellen hydraulischen Lagern zurückversetzt und seitdem saniert. Die aufwändigen Restaurierungsarbeiten am Portikus sind inzwischen beendet. Auch die historische Beflaggung mit der sächsischen und der bayerischen Staatsflagge wird nun wieder hergestellt.

Bislang ist allerdings noch völlig offen, ob die von diversen Politikern beschworenen, schönen Fernverkehrsanbindungen, die mit dem Tunnel möglich seien, auch kommen. Denn die Verträge, die der Freistaat Sachsen zum City-Tunnel abgeschlossen hat, sehen keinerlei Verpflichtung zur Bestellung von Fernverkehr durch die Deutsche Bahn AG vor. Da bleibt Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) nur noch, bei Bahnchef Rüdiger Grube servil vorstellig zu werden, um wenigstens eine Abendverbindung nach Zwickau, die sich die Bahn eventuell vorstellen kann, zu erreichen. Und selbst diese ist nicht gesichert, sondern liegt allein im gutsherrlichen Ermessen der DB AG. So offen, wie man es sich gerne wünsche, ist das Tor zum Süden also doch nicht.Dabei wäre es tatsächlich eine große Chance für die Wirtschaftsregion Leipzig. Nun liegt es an der Bahn AG zu beweisen, dass sie doch über Weitsicht verfügt und das Tor ganz aufstößt.

Geschichte des Bayerischen Bahnhofs: Die Station gilt heute als der älteste Kopfbahnhof der Welt. In den Jahren 1842-1844 errichtet, war er der Endhaltepunkt der “Sächsischen-Bayerischen Eisenbahn”, die Leipzig mit dem bayerischen Hof sowie von dort mit Nürnberg verband.

Das Bahnhofsgebäude stellte für damalige Verhältnisse einen enormen Fortschritt dar: Erstmals wurden hier eine großzügig gestaltete Personenhalle und die Verwaltungsgebäude in einem repräsentativen Gebäudekomplex untergebracht. Und auch die gesamte Bahntechnik befand sich auf dem Gelände. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Bayerische Bahnhof zu Leipzigs “Tor des Südens”. 1,5 Millionen Abreisende nutzten ihn jährlich. Sämtliche Personenzüge aus Richtung Berlin machten hier Station, ab 1897 auch der legendäre “Brenner-Express”, der von Kopenhagen bis Italien fuhr.

Mit der Fertigstellung des Leipziger Hauptbahnhofs 1915 verlor der Bayerische Bahnhof seine Funktion für den Fernverkehr, blieb aber für den regionalen Personen- und Güterverkehr von großer Bedeutung. In den 1930er Jahren nutzten ihn 12.000 Personen täglich. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude stark zerstört. Die großzügige Personenhalle, die sich seit der Errichtung des Bahnhofs hinter dem Portikus erstreckte, musste abgerissen werden. In den 1970er Jahren wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und Anfang der 1980er Jahre saniert. Mitte der 1980er Jahre verkehrten immer noch 15 Personenzüge täglich und verbanden Leipzig mit dem südlichen Umland.

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Erst 2001 wurde der Zugverkehr, der zuletzt noch in Richtung Altenburg und Zwickau bestand, endgültig eingestellt. Als künftige Station im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz erhält der geschichtsträchtige Bahnhof seine integrale Funktion für den Regionalverkehr zurück. Ohne Umsteigen geht es künftig vom Bayerischen Bahnhof zum Beispiel nach Halle/Saale, Bitterfeld, Torgau, Oschatz, Markkleeberg oder Altenburg, zur Leipziger Messe oder zum Flughafen Leipzig/Halle. In Richtung Süden reicht die Anbindung sogar bis Zwickau. Und auch vom Umland aus ist das südöstliche Zentrum künftig wesentlich besser erreichbar. Das gilt für die attraktiven Wohnquartiere rund um die Karl-Liebknecht-Straße ebenso wie für die Studentenwohnheime direkt nebenan oder das Uni-Klinikum, das nur wenige Gehminuten entfernt ist. Wer weiter in den Leipziger Süden oder Osten reisen möchte, steigt am besten am Bayerischen Bahnhof aus und nutzt von hier aus die Tram.

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