Nach monatelanger Recherche reicht der Leipziger Ökolöwe jetzt die Klagebegründung im Gerichtsverfahren zu den Auwaldrodungen von 2011 ein. Zahlreiche Argumente unterstützen nun die ursprüngliche Klage des Vereins aus dem Vorjahr und weisen den Behörden völliges fachliches Versagen nach.

Im Februar des Jahres 2011 hatte die Landestalsperrenverwaltung (LTV) im Leipziger Auensystem entlang der Flüsse auf 23 Kilometern ohne das übliche Genehmigungsverfahren mit Planfeststellungsbeschluss sämtliche Gehölze beseitigen lassen. Begründet wurden die Maßnahmen mit einer unmittelbar drohenden Hochwassergefahr für Leipzig.

Diese Gefahr im Verzug hat nach Ansicht des Ökolöwen an den meisten Gewässerabschnitten des Auwaldes zu keiner Zeit bestanden. Tausende Bäume seien also völlig umsonst gefallen. Dazu Holger Seidemann, Vorstandsmitglied des Ökolöwen: “Wir fanden heraus, dass zum Hauptfällzeitraum ab 10. Februar 2011 am Oberlauf der Leipziger Flüsse der Stauraum zum Hochwasserrückhalt nicht genutzt wurde, denn 72 Mio. m³ von 73,6 Mio. m³ Stauvolumen waren frei. Auch die Schneedecke im Einzugsgebiet von Weißer Elster, Pleiße und Parthe war fast vollständig abgeschmolzen.”

Das Problematisieren der Deichaufweichung durch die LTV, das praktisch bei jedem Hochwasser in unterschiedlichem Ausmaß passiert, hätte von Anfang an wie vorgeschoben gewirkt. Schließlich wurden in den 18 Monaten nach den Fällungen auf der gesamten Flusslänge von 23 Kilometern die Deiche zerfahren und fast komplett abgetragen. Hier würden grundsätzlich wesentlich höhere Risiken bestehen als durch die eher theoretische Gefahr umstürzender Bäume.Bei der Gefahrenanalyse untersuchte der Ökolöwe in Zusammenarbeit mit Wasserbauern und Ingenieuren zunächst alle Teilabschnitte der Fällungen, da eine pauschale Betrachtung, wie von der LTV vorgenommen, hier nicht möglich ist.

“Wir haben uns zunächst die verschiedenen Teilabschnitte angeschaut und die Fällungen jeweils auf ihre Notwendigkeit überprüft”, so Seidemann weiter. Zahlreiche Deiche und Verwallungen schützen schlicht nur den Auwald vor den notwendigen zyklischen Überflutungen. Als Ausnahme war der Deich vor Schkeuditz-Kleinliebenau unbedingt zu sanieren. An zahlreichen anderen Deichabschnitten war das Hinterland so hoch wie der Deich bzw. die Verwallungen (z.B. an den meisten Abschnitten der Kleinen Luppe).

Dass die Genehmigungsfähigkeit nicht vorlag, teilte im Laufe des Verfahrens auch die Naturschutzabteilung vom Amt für Umweltschutz Leipzig mit. Es verweigerte während des Schnellverfahrens die pauschale Befreiung vom Gebietsschutz in den umfangreich betroffenen Naturschutzschutzgebieten und den Schutzgebieten nach Europäischem Recht. An der Neuen Luppe hatte die Landestalsperrenverwaltung mit viel Öffentlichkeitsarbeit die Absenkung eines 200 Meter langen Deichabschnittes als Hochwasserfolge kommuniziert. In diesem Fall stellte der Umweltverband fest, dass Deichabsenkungen dort schon seit Jahren existieren. Sie sind bereits im Hochwasserschutzkonzept für das Einzugsgebiet der Weißen Elster von 2004 in Deichdiagrammen dargestellt.

Wolle man den Leipziger Auwald in seiner Schönheit und seinem Artenreichtum erhalten, müsse man endlich für zyklisch auftretende und großflächige Überflutungen mit Sedimenteinträgen sorgen. Die momentan stattfindenden Austrocknungen beförderten einen Spitzahorn-Einheitswald, kritisiert der Ökolöwe.

“Wir gehen davon aus, dass die Landestalsperrenverwaltung das ordentliche Verwaltungsverfahren mit der nach Artikel 6 Absatz 4 der FFH-Richtlinie gebotenen Verträglichkeitsprüfung gezielt durch das Argument ‘Gefahr im Verzug’ umgehen wollte. Ergebnis eines ordentlichen Verfahrens wäre der Rückbau oder die Aufgabe verschiedener Deiche, die Verhinderung zahlreicher Baumfällungen und ein anderes Steuerungsregime gewesen”, erläutert Wolfram Günther, der mit dem Verfahren beauftragte Anwalt, die Sachlage.

www.oekoloewe.de

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