Warum sollte ausgerechnet in Sachsen besser gelingen, was im Bund schon nicht klappt? Die Europäische Kommission hat vor wenigen Tagen beim Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland Klage eingereicht. Sie wirft Bund und Ländern vor, die Schutzgebiete ungenügend rechtlich zu sichern und keine ausreichend konkreten Schutzziele zu formulieren. Das triff auch auf das Leipziger Auensystem zu, dessen Schutzgüter in einem schlechten Zustand sind. 20 Jahre wurden vertrödelt.

Die letzte Auswertung zu den FFH-Gebieten in Sachsen gab es 2018. Und was die Auenwälder im Land betrifft, hat sich seit dem Jahr 2000 nichts zum Besseren gewendet. Der Erhaltungszustand von Hart- und Weichholzauen tendiert von unzureichend zu schlecht.Es gibt zwar die „Verordnung der Landesdirektion Leipzig zur Bestimmung des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung ,Leipziger Auensystem‘“. Aber sie ist derart schwammig formuliert, dass einfach nicht klar wird, wie die Verantwortlichen im (viel zu kleinen) Schutzgebiet die eigentlich unter Schutz gestellten Güter bewahren wollen, geschweige denn „Verschlechterung“ verhindern wollen.

Dass sie es nicht wollen, zeigen die Jahr für Jahr aufgelegten Forstwirtschaftspläne, die nichts mit der Erhaltung der FFH-Schutzgüter zu tun haben, sondern die wirtschaftliche (forstliche) Nutzung über den Naturschutz stellen. Mit mittlerweile zu besichtigenden Folgen.

„Auch in Sachsen sind Schutzgebiete unzureichend gesichert“, sagt Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen. „Seit vielen Jahren mahnen wir an, dass eine Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in nationales und Landesrecht erfolgen muss.“ Das heißt vor allem, dass entsprechende Naturschutzgebiete ausgewiesen werden müssen bzw. die EU-Richtlinie sich in den jeweiligen Rechtsverordnungen mit konkreten Ge- und Verboten sowie den Erhaltungs- und Entwicklungszielen widerspiegeln muss.

Leipzig hat zwar allein fünf FFH-Gebiete. Aber sie sind teilweise viel zu klein. Verbindungen zu anderen Schutzräumen fehlen. Und mittendrin wirtschaftet die Abteilung Stadtforsten immer noch so, als wäre hier nie ein „Natura 2000“-Gebiet ausgewiesen worden. Und das, obwohl es selbst auf der Homepage der Stadt Leipzig heißt, dass für diese „Gebiete das Verschlechterungsverbot und die Pflicht zur Verträglichkeitsprüfung bei Projekten und Plänen, die ein solches Gebiet beeinträchtigen könnten“, gilt. Diese Verträglichkeitsprüfung hat weder für die Forsteinrichtung noch für die einzelnen Forstwirtschaftspläne jemals stattgefunden. Was diese aus Sicht des OVG Bautzen schlichtweg unwirksam machte.

Die Paußnitz im südlichen Auwald. Foto: Ralf Julke
Die Paußnitz im südlichen Auwald. Foto: Ralf Julke

Aber selbst mit der Auflage des neuen Forstwirtschaftsplans 2021 glaubt das Leipziger Umweltdezernat, ausgerechnet für die forstlichen Eingriffe keine Verträglichkeitsprüfung zu brauchen. Das kann man durchaus Ämterversagen auf der ganzen Linie nennen, ganz zu schweigen von den Blankovollmachten, die das Leipziger Amt für Umweltschutz dem Staatsbetrieb Sachsenforst immer wieder gibt, wenn der in der Nordwestaue seine eigenen Bewirtschaftungspläne in den gewachsenen Waldbeständen umsetzen will.

Aus Sicht des NABU-Sachsen hat sich beim Umgang mit den Schutzgebieten in Sachsen in den letzten Jahren zu wenig getan. So stammt beispielsweise die Rechtsverordnung für das mit 60 Hektar viel zu kleine Naturschutzgebiet „Elster-und-Pleiße-Auewald“ im Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) „Leipziger Auensystem“ im Süden der Stadt aus dem Jahr 1961.

Die Behörden im Freistaat sind nun durch die Klage der EU zum Handeln aufgefordert. Der NABU Sachsen bietet hier Unterstützung an. Erst im Januar hat der NABU Sachsen selbst eine eigene Beschwerde bei der EU eingereicht. Grund ist die Gefährdung alter Waldbestände sowie unersetzbarer Quell- und Moorgebiete durch den großflächigen Kiesabbau in der Radeburg-Laußnitzer Heide.

Eine besondere Bedrohung ergibt sich daraus für das EU-Vogelschutzgebiet „Laußnitzer Heide“, das FFH-Gebiet „Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf“ sowie die Naturschutzgebiete „Waldmoore bei Großdittmannsdorf“ und „Moorwald am Pechfluss bei Medingen“. Auch mehrere Tier- und Pflanzenarten sind durch die Verfüllung des betriebenen Kiessandtagebaus mit standortfremdem Material gefährdet.

„Wir erwarten auch hier ein konsequentes Handeln seitens der Europäischen Kommission“, postuliert Heinitz.

Klagen der EU gegen Deutschland

Deutschland setzt laut Einschätzung der Europäischen Kommission die FFH-Richtlinie nur unzureichend um. Die aktuelle Klage kam nicht unerwartet: Bereits im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission einen Warnschuss abgegeben. In einer sogenannten begründeten Stellungnahme hatte sie auf die Missstände bei der Umsetzung der FFH-Richtlinien und damit beim Schutz von Natura-2000-Gebieten hingewiesen. Doch die Warnung scheinen Bund und Länder nicht vernommen zu haben.

„Jetzt drohen eine weitere Verurteilung durch die Richter in Luxemburg und bei weiterem Nichtstun unter Umständen sogar Strafzahlungen. Die Länder und der Bund müssen endlich tätig werden“, fordert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

Klagen der EU gegen Deutschland auf dem Gebiet des Naturschutzes haben eine gewisse Tradition – denn in der Regel handelt die Bundesrepublik erst bei konkreten Strafandrohungen. Bereits Mitte der 1990er Jahre klagte die EU gegen die unzureichende Ausweisung europäischer Schutzgebiete. Mit 270 FFH-Gebieten, dies entspricht rund neun Prozent der Landesfläche, ist Sachsen im Vergleich mit anderen Bundesländern inzwischen relativ gut aufgestellt – dennoch mangelt es an der Sicherung der Gebiete.

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Es gibt 3 Kommentare

Da es auch vielen anderen FFH-Gebieten schlecht geht, scheinen die Grundursachen vielleicht auch aus den Systemen zu entstehen – möglicherweise in ganz Deutschland. Sicher werden in den jeweiligen Dynamiken auch Verbände eine Rolle spielen, es ist halt nicht jedem gegeben, über die Systeme, in denen man halt so reingerutscht ist, den Ãœberblick zu behalten. Ist das nicht auch logisch? Wer in der Masse konform mitschwimmt und davon ja letzlich mehr oder weniger profitiert (und sei es auch nur, weil man gefallen möchte), kann zwangsläufig die Systeme nicht von außen sehen – es sei denn, er begäbe sich in eine Außenseiterposition, von der aus man einen Ãœberblick über die Lage gewinnen kann. Die Außenseiterposition bedeutet leider dann aber auch, dass alle anderen einen als Außenseiter wahrnehmen und man nicht mehr in der kuscheligen Gruppe mitschwimmt. Und: wer hört denn schon gern dem kritischen Außenseiter zu? So bleibt die Dynamik lange, wie sie ist, keine Ahnung, wie sich dies ändern könnte.

Wenn ich so denke, wie man die Eichen (selbst abgestorbene) momentan aus dem FFH-Gebiet Sprödaer Wald rauszieht, frei nach dem Motto “Wer braucht schon alte Eichen in einem geschützten Eichen-Hainbuchenwald”, oder ebenso aus dem FFH-Gebiet “Oberholz” oder wie das FFH-Gebiet “Zwenkauer Eichholz” seit Jahren vom Staatsbetrieb Sachsenforst aufs ärgste mißhandelt wird (wenn da Bäume sterben liegt das nicht nur an der Dürre)… dann denke ich, FFH-Gebiet bedeutet in Deutschland auch nur “Flora-Fauna-hahahahahaha!”.

Ich wünsche dem NABU Sachsen auf jeden Fall viel Glück mit der “Radeburg-Laußnitzer Heide”. Vielleicht gelingt es ja, da was zu erhalten, ich würde mir das gerne da mal anschauen, klingt so hübsch alles, aber man bekommt ja Angst, dass man dort schon alles zerstört hat, um Kies abzubauen, ehe man es geschafft hat, ein paar Tage Urlaub zu nehmen.

>Diese Haltung des NaBu Leipzig steht übrigens im diametralen Gegensatz zu den Grundsätzen des NaBu Deutschland

Vielleicht wäre ein Hinweis an die Bundesebene des NaBu dienlich, mal auf den Ortsverein in Leipzig zu gucken? Aus anderen Erfahrungen in der Leipziger Politik heraus halte ich es nicht für völlig ausgeschlossen, dass in diesen Ortsverein Leute von interessierter Seite eingeschleust wurden, um dann so von der Stadt Leipzig am Verhandlungstisch vorschriftsgemäß “gehört” zu werden…

Den NaBu im Zusammenhang mit dem Schutz des FFH-Gebietes “Leipziger Auwald” zu bringen, ist allerdings leider völlig fehl am Platze. Der NaBu Leipzig tritt ganz offen für das städtische Forstamt und Herrn Sickert auf, das kann man auch auf der Internetseite des NaBu Leipzig leicht nachlesen. Wie es in dem NuKla-Film “Der Leipziger Auwald – Ein Nachruf?” – https://www.youtube.com/watch?v=F2PhppM-bIk – so schön heißt, er hat sich zusammen mit dem Ökolöwen als besonders treuer Lobbyist für die hiesige Forstwirtschaft entpuppt, der als sog. Freund des Stadtwaldes dem Förster geradezu huldigt. Das kann man wirklich nicht treffender formulieren. Der NaBu Leipzig hat sogar eine Exkursion für die Stadträte organisiert, um den Stadträt*innen nahe zu legen, dem Forstwirtschaftsplan zuzustimmen.

NuKLa hatte bei seiner letztendlich erfolgreichen Klage beim OVG Bautzen auch den NaBu Leipzig als Gegner, das ist leider Fakt. Diese Haltung des NaBu Leipzig steht übrigens im diametralen Gegensatz zu den Grundsätzen des NaBu Deutschland zum Thema Waldökologie und Forstwirtschaft, die durchaus im Sinne des Naturschutzes sind.

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