Nicht nur bei Leipzig sorgen Kiesabbaupläne immer wieder für Diskussionen. Auch in anderen Teilen Sachsens sorgt der Zugriff auf die Rohstoffe in der Erde für Kontroversen – Bergrecht sticht immer wieder Naturschutz aus. Auch dann noch, wenn die riesigen Kiesgruben dann zur Schutthalde gemacht werden. Das war  Thema einer Anhörung im Sächsischen Landtag am 7. März. Denn seit den 1990er Jahren stellt die geplante Erweiterung des überdimensionierten Kiesabbaus bei Ottendorf-Okrilla eine akute Bedrohung für die Natur dar. Die ersten Folgen sind bereits sichtbar, warnt der NABU Sachsen.

Neben der Planung zum Neuaufschluss des Tagebaus „Würschnitz-West“ macht der Natur die Verfüllung des bestehenden Tagebaus „Laußnitz 1“ mit Fremdmaterial zu schaffen. Der NABU Sachsen legte 2021 anwaltlich Widerspruch gegen eine weitere Kippe mit sieben Millionen Tonnen Bauschutt- und Bodenaushub im Einzugsgebiet der dort befindlichen Moore ein.

Am 7. März wurden im Umweltausschuss des sächsischen Landtags sechs Sachkundige gehört. Gegenstand war insbesondere die Verfüllung des Tagebaus „Laußnitz 1“ mit Bauschutt und Bodenaushub und die daraus folgende Beeinträchtigung des FFH-Gebiets „Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf“.

Wo blieb das Umweltministerium?

Der NABU Sachsen trat mit dem Sachkundigen Dr. Holger Oertel für die naturschutzfachlichen Belange ein und wies auf eklatante Fehler, Fehlinterpretationen und anhaltende Versäumnisse hin. Der behördliche Naturschutz war nicht vertreten.

„Offenbar hatte man es vorgezogen, weder das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG – unter anderem verantwortlich für das Monitoring von NATURA 2000-Gebieten), noch die untere Naturschutzbehörde zu Rate zu ziehen. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die drei anwesenden Gutachter des Kiesunternehmens und das Oberbergamt den vom NABU angebrachten Aussagen, Daten und Schlussfolgerungen zu den naturschutzfachlichen Auswirkungen nicht folgten – eine Klärung der Problematik war so nicht möglich“, stellt der NABU fest.

„Enttäuschend war zudem der Auftritt der Unteren Wasserbehörde Bautzen, die noch im letzten Jahr die Einstellung der Verfüllung von Laußnitz 1 zum Schutz des Grundwassers forderte. Dass nährstoffarme Moore und deren Bewohner sehr sensibel auf Stoffeinträge reagieren können, ist zumindest in der Fachwelt kein Geheimnis und hätte auch den Gutachtern des Kieswerkes und dem Oberbergamt bekannt sein müssen. Nicht ohne Grund sind Stoffeinträge für seltene Moorarten und -biotope neben der Entwässerung die Hauptgefährdungsursachen.“

Streng geschützte Moore

Die Großdittmannsdorfer Waldmoore sind streng und teilweise als NATURA 2000-Gebiete auch europaweit geschützt. In direkter Nachbarschaft gräbt der Kiesabbau den Mooren jedoch die Lebensgrundlage ab, da die wirtschaftlich interessanten Kiesrücken maßgeblich für den Wasserhaushalt der Moore und die umgebenen Wälder für die Nährstoffarmut und Reinheit des zuströmenden Wassers verantwortlich sind.

„Die Eingriffe zeigen an einigen Standorten schon jetzt eine verringerte Wasserzufuhr und zunehmende Austrocknung. Zudem führt die unverantwortliche und absolut unnötige Verfüllung mit Fremdmaterial im Einzugsgebiet der Moore und Quellen zu einem fatalen Nährstoff- und Salzeintrag, der sich nicht nur in Grundwassermessungen widerspiegelt, sondern auch durch Eutrophierung von an den Kippen gelegenen Moorstandorten, wie die Kartierung des LfULG bestätigte“, listet der NABU Sachsen auf. „Dennoch sahen die Gutachter des Kieswerkes auf der Anhörung keine Verschlechterung der FFH-Lebensraumtypen und beriefen sich unter anderem auf die zur Anhörung vorgestellte, durch den NABU-Widerspruch erst nachträglich durchgeführte FFH-Verträglichkeitsuntersuchung.“

Verschlechterung kleingeredet

Die zugrunde liegenden Daten allerdings werden vom NABU Sachsen als eindeutige Verschlechterung gewertet – trotz Verschlechterungsverbot durch die EU. Die auf der Anhörung geführten Diskussionen, wie viel Verschlechterung das Moor aushält, seien dabei obsolet, stellt der NABU fest. Denn worauf Dr. Holger Oertel vom NABU Sachsen explizit hinwies, gilt § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes, wonach jede Beeinträchtigung oder gar Zerstörung von Mooren und Quellen verboten ist.

Für die NABU-Landesvorsitzende Dr. Maria Vlaic resultiert daraus ein klarer Handlungsauftrag:  „Intakte Moore sind von unschätzbarem Wert für Klima und Artenvielfalt. Wir fordern daher Politik und Gesellschaft auf, sich für deren Wiederherstellung und Erhaltung einzusetzen. Das jüngste Bekenntnis des europäischen Parlaments zum EU-Renaturierungsgesetz unterstützt uns im Kampf für den Erhalt dieses europaweit einzigartigen Moorgebiets.“

Die Anhörung im Umweltausschuss des Landtages hat keine rechtlichen Folgen, informiert aber nicht nur Abgeordnete zu Problematik und Vorgehen, sondern auch die interessierte Öffentlichkeit. Vor allem aber hat die Anhörung aus Sicht des NABU Sachsen gezeigt, dass der Freistaat Sachsen sich nicht in ausreichendem Maße dem Schutz des Gemeinwohls widmet: „Denn Moorschutz ist Klimaschutz – und diesen haben wir zurzeit notwendiger denn je. Die Präsentation des NABU Sachsen zur Anhörung ist dieser Pressemitteilung angefügt.“

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