Am 15. Februar wurde die Waldbesetzung im Heibo polizeilich geräumt, um die Waldrodung und den Kiesabbau im Kiestagebau „Würschnitz 1“ nahe Ottendorf-Okrilla zu ermöglichen. Ohne Rücksicht auf die immer drängenderen naturschutzfachlichen Belange. Und auch im benachbarten Abbaufeld „Würschnitz-West“ droht die Zerstörung unersetzlicher Biotope. Davor warnt auch der Träger des alternativen Nobelpreises, Prof. Michael Succow.

Der Kieswerkbetreiber KBO hat mit dem Sächsischen Umwelt- (SMEKUL) sowie Wirtschaftsministerium (SMWA) im Dezember 2022 eine Vereinbarung zum geplanten Kiesabbau im Gebiet „Würschnitz-West“ erzielt. Diese sieht einerseits keine Verfüllung von tagebaufremdem Material mehr vor, andererseits soll der Abbau nur noch in Form eines Trockenabbaus mit genug Abstand zum Grundwasserspiegel erfolgen.

Wertvolle Moorlandschaften

Doch Ersteres war bereits eine Maßgabe aus dem Raumordnungsverfahren im Jahr 2016, die vom Betreiber und vom Oberbergamt bisher nicht beachtet wurde. Letzteres war schon Gegenstand der Planunterlagen aus dem Jahr 2018. Aus Sicht des NABU Sachsen würde jedoch auch ein Abbau in Teilen das nahegelegene NSG „Waldmoore bei Großdittmannsdorf“ nachhaltig beeinträchtigen. Das Verschwinden der Kiesrücken könnte gar zum Austrocknen der jahrtausendealten Moorlandschaft führen.

Das Zwischenmoor bei den Waldmooren bei Großdittmannsdorf. Foto: Matthias Schrack
Zwischenmoor bei den Waldmooren bei Großdittmannsdorf. Foto: Matthias Schrack

Die Waldmoore im Raum Radeburg – Großdittmannsdorf sind aus naturschutzfachlicher Sicht besonders wertvoll aufgrund ihrer CO₂- und wasserspeichernden Funktion und als Lebensraum für besonders seltene waldmoortypische Tier- und Pflanzenarten. Dabei stehen die Feuchtgebiete und die Kiesrücken in einem untrennbaren hydroklimatischen und hydrogeologischen Zusammenhang.

Denn die Moore speisen sich nicht nur aus dem Grundwasser, sondern auch aus den Kiesrücken. Der Kies dient einerseits als Filter für das Niederschlagswasser, andererseits sorgt das Wasser zwischen den hohlraumreichen Sanden und Kiesen für Wasserdruck und damit für Quellaustritte im Moorgebiet.

Selbst ein Abbau der Kiesrücken nur in Teilen würde diese hydrogeologische Struktur zerstören. Zusammen mit sinkenden Grundwasserpegeln in Trockenzeiten würde das zum fortschreitenden Austrocknen der Moore führen. Die geplante grundwassernahe Aufforstung im dann ehemaligen Tagebau würde den Wassermangel durch höhere Verdunstung sogar noch verstärken.

Vereinbarkeit von Kiesabbau und Moorschutz?

„In der Vereinbarung vom Dezember 2022 wird vermittelt, Kiesabbau und Moorschutz seien vereinbar. Das ist falsch und bewusste Irreführung! Für diese Aussage bedürfte es eines hydrogeologischen Gutachtens, das seit mehr als zehn Jahren vom NABU eingefordert wird, aber bis heute weder für den Gesamtraum von 900 Hektar potenzieller Auskiesungsfläche, noch für den geplanten Kiessandtagebau ‚Würschnitz-West‘ der Öffentlichkeit vorliegt“, erklärt Bernd Heinitz, Vorsitzender des NABU Sachsen.

Auch der international anerkannte Experte für Moor-Ökologie und Träger des alternativen Nobelpreises, Prof. Michael Succow, äußert sich bestürzt zu dem Vorhaben: „Die Situation hat mich sehr erschüttert. Ich kenne diesen Naturraum von einer Exkursion, es ist wirklich ein besonders wertvoller Raum. Hier derartige ‚Entwicklungsprojekte‘ anzustreben, ist in Zeiten der rasanten Klimaveränderung und des dramatischen Artenschwundes unverantwortlich, gerade auch mit Blick auf den zunehmend gestörten Landschaftswasserhaushalt mit Grundwasserschwund und damit dem großflächigen Vertrocknen der Moore.“

Seit 1957 wird in der Gegend bei Ottendorf-Okrilla im großen Stil Kies abgebaut. Die negativen Auswirkungen auf die umliegenden Moore sind bereits heute sichtbar: Durch die Verfüllung des Tagebaus „Laußnitz 1“ mit Bauschutt hat sich die Wasserqualität im NSG „Moorwald am Pechfluss bei Medingen“ als Teil des FFH-Gebiets „Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf“ massiv verschlechtert.

Zudem beginnen zwei Kleinmoore im Nahbereich der ausgekiesten Grube mitsamt ihrer Moorvegetation zu schwinden, während alle anderen Moorstandorte weiterhin vital sind. Ähnliches droht im NSG „Waldmoore bei Großdittmannsdorf“ und dem quellenreichsten Gebiet im sächsischen Tiefland, dem Töpfergrund bei Radeburg, würde „Würschnitz-West“ genehmigt werden. Ein Umweltministerium, das die Gefahr einer solchen Zerstörung billigend in Kauf nimmt, vertritt nicht die Belange des Biotop- und Artenschutzes.

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