Was zuerst noch als Gerücht durch die Viertel der Weststadt huschte, nimmt nun immer mehr Form an. Die Rede ist vom Vorhaben aus dem ehemaligen Ballhaus Felsenkeller im Ortsteil Plagwitz einen Supermarkt zumachen. Das an der Kreuzung Karl-Heine/Zschocherschestraße gelegene Baudenkmal ist historisch und architektonisch von nicht minderer Bedeutung. 1890 wurde der Bau abgeschlossen.

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Ernst Thälmann hielten dort ihre Reden und es war der Versammlungsort der Leipziger Arbeiterbewegung. 2013 nun sind die jetzigen Eigentümer mit dem Vorhaben an die Stadt herangetreten, das Gebäude für einen Einzelhandel umzunutzen. Die Versuche seitens der Eigentümer das Objekt als feste Größe im Veranstaltungsbereich zu etablieren waren immer wieder gescheitert. Da die Investitionen, die der Eigentümer zur Sanierung und Sicherung des Gebäudes hätte tätigen müssen, nicht getätigt wurden, musste das Gebäude im letzten Jahr baupolizeilich geschlossen werden.

Die oftmals erteilten Einzelgenehmigungen des Ordnungsamtes reichten nicht mehr aus. Versuche mit möglichen Eigentümern Kontakt aufzunehmen sind bisher ohne Erfolg geblieben. Unter der Telefonnummer der aaa consulting GmbH Leipzig, die nach Branchenbucheintrag ihren Sitz im Felsenkeller haben soll, ist momentan niemand zu erreichen. Andere Nummer sind schlichtweg nicht mehr existent. Auch die Stadt darf zum Eigentümer keine Angaben machen.

Die geplante Umnutzung sei bauhistorisch und denkmalpflegerisch schwierig, so Heinrich Neu, Abteilungsleiter im Stadtplanungsamt. Der Standort sei aufgrund seiner Zentrenlage jedoch dafür geeignet, um einen Einzelhandel zu genehmigen. Ebenso sei es nicht möglich im Zentrenbereich den Wettbewerb zu verhindern, so Neu weiter. Die Frage, ob eine solche Nutzung richtig sei, will Neu gern politisch beantwortet wissen. Indessen dementierte der Pressereferent der REWE Markt GmbH Thomas Bonrath das Gerücht, die Einkaufkette habe ein Interesse an der Immobilie.

Eine einfache Genehmigung für einen anderen Interessenten schließt Neu aufgrund der historisch-politischen und architektonischen Relevanz der Gebäudes aus. Das Planverfahren der Stadtpolitik wird hier nicht ohne Bürgerbeteiligung und deren Gegenwehr auskommen. Der erste Widerstand hat sich bereits formiert. Am 22. Juni wird es im Rahmen des Kultur- und Straßenfestes Westbesuch um 14 Uhr eine Protestkundgebung am Felsenkeller geben, zu der die Schaubühne Lindenfels aufgefordert hat.

René Reinhardt, Vorstand der Schaubühne, kritisiert das derzeitige Vorgehen der Stadt und würde sich wünschen das die Informationspolitik der Stadtoberen besonders in einem Stadtteil, der von Bürgerbeteiligung geprägt ist, anders ausfällt. Er vermisst die Transparenz im Umgang mit solchen Vorgängen und fordert eine Beteiligung von Anfang an und nicht erst dann, wenn es zu spät ist, Einfluss zu nehmen. “Der Felsenkeller als Tor zum Boulevard der Karl-Heine-Straße, wie er durch aktive Bürgerbeteiligung entstanden ist, steht an dem Punkt an dem diese urbane Lebensader beginnt. Es muss daher bessere Alternativen als den Bau eines weiteren Einkaufszentrums geben.” Betrachtet man die Schwemme der Nahversorgungseinrichtungen vom Adler bis zum Lindenauermarkt, wirkt das Planungsvorhaben ohnehin schon mehr als absurd. Auch die möglichen Eingriffe in die innere und äußere Struktur des Gebäudes selbst wie auch in die Umgebung – man denke an die alten Linden, die dem Umbau sicherlich zum Opfer fallen würden – beunruhigen Reinhardt. Hier sollte nicht der gleiche Fehler gemacht werden, wie es mit den Höfen am Brühl geschehen ist. Der Tourist, der über die Gerberstraße in die Messestadt einfährt, bekommt als ersten Eindruck die Leuchtreklame einer Elektronik-Fachmarktkette präsentiert. Willkommen beim Preis ist doch irgendwie blöd.

Im Westen der Stadt soll das nicht so werden. Alternativen sieht Reinhardt in der Schaffung eines Kulturhauses, um das Gebäude seinem ursprünglichen Nutzen wieder zuzuführen. Auch der Schriftsteller Volly Tanner ist der Meinung, dass “die Ideen zur Umnutzung der Räume aus der Bürgerschaft selbst kommen müssen.” Dass dadurch natürlich die Frage nach dem Kauf der Immobilie durch die Stadt oder einen Verein sowie die Frage nach der Bezahlung der nötigen Sanierungsarbeiten im Raum steht, ist evident. Fragwürdig bleibt auch, ob die Mittel des Kulturdezernates dafür ausreichen würden.

Dennoch heißt es seitens der Schaubühne: “Wir sind bereit an der zukünftigen Gestaltung mitzusprechen. Das zeigen wir, für alle die es noch nicht bekommen haben, durch unsere Protestkundgebung erneut. Wir halten es für wichtig, an der Entwicklung eines sich rasant – bisher zum Guten – wandelnden Stadtteils an Entscheidungen beteiligt zu sein, die das Gesicht des Viertels nachhaltig verändern. Die Bürger Leipzigs wollen mitgestalten, denn sie leben hier.”.

Indessen wird man auf die in Bearbeitung befindliche Vorlage zu benannten Sachverhalt noch eine Weile warten müssen. Zum einen wird diese durch den Wechsel der Personalie BaubürgermeisterIn – Dorothee Dubran löst im Juli den scheidenden Martin zur Nedden ab – verzögert. Ebenso kommt die Sommerpause einer Freigabe durch die Dienstberatung des OBM in die Quere, so dass mit einer Einbringung im Stadtrat, so Neu, erst im September zu rechnen sei.

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