Sie rufen mit Volkes Stimme bei Facebook, schieben Petitionen an und haben offenbar einen Mitbetreiber der Initiative in den sozialen Netzwerken, der sich selbst freimütig zur NPD, deren Zielen und Wegen bekennt. Nach eigener Kommentierung ist er Administrator der Seite, also steht ihm das Recht zu, andere Nutzer zu sperren oder deren Beiträge zu löschen. Am Abend des 25. Oktober sind ihm offenbar die Nerven durchgegangen.

Zwar hat die Facebook-Initiative “Gohlis sagt Nein” seit dem 17. Oktober 2013 jede Menge stramme Kommentare gegen den Islam, gegen Befürworter einer toleranten Gesellschaft und gegen Menschen anderer Meinungen aufgesammelt, jedoch noch immer keine(n) Ansprechpartner für die rund 5.000 Fans weit über Leipzig hinaus benannt. Hier wird jeder neue Beitrag eingestellt, welcher gegen den Islam ist, und von jeweils rund 50 bis 70 Personen/Profilen geliked.

Während sich auch die Statements auf der Seite zum Moscheebau in Gohlis – und längst eher allgemeiner Natur – vor Aggressivität meist pauschal gegen “den Islam” und für “das Deutsche Volk” förmlich überschlagen, bleiben die Betreiber des Ansinnens also weiterhin namenlos. Über allem steht “Protest aus der Mitte des Volkes” geschrieben. Und “das Volk” – hier bestehend aus rund 5.000 Usern verschiedener Regionen Deutschlands – ist erregt: über soziale Verwerfungen, fehlende Kitaplätze, über Leipziger Fußballergebnisse und oft auch über die eigene gefühlte Ohnmacht gegenüber einer in der Tat oft nicht allzu gerechten Gesellschaft. Dabei wird jedoch fast alles nunmehr auf den Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde projiziert, auch der in Leipzig ansässige Salafist Hassan Dabbagh oder die Gülen-Bewegung kommen mit in den Hexenkessel, ganz so, als ob es alles eine gefährliche Suppe werden soll. Mal dienen anderen islamschen Strömungen als Beweis für die Gefährlichkeit der Ahmadiyya-Gemeinde, mal hat man den irrigen Eindruck, es gäbe mit dem Moscheebau in der Bleichertstraße sofortige innerislamische Schusswechsel auf offener Straße. Auf der Speisekarte steht hier “Deutscher Eintopf nach Art des Hauses”, Diskussionsfelder mit oder über die Fragen zum konkreten Bauvorhaben und die Ausrichtung der Ahmadiyya-Gemeinde sind eher selten, der Thomaskirchpfarrer Wolff erntete für seine interreligiöse Handreichung und Dialogbereitschaft mit der Gemeinde nahezu ausschließlich Spott, Häme und Verurteilung.

Doch seit nunmehr knapp 48 Stunden steht ein reichlich resoluter Eintrag ungelöscht online, also scheinbar mitgetragen durch die Betreiber der Seite, welcher Einblick in die Gedankenwelt der anonymen Initiatoren geben könnte. Auf Nachfragen der L-IZ.de (siehe unten) erfolgte keine Antwort, obwohl die Betreiber gegenüber der Presse immer wieder betonen, dass sie bald einen Ansprechpartner benennen und natürlich die Bürgerinitiative Gohlis gegen den Moscheebau repräsentieren.
Nach einigen Widerworten anderer User scheint es Uwe L. bei einer der vielen Debatten endgültig gereicht zu haben. Und so teilte er am Abend des 25. Oktober allen Mitdiskutierenden offen mit: “Nur zur Info für die Moslems und Türken. Ihr werdet sofort von mir geblockt. Ich habe nicht die geringste Lust Euren geistigen Dünnschiss zu lesen. Spart euch eure Kraft für die Heimreise auf – ihr werdet sie brauchen!”

Lässt man den Rest der Zeilen mal sträflich außer Acht, eine offene Ansage, weitere Einträge kritischer User dadurch zu verhindern, indem er sie angeblich von der Seite ausschließen kann. Dies geht technisch nur, wenn man sogenannte Administrationsrechte an einer Facebookseite innehat, also von der (laut Statement in der Leipziger Volkszeitung) Gohliser Bürgerinitiative, welche sich zur Facebookseite bekennt, mit Rechten ausgestattet ist. Angesichts des Beitrages wächst von Stunde zu Stunde die Vermutung, die Initiative sei entgegen der Aussagen der Betreiber gegenüber L-IZ.de eben nicht so unpolitisch oder überparteilich, wie behauptet. Stattdessen steht nun ein allgemeiner Hinweis der Überforderung wegen der vielen Presseanfragen und Zuschriften auf der eigenen Facebookseite.

Ob sich der Schreiber der eindeutigen Zeilen nur aufspielen wollte, werden die unbekannten Betreiber der “Gohlis sagt Nein”-Seite zu erklären haben. Einen Ansprechpartner, wie noch am 22. Oktober angekündigt, gibt es bis heute nicht, eine Kostenlos-E-Mail bleibt der einzige Zugang, über welchen die Betreiber nach eigener Auskunft Interviews mit Unbekannten gewähren wollen.

Uwe L. selbst hat neben dem Statement auf dieser Fanpage ein persönliches, offen einsehbares Profil im blauen Netzwerk, in welchem mehrfach und mit Nachdruck für die NPD-Demonstration am 2. November 2013 gegen die Moschee geworben wird. Die selbst angegebenen Interessen des Users reichen von der NPD Sachsen bis zur Bundes-NPD inklusive Wahlaufruf 2013 und breiter Zustimmung zu den Parteizielen. Von pauschelem “Raus mit den Moslems” und “Weg mit dem Gesockse” steht hier ebenso zu lesen, wie von Untermenschen, die schon noch irgendwann bekommen werden, was sie verdienen. Dass er dies alles ebenfalls nach eigenen Angaben nicht von Gohlis aus verbreitet, ist angesichts dieses Statements eher nebensächlich. Die Bürgerinitiative lässt ihn dennoch und trotz des Hinweises seitens der L-IZ weiter suggerieren, er könnte Administrator ihrer Seite sein.

Sollte die rechtsextreme Unterwanderung der Seite also gegeben sein, wären diverse Fans der Seite und so mancher Mitpetitent ihrer ebenfalls anonymen Online-Petition eventuell NPD-nahen Kräften auf den Leim gegangen. Anderenfalls ist die vorgebliche “Stimme des Volkes” hier zumindest eine reichlich radikale.

Zu den beiden Petitionen
Leipzig sagt Ja! Für mehr Toleranz und Religionsfreiheit
Keine Moschee in Leipzig/Gohlis Bürgerinitiative: Gohlis sagt Nein!

Zu ein paar wenigstens weitgehend geprüften Informationen
http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmadiyya
Die später als die Online-Petition der Moschee-Gegner gestartete Online-Gegen-Petition namens “Leipzig sagt Ja!” für mehr Toleranz und Religionsfreiheit hat ihr Petitionsziel von 2.000 Stimmen bereits am 27. Oktober, gegen 16 Uhr, wenige Stunden nach dem Start, erreicht. Vor der Petition der Initiative “Gohlis sagt Nein”, welche heute um 16:35 Uhr trotz früheren Starts bei 1.676 Zustimmungen stand.
Die am Samstag, 26. Oktober kurzfristig gestellte, am 28. Oktober anonym beantwortete Anfrage an die Betreiber der Seite “Gohlis sagt Nein” zum Vorgang der Anonymität der Bürgerinitiative und der Administratoren.

1. Ist der postende User Uwe L. Administrator der Facebookseite “Gohlis sagt Nein” oder hat er die von ihm benannten Rechte?

Nein, die benannte Person hat keine Admin-Rechte für unsere Seite. Offenbar hat jene Person private Nachrichten von anderen Usern, möglicherweise mit Drohungen oder Pöbeleien, die ihm entsprechend missfallen haben. Er sagt ja nicht, dass er jemanden für die Seite sperrt, sondern dass er andere User blockt was bedeutet, dass diese ihm bspw. keine Nachrichten mehr schreiben können.

1a. Wenn ja, wie stehen Sie zur Einflussnahme rechtsextremer Kreise sowie zur NPD bezüglich Ihrer Bürgerinitiative?

Die von Ihnen unterstellte “Einflussnahme” findet nicht statt. Wir sind parteipolitisch neutral. Wenn die NPD ebenfalls gegen den Moscheebau mobil macht, dann ist das deren Sache. Unser Engagement läuft davon unabhängig, und nur weil die NPD dieses Thema für sich entdeckt hat, werden wir keinen Rückzieher machen. Wir stellen also die Gegenfrage: Warum überlassen die großen Parteien dieses Thema der NPD?

1b. Wenn nein, warum bleiben solche Beiträge auf Ihrer Facebookseite bestehen und werden somit durch Ihre Bürgerinitiative geduldet?

2. Wie werden Sie bezüglich der Kommunikation mit muslimischen Usern und Bürgern im Netz und in Leipzig seitens Ihrer Initiative zukünftig verfahren?

Wir kontrollieren regelmäßig die Kommentare von Usern, können dies jedoch nicht minuten- oder stundengenau gewährleisten. Sobald wir feststellen, dass ein Eintrag entweder gegen das Strafgesetzbuch oder die guten Sitten verstößt, wird er gelöscht. Wir sind jedoch keine Zensoren, die die freie Meinungsäußerung einschränken wollen.

Wie gesagt: Wir sind keine Meinungszensoren. Solange Muslime ihre Positionen vernünftig und ohne Drohungen vortragen, verschließen wir uns nicht der Diskussion und dem fairen Meinungsaustausch.

3. Wann werden Sie Ansprechpartner Ihrer Bürgerinitiative benennen?

Wir beraten derzeit über weitere Schritte, so auch die Benennung eines Ansprechpartners. Sie dürfen nicht außer Acht lassen, dass wir kein Verein sind, der auf Versammlungen Posten wählt, sondern eine Bürgerinitiative “von unten”. Jemand, der öffentlich für unsere Initiative als Ansprechpartner auftritt, läuft ohne Zweifel Gefahr, zu einer Art Zielscheibe für Andersdenkende, ob Muslime oder Personen aus dem linksextremen Spektrum, zu werden, die dann vielleicht weniger auf den sachlichen Diskurs als auf “handfeste Argumente” in Form von Gewalt setzen.

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