Nicht nur die Grünen bekamen nun Antwort auf ihre Nachfrage zum Stadtbad Leipzig, auch der Stadtrat selbst wird nun endlich darüber informiert, was schon längst im Gang ist: der Verkauf des 100 Jahre alten Gemäuers. Auf der EXPO Real, die vom 7. bis 9. Oktober in München stattfindet, wird es zum Verkauf angeboten. Warum es nun doch verkauft wird, soll der Grundstücksverkehrsausschuss am 21. Oktober erfahren, die Ratsversammlung am 21. November.

Die Dienstberatung des OBM hat sich mit dem Thema am Dienstag, 1. Oktober, beschäftigt. Eigentlich auch nur noch informellerweise. Denn dass man die Immobilie zum Verkauf ausschreibt, wurde schon in den Vormonaten entschieden, auch wenn sich das Wirtschaftsdezernat dazu etwas vage ausdrückt: “Auf Grund fehlender Möglichkeiten der Stadt Leipzig, Investitionszuschüsse in erforderlichem Umfang zu leisten, kann nach Vorangestelltem das Stadtbad nur erneut öffentlich zur Vermarktung (Verkauf, Erbbaurecht) ausgeschrieben werden. Unter denkmalpflegerischer Maßgabe ist heute ein weiteres Spektrum wirtschaftlicher Nutzungen denkbar, zum Beispiel als Hotel, Kultur- bzw. Bildungseinrichtung. Das Konzept der Kannewischer AG ergänzt dieses Spektrum sinnvoll. Hierfür wurde inzwischen ein Wertgutachten erstellt bzw. die bestehenden Wertgutachten überarbeitet und darin ein Wert für die Immobilie von 500.000,00 ? festgestellt.”

Wann genau wer feststellte, dass man nun den Hebel wieder umlegen wolle, wird nicht erklärt. Zuvor hatte man ernsthaft untersucht, das Naturkundemuseum in der Immobilie, die seit 2004 nicht mehr als Stadtbad betrieben wird, unterzubringen: “Des Weiteren wurde in den vergangenen Monaten die Unterbringung des Naturkundemuseums im Stadtbad geprüft. Die Unterbringung wurde wegen zu hoher Kosten und der Ungeeignetheit des vorhandenen Raumzuschnitts derzeit verworfen.”

Dabei war 2010 der Auftrag, ein Wirtschaftlichkeits-Gutachten zu erstellen, ja erfolgt, damit der Stadtrat auch ein Bild von möglichen Perspektiven für das alte Gemäuer bekommt. Immerhin hatte man gerade 1,8 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket in Dach und Entwässerung gesteckt und im Stadtrat noch einen Nachschlag von 300.000 Euro beschlossen. Das macht man in der Regel nicht, wenn man für so ein altes Haus nicht durchaus Chancen auf neue Nutzungen sieht.

Der Auftrag, das Gutachten zu erstellen, ging seinerzeit an die Kannewischer AG, die sich mit solchen Objekten auskennt. Und im Gutachten, das seit August 2011 im Wirtschaftsdezernat vorliegt, soll auch stehen, dass das Gebäude “grundsätzlich die Möglichkeit einer Nutzung als modernes Wellnessbad bietet.”

Nur erklärt wird in der jetzigen Vorlage nicht, warum das Wirtschaftsdezernat dieses mit 50.000 Euro bezahlte Gutachten bisher unter Verschluss hielt. Es soll auch jetzt nicht öffentlich werden. Eine Kurzfassung bekommen die Stadträte als “nichtöffentliche Anlage”.Das Resümee, das das Wirtschaftsdezernat aus dem Gutachten zieht, lautet: “Zusammengefasst kommt das Nutzungskonzept der Kannewischer AG zu dem Ergebnis, dass für die dort in Betracht genommene Variante der Nutzung die Bereitstellung eines öffentlichen Investitionskostenzuschusses in Höhe von mindestens 10 Mio. ? notwendig wäre. Die finanzielle Umsetzbarkeit des Konzeptes wurde in mehreren verwaltungsinternen Haushaltsabstimmungen beraten, jedoch wegen der dringlich zu finanzierenden Pflichtaufgaben der Stadt Leipzig (Kitas, Schulen) als gegenwärtig nicht umsetzbar eingeschätzt. Die finanziellen Mittel können daher aufgrund der angespannten Finanzsituation nicht im städtischen Haushalt bereitgestellt werden.”

Was so weit logisch ist. Aber eben nicht transparent. Es ist der alte Semmelkreis der amtlichen Informationshoheit – man redet “verwaltungsintern”, hält es aber nicht wirklich für zwangsläufig, zumindest den Stadtrat über die absehbaren Schwierigkeiten zu informieren.

Schwierigkeiten, die auch dann nicht behoben wären, wenn man irgendwo nennenswerte Fördermittel zur weiteren Sanierung herbekommen hätte. Auch das wurde geprüft. Keine Chance bei Städtebauförderung, bei Tourismus, wenig Zuschuss beim Denkmalschutz. Klare Aussage: “Damit sind weithin keine Möglichkeiten der Förderung von mindestens 10 Mio. ? sichtbar.”

Denn das Handicap bleibt der Investitionszuschuss. Um im Stadtbad irgendeinen irgendwie gearteten Betrieb zu ermöglichen, muss das Haus erst einmal komplett saniert sein. Das sind die 10 Millionen, die die Stadt nicht hat.

Die überraschende Aussage aus dem Kannewischer-Konzept ist: Wenn das Haus saniert wäre, könnte es selbst im ursprünglich gedachten Bad-Sauna-Betrieb wirtschaftlich betrieben werden. Das Gutachten nahm dazu 310.000 zahlende Besucher im Jahr an und 58 für Leipziger Verhältnisse spendabel honorierte Arbeitskräfte (32.785 Euro pro Jahr und Nase).

Aber in der Ausschreibung geht das Liegenschaftsamt deutlich über das Konzept hinaus. Das Wirtschaftsdezernat formuliert die Spannbreite so: “Die zukünftige Orientierung eines sanierten Bades sollte im Freizeitbereich liegen, wobei der Fokus auf dem Gebiet Erholung und Gesundheit gesehen wird. Das Angebot sollte qualitativ hochwertig sein. Aufbauend auf den bisherigen Angebotskomponenten Bad/Sauna/Anwendungen/Gastronomie und ergänzt um einen Fitnessbereich könnte innerhalb der bestehenden Räumlichkeiten ein zeitgemäßes und attraktives Bad realisiert werden.”

Nur wird es nicht die Stadt sein, die hier tätig wird. Es braucht jemanden mit Investitionskapital. “Für die Realisierung dieses Konzeptes sind umfangreiche finanzielle Mittel erforderlich. Der Gegenwert dieser erforderlichen Investition ist nicht zu unterschätzen, denn es kann diese einzigartige denkmalgeschützte Immobilie in ihrem ursprünglichen Zweck mit einem zeitgemäßen und zukunftsfähigen Angebotskonzept wieder hergestellt sowie ein Beitrag zur Gesundheitsförderung für eine breite Bevölkerungsschicht geleistet werden”, heißt es nun in der Vorlage für die Ratsversammlung.

Die Vorlage des Wirtschaftsdezernats: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/9BF3E8862F63FB03C1257BF60043C27E/$FILE/V-ds-3326-text.pdf

Und weil der Relaunch der Homepage der Stadt Leipzig auch alle Links ungültig gemacht hat, hier das Exposé zum Stadtbad als PDF zum download.

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